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Die Ahnl Reqina.
das sie so vorsichtig aufgebaut zu haben glaubte. Größer noch
als ihre Traurigkeit war die Scham vor sich selbst; denn sie
war sich der Eitelkeit und des sinnlichen Antheils wohl be¬
wußt, welche bei den Beweggründen zu ihrer Heirat wesent¬
lich mitgespielt hatten. In unbezwingbarer Aufregung sprach
sie laut mit sich selbst: »Von dem Augenblicke an, wo ich
mich des Titels »Ahnl« geschämt habe, begannen meine
Verirrungen, die ich nun mit dem Verluste meines Friedens
und all meiner Freuden, obendrein auch noch mit dcnr Gc-
spötte der Menschen büßen muß! Aber — koste cs, was es
wolle, — ich will und werde mich frei ruachen!«
Endlich kam der Morgen. Mit dem Bedeuten, daß sie
in die Frühmesse gehe, machte sic sich sogleich auf den Weg
ging in die Kirche des Dorfes, und nach der Messe zum
Pfarrer, en sie als geistliches Gericht mit denr Geschehenen
und mit ihrer Klage und Forderung bekannt machte. Sie
verlangte wegen bewiesener ehelicher Untreue, wegen zuneh¬
mender Trunksucht uud Verschwendung ihres Mannes die
gerichtliche Scheidung, da es ihr unmöglich sei, mit ihm
unter einem Dache zu leben.
Der Pfarrer hörte sie ruhig an, und als sic mit der
Erzählung zu Ende war, bemühte er sich, sie wohlwollend
zu besänftigen und ihr den großen Ernst ihres Schrittes vor-
zustellen; der würdige Mann meinte, sic möge sich nicht
übereilen, sondern lieber noch eine Weile zuwarten und ihren:
Manne einige Zeit gönnen, binnen welcher es sich zeigen
werde, ob er sich nicht vielleicht dennoch bessern würde, um
ihm ihre Verzeihung angedeihen zu lassen. Er selbst wolle