Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1924 (1924)

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nur einen Augenblick des Daseins sehen, so meinen wir, es sei seit jeher | 
s o gewesen. Wir Kinder der flüchtigen Stunde können es gar nicht fassen, ■ 
wie eine alles bewegende Urkraft und Unrast stets an der Arbeit ist, ohne 
Ueberstürzung Neues zu bilden. In einen Abgrund der Erdgeschichte sehen 
wir und nur der langsame Gang, mit unseren Menschenmaßen gemessen, 
verschleiert das dämonisch Ungeheure des Ereignisses. 
Ganz allmählich, ohne jede wüste Störung haben sich einst Land- 
und Erdteile gehoben, wie ja noch heute Schweden, Norwegen, Finnland 
immer mehr aus dem Meere steigen. Die schwedische Küste hat sich in der 
Gegenwart in .100 Jahren stellenweise um 1V2 Meter gehoben, diese Be 
wegung dauert schon Jahrtausende an. Umgekehrt sinken die deutsche Ostsee- 
und holländische Nordseeküste. Solcher Zentimeterzuwachs gründet Erdteile 
oder laßt sie versinken. Für die Natur ist diese Arbeit nicht schwerer als 
sie der fallende und rinnende Regentropfen verrichtet, der ja auch Gebirge 
abträgt und ins Meer schwemmt. Die Natur hat keine Eile, sie kann sich 
Zeit lassen. 
Nun kommen wir zw den Geschicken unseres Landes zurück. Wer 
vor einer Zeit, die älter als alle Menschenahnung ist, von den Küsten 
bergen des Mühlviertels Ausblick genommen hätte, der sah an Stelle 
unseres heurigen Heimatlandes ein recht wechselvolles, ereignis 
reiches Bild. Land und Meer stritten sich zeitweise um die Herrschaft. ■ 
So war im Kambrium (Zeit des Altertums der Erde) Europa ein Land. 
Im unteren Devon (geol. jüngere Zeit) war das Mühlvierlel eine Insel im 
Tethysmeer, das übrige Oberösterreich also unter Wasser. Im Karbon bil 
dete ganz Europa eine Halbinsel im Zusammenhange mit Amerika und 
Grönland. Im oberen Trias und Jura war das Mühlviertel wieder wie 
früher eine Insel im Tethysmeer, welches sich später so ausbreitete, daß im 
Altterriär der atlantische Ozean eingebrochen ist. Im folgenden Verlauf der 
Erdgeschichte bildete sich allmählich der gegenwärtige Zustand aus. Durch 
alle Zeitverhältnisse hindurch stand allein der Nordteil unseres Landes auf 
einem unzerstörbaren Damm der Erde, so stark, daß die später vor sich 
gehende Aufwerfung der Alpen durch dieses zusammenhängende unverrück 
bare Erdgebilde, das sogenannte böhmische Massiv, geradezu beeinflußt 
worden ist. Dieses Festlandsmassiv bild et eine Masse kristallinischen Gesteins, 
das die Donau in unserem Lande oberirdisch nur im Sauwald, Mayer 
hoferberg, Kürnberg und bei Schärding überschreitet, nach Westen sich in 
den bayrischen Wald, nach Osten ein Stück nach Niederösterreich und Mähren 
fortsetzt. Dieses Stück Erde hat seit Urtagen seine eigene Geschichte. 
Der Boden des Mühlviertels ragte früher viel höher 
empor, er ist im steten Abtragen begriffen und zeigt nur mehr die Grund 
mauern einstiger gewaltiger Gebirge, welche durch die Tätigkeit von Wasser 
und Wind bereits bis an seinen Sockel abgetragen sind. Die Verwitterung 
dauert an. Wie der Augenschein jedermann darlegt, ist das Mühlviertel 
ein eigenartiger Landstrich ehrwürdigsten Alters, der standgehalten hat, als 
alle Welt rings herum durch ungemeffene Zeiträume auf- und niederwogte.
	        
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