Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1905 (1905)

Der Reinertrag. 
Mein Oheim, der selige Muki, eine allgemein geachtete, harmlose 
Persönlichkeit von angenehmem Aeußeren und etwas Vermögen, hatte eine 
Pachtung in Oberungarn. Er war ein Landwirt comme il saut. Die 
Wissenschaft, jene milchende Kuh, die uns nach Schillers Behauptung mit 
Butter versorgt, gehörte zu seinem Viehstande und die Praxis hatte er durch 
emsiges Volontieren auf dampfpflügenden Domänen weg. Onkel Muki hatte 
also eine Pachtung. Er hatte Sandboden und auch Lehmboden. Auf dem 
Sandboden standen Ginster, Waldmeister, Maiglöckchen und Huflattich, da 
zwischen auch Hafer und Kartoffeln. Auf dem Lehmboden hatte er Raden, 
Klatschmohn, Königskerzen und Weizen. Kleeseide und Quecken hatte Onkel 
Muki überall, Butterblumen aber nur in den Niederungen und in der Sonne. 
,,Onkel Muki," fragte ich ihn mit ehrfurchtbebender Stimme, denn ich 
hatte Respect vor ihm, „Onkel Muki, sag' mal, wo wächst denn eigentlich 
Dein Reinertrag?" 
Onkelchen, die Güte selber, antwortete: „Kind, das verstehst Du nicht! 
Einen unmittelbaren Reinertrag hat die Bodenbebauung in Europa über 
haupt nicht. Den erziele ich erst indirekt durch die Mast. Alles, was Du 
siehst, der ganze Segen, wie er da steht — den fressen meine Ochsen." 
„Ah! Und auf diese Art verwertest Du Deine Ernte famos — 
nicht wahr?" 
„Nein, Kind. Die Mästung an sich wirft auch nichts ab. Nicht das 
mindeste. Nicht einen rothen Heller, sage ich Dir, — nicht einmal genug für 
Cigarren. Die Ochsen werden vielleicht fett davon, — ich nicht. Ich bestimmt 
nicht." 
„Wo bleibt da also der Gewinn, Onkelchen?" 
„Ja — siehst Du lieber Neffe, das ist eine Sache, die man gründ 
lich verstehen muß, um sie zu begreifen. Eine oberflächliche Betrachtung 
genügt nicht. Der Gewinn besteht nämlich in dem Dünger, den mein 
großer Viehstand erzeugt." 
„Ah!" rief ich staunend. 
„Jawohl, mein Kind. Und dieser Dünger" — um Onkelchens Lippen, 
zuckte es schmerzlich — „dieser Dünger, der kommt dann wieder auf die 
Felder und erzeugt den Segen, den Du da siehst." Und mit einem thränen- 
schweren Blicke gen Himmel schloß Onkel Muki, eine hochachtbare Persön 
lichkeit, die Darlegung seiner Wirtschaftsmethode. 
„Wiener Landw. Zeitung." Roda Roda.
	        
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