Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1902 (1902)

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Eine tragi-komische Bieuengeschichte. 
Auf der großen Imker-Ausstellung zu B. war es, wo Anton Bumke seine „Bienen 
königin" erstand. Er fand sie ideal schön, mit dem zierlichen Küraße den „goldenen" 
Augen und den schwarz und gelb geringelten Beinchen. Zu ihrer Ueberführung zu 
seinen „Völkern" construierte er eine schwedische Streichholzschachtel, deren Holzdeckel er 
durch einen durchlöcherten Papierdeckel ersetzte. Da hinein sperrte er die Königin, und 
zu ihrer Gesellschaft vier Arbeiterbienen, damit sie sich nicht „bange", wie der sinnige 
Jüngling bei sich dachte. 
Wieviel versprach er sich von der zu erzielenden Kreuzung mit der Rasse seiner 
Bienenstöcke, wie froh versenkte er die Schachtel in die Tasche seiner großcarrierten 
Beinkleider! 
Nun noch eine Depesche nach der nur zwei Stationen entfernten Stadt, wo er 
seine Braut nebst Schwiegermutter auf der Durchreise besuchen wollte — und nun in 
höchster Eile nach dem zur Abfahrt fertigen Zug. 
Die Locomotive pfiff. Anton Bumke rast über den Perron, stürzt in das nächste 
bereits sehr gefüllte Coupe und fällt dabei über die ausgestreckten Beine eines alten 
Herrn, wobei er sein Haupt sehr unsanft auf die spitzen Knie einer spindeldürren, alten 
Jungfer bettet, die laut aufkreischt. Nach vielen Entschuldigungen kommt Anton zum 
Sitzen, wobei ein ziemlich deutliches „Der Kerl scheint besoffen" an des unschuldigen 
Jünglings Ohr dringt und ihn tief erröthen macht. 
Er versuchte durch Stillsitzen und möglichst harmloses Aussehen diesen dunklen 
Verdacht von sich abzuwälzen — leider fühlt er jetzt ein heftiges Kribbeln am 
rechten Bein. 
Verstohlen tastet Anton nach der betroffenen Stelle — wobei er aus Versehen 
eine Nachbarin, eine dicke Schlächterin, streift. 
„Daß das nicht noch 'mal vorkommt, junger Mann," bemerkte sie entrüstet. 
Anton erröthete abermals tief — fährt aber im nächsten Augenblick wild in die Höhe. 
„Jotte doch — was will er schon wieder?" kreischte die alte Jungfer. — 
„Sie sollten sich schämen, in solch einem Zustande zu anständigen Menschen ein 
zusteigen," bemerkt mißbilligenden Blickes der alte Herr. 
„Daß so etwas gelitten wird, ist empörend" — murmelte es aus einer Ecke. 
In diesem Augenblicke sühl^Anton Bumke einen heftigen Stich — er fährt zu 
sammen — und faßt dann vorsichng in die Tasche. O Gott, seine Ahnung hat ihn 
nicht betrogen — die Schachtel ist beim Sturze ins Coupe zerbrochen — der Deckel 
zerplatzt — von einer Königin und ihrem Hofstaate keine Spur. — — 
Und jetzt sticht es an zwei Stellen. 
Anton stößt eiwen wilden Schrei aus und fährt verzweifelt von seinem Sitze in 
die Höhe. 
„Gott im Himmel — er wird wahnsinnig!" kreischt die. Schlächtersfrau. 
„Schaffner — Schaffner — lassen Sie uns heraus — ein Irrer!" schreit alles 
durcheinander. 
Anton Bumke schreit voll neuem. 
„Um Gottes willen — er verfällt in Tobsucht" — schreit die alte Jungfer. 
„Ruhig — ruhig!" beschwichtigte der alte Herr. „Was fehlt Ihnen — sagen Sie 
es uns!" wendet er sich an Anton. 
„Ich kann es nicht mehr aushalten," schreit Anton — „sie sind ausgebrochen — 
alle — und sie stechen — ich bin schon gestochen — verlassen Sie alle das Coupe — 
ich muß allein sein — sonst werden Sie auch gestochen." — 
„Er ist verrückt — ein ausgebrochner Irrer. Schaffner, Schaffner!" schrien sie 
durcheinander. 
Am offenen Fenster erschien jetzt der Schaffner. 
„Gleich, meine Herrschaften — gleich hält der Zug — was? ausgebrochen? — 
gleich soll das untersucht werden." 
Ein gellender Pfiff. 
„Station N." 
In wilder Flucht stürzen alle heraus; vom Schaffner benachrichtigt, nähert sich 
langsam der Stationsvorsteher. Er postiert sich, nachdem die Coupethür sorgfältig, ge- 
schloffen, am offenen Fenster.
	        
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