Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1899 (1899)

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und Arnold machte sich, freilich bedeutend kleinlauter als das erstemal, abermals auf 
den Heimweg. Beitel und der Gastwirt standen wieder am Fenster und schauten dem 
Fortfahrenden nach. 
„Pstsfig genug hast du's angefangen, das muß ich sagen," meinte der Wirt und 
wandet sich zu dem Händler. „Aber ein zweitesmal wird der sich nicht anführen lassen." 
„Was gilt die Wette?" 
„So viel wie vorhin!" sagte der Wirt. 
„Einverstanden!" sagte Beitel und verschwand. 
Der junge Metzger hatte bald wieder die Stelle erreicht, an welcher der erste 
Stiefel gelegen, und mit einem ärgerlichen Brummen fuhr er vorüber. Als er aber an 
die Biegung der Straße kam, wo er den zweiten aufgehoben, hörte er plötzlich einen 
Ton,, der alle seine Aufmerksamkeit erregte. 
„Mäh, mäh, mäh!" erklang es aus einem der nahen Büsche, und wie der Blitz 
war Arnold von seinem Wagen. Das war die Stimme seines verlorenen Kalbes, dort 
im Gebüsch irrte es umher, er hatte es wieder! Schnell warf er noch einen Blick auf 
das andere Kalb im Wagen, es lag gefesselt still am Boden, das lief ihm nicht davon, 
wie das erste. In drei Sprüngen war er an dem Gebüsch, von woher die Stimme 
erklungen, und vorsichtig bog er die Zweige voneinander, um das scheue Thier nicht 
wieder zu verjagen. Doch kein Kalb war zu sehen, wohl aber erklang seine Stimme 
jetzt ein Stückchen davon im nächsten Gebüsch und schien sich noch mehr zu entfernen. 
Arnold folgte auch hierhin, und immer weiter hinein in das Gesträuch mußte er 
dringen, denn immer ferner tönte das klägliche „Mäh, mäh". Der junge Metzger ge- 
rieth in Hast und Aufregung, aber obwohl er voll Eifer in der Verfolgung Hecken und 
Büsche durchbrach, Gräben überkletterte, sich mit widerspenstigen Zweigen herumbalgte 
und endlich, von schweiß gebadet, in dem dichten Gestrüpp weder aus noch ein wußte, 
so war er der Stimme doch nicht näher gekommen. Im Gegentheile, zuletzt hörte er 
sie gar nicht mehr, und aufgebracht über die nutzlose Mühe und den nochmaligelt Verlust 
des Thieres, arbeitete er sich endlich wieder durch das Gesträuch und erreichte erschöpft 
und verdrießlich seinen Wagen. Aber wer beschreibt sein Entsetzen, abermals ist der 
Wagen leer, abermals auch dies Kalb verschwunden! Wie vor den Kopf geschlagelt 
schaute der arme Bursche drein, und man kann es ihm nicht verdenken, daß er wüthend 
auf die Erde stampfte. „Donnerwetter, bin ich denn behext heute?" rief er ganz außer 
sich; es hatte festgebunden im Wagen gelegen, also selbst fortlaufen konnte es nicht, es 
mußte gestohlen sein. 
„Ich Narr, ich Esel!" rief er, sich vor die Stirn schlagend. 
„Während ich dem einen umsonst nachlaufe, lasse ich mir das andere stehlen! 
Eine schöne Bescherung gibt das, was soll ich nun erst anfangen! Aber im Dorfe 
müssen sie mir helfen, sicher ist es mir von dortaus gestohlen, der Wirt muß Rath 
schaffen!" 
Schnell kehrte er abermals auf dem Wege zurück, den er gekommen, und bald 
fuhr er wieder vor dem Wirtshaus vor. 
„Adlerwirt, ich oder Eure Kälber sind behext!" rief er dem herbeieilenden Wirte 
entgegen und erzählte ihm sein abermaliges Mißgeschick. 
„Aber den Kerl muß ich kriegen, der es mir gestohlen, das schwöre ich!" schloß 
er seine Geschichte. Für jetzt aber gebt mir nur schnell ein drittes Kalb, der Meister 
ist sonst außer sich vor Zorn, wenn ich mit leeren Händen komme." 
Der Adlerwirt führte den Erregten schweigend nach seinem Stalle. „Da hier, 
die beiden Kälbchen kann ich euch noch ablassen!" sagte er dann und zeigte auf zwei 
schmucke Thiere. Verdutzt schaute Arnold bald auf den Wirt, bald auf die Kälber, denn 
da waren ja seine Flüchtlinge alle beide, sowohl das braune mit den schwarzen Füßen, 
als auch das so ausfallend weiß und grau gefleckte! Nun erfuhr Arnold, wie man ihn 
gefoppt hatte, und obgleich der Spaß ihm anfangs nur wenig gefallen wollte, so gelang 
es dem Wirte doch, ihn zu versöhnen, und bald lachte der junge Metzger herzlich mit. 
Beitel aber, der pfiffige Handelsmann, lachte am meisten, denn die beiden blanken 
Guldenstücke in seiner Tasche hatten einen gar hellen Klang. „Der Volksbote."
	        
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