Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1884 (1884)

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wandte, Freunde gerichteten Briefen spricht man sich ganz so aus, wie man 
empfindet und denkt, und gibt diesen Gefühlen und Gedanken einen einfachen, 
schmucklosen Ausdruck des Wortes. 
2. Anstands- oder Ko nv eni en zbriefe. Dieselben werden nur 
in der Absicht geschrieben, um den Formen der Höflichkeit zu genügen. Sie 
vertreten im schriftlichen Verkehr die Stelle der Besuche. Der Ausdruck in 
solchen Briefen muß ein gemessener, also ganz verschieden von Vertraulichkeit sein. 
3. Geschäftsbriefe oder solche Briefe, welche durch die geschäftliche 
Verbindung zweier Personen bedingt oder an Leute gerichtet werden, von 
denen man eine Förderung seiner materiellen Interessen erwartet. In diesen 
Briefen muß ganz besonders auf möglichst einfache, klare, bestimmte Weise 
Das ausgesprochen werden, was man will, damit durch ungenauen Ausdruck 
keine Mißverständnisse entstehen. 
In allen Briefen muß man sich einer natürlichen, leichten, 
fließenden Darstellung befleißigen; sie sollen frei sein von 
Schwerfälligkeit des Ausdrucks. Der erste Schritt zur Leichtigkeit im Ausdruck 
und zum richtigen Verständniß des Briefes ist das Schreiben in kurzen 
Sätzen. Schachtelt man die Sätze in einander, d. h. macht man zu viele 
Zwischensätze, so wird der Inhalt des Briefes unverständlich. 
Daneben befleißige man sich der möglichsten Kürze; denn Zeit ist 
Geld, ganz besonders für den Landwirth. Das Bestreben, mit so wenig 
Worten als möglich sein Begehren, seine Meinung und Absicht auszusprechen, 
um sich und dem Briefempfänger Zeit zu ersparen, gibt dem Stile Knapp 
heit und Kürze; doch darf diese Knappheit und Kürze nicht bis zur Ver- 
derbniß der gewöhnlichen Schriftsprache führen, wie man dieses nicht selten 
in der kaufmännischen Korrespondenz findet. 
Bei aller Knappheit und Kürze muß aber ein Brief doch vollständig 
sein, das heißt er soll Alles enthalten, was nothwendig ist, damit sich der 
Empfänger vollständig von der Sache, welche in dem Briefe enthalten ist, 
unterrichten kann. Ganz besonders nothwendig' ist diese Vollständigkeit in 
Antwortschreiben; man erreicht in denselben diese Vollständigkeit, indem man 
dem Inhalte des empfangenen Briefes Satz für Satz folgt. 
In Mittheilung und Darstellung muß eine gewisse Vorsicht ob 
walten, selbst in den vertraulichsten Briefen, da dieselben in fremde, unbe 
rufene Hände kommen können. Falsche, auf Mißverständniß oder Uebereilung 
beruhende, oder unüberlegte Meldungen können Zerwürfnisse und langjährige 
Feindschaft zur Folge haben. 
Der Ton, in welchem ein Brief abgefaßt wird, hängt zwar von der 
augenblicklichen Gemüthsstimmung ab; der Briefschreiber muß dieselbe aber 
zu beherrschen suchen, um angemessen schreiben zu können. Ist es möglich, 
so warte man mit dem Briefschreiben, bis man in einer günstigen Gemüths- 
stimmung ist. In freundschaftlichen und vertraulichen Briefen sind Heiterkeit, 
Scherz, Witz zulässig, vorausgesetzt, daß man gewiß ist, der Empfänger des 
Briefes werde die Darstellung in dem Sinne auffassen, welchen der Brief 
schreiber damit verbinden will. Ernste Gegenstände müssen dagegen mit Ernst 
behandelt werden. In allen Fällen aber muß man in Anstandsbriefen mit 
würdigem Ernst schreiben.
	        
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