Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1880 (1880)

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der Ernte oder der Ackerung findet die Gänseschaar auf den Feldern oft zu 
Hunderten und Tausenden, theils in den ausgefallenen Körnern, theils in 
den grünen Pflanzen und Kräutern, die emporschießen, eine ergiebige Weide, 
die beinahe nichts als die Hütungskosten erfordert, und für die Felder nur 
von Vortheil ist. So finden die verstreuten Körner, die sonst gänzlich verloren 
wären, die beste Verwerthung. Die scharfen Auswurfstoffe, welche vermöge 
der raschen Verdauung zahlreich den Boden bedecken, machen das Beweiden 
der Wiesen unmöglich, indem das Rindvieh oder die Pferde dergestalt ver 
unreinigtes Futter nicht annehmen; allein es gibt überall Feldraine oder 
Hutweiden, die den Gänsen ausreichende Nahrung bieten, wenn ein Hüter 
ihren Weidegang beaufsichtigt, wozu alte, erwerbsunfähige Leute, oder auch die 
liebe Jugend Verwendung finden können; denn wehe dem Getreideacker oder 
Gemüsebeete, in welches eine unbehütete Gäuseheerde einbricht; die Verwüstung, 
namentlich bei jungen Saaten, ist sehr groß, und daher auch vielfach die 
Abneigung der Landwirthe gegen die Gänse, welche doch nur in der mangel 
haften Beaufsichtigung ihren Grund zur Klage haben. 
Wer jemals im Herbste die Wanderung der großartigen, viele Hundert 
tausende von Stücken umfassenden Heerden der Gänse zu beobachten Gelegenheit 
hatte, die von Mähren, Nordungarn, Böhmen in die Länder getrieben werden, 
wo große Nachfrage nach der „Martinsgans" ist, wird nicht mehr leugnen, 
daß hieraus für die Züchter, und insbesondere für die Händler ein hübscher 
Gewinn resultiren muß. In der Nähe der Städte gewinnt namentlich die 
Gänsemästung sehr erhebliche Bedeutung, indem die fetten Thiere zu sehr 
bedeutenden Preisen Absatz finden, und wenn auch bei uns solche außer 
ordentliche Summen wie in London nicht bezahlt werden, wo für eine Gans 
selbst 18 bis 20 Gulden Gold willig gegeben wird. -— (Freilich wiegt ein 
solches Riesenthier 35 bis 40 Pfund!) Immerhin verwerthet sich die Mühe 
und das bischen Futter vorzüglich in der Gänsezucht. Selbst einzelne Theile 
der Gänse, wie die köstlichen Lebern oder die geräucherten Gänsebrüste ver 
mögen ungeheure Summen den Ländern einzubringen, wo gerade auf dieses 
ein Hauptgewicht gelegt wird. 
Im Elsaß, um Straßburg herum, werden jährlich für über eine Million 
Francs Gansleberpasteten erzeugt, von Pommern aus gehen für weit über 
2 Millionen Mark die geräucherten Gänsebrüste in alle Welttheile. 
Unter allem Geflügel ist die Ente die genügsamste in den Ansprüchen 
auf Ernährung, aber viel muß sie haben, denn gefräßig ist sie, wie kaum 
das Schwein unter den vierfüßigen Hausthieren. Wo Wasserflächen, langsam 
fließende Bäche, Gräben oder Teiche in der Nähe sind, gibt es nichts Vor- 
theilhafteres als die Entenzucht, denn reichlichste Nahrung finden dieselben in 
dem zahlreichen Thierleben, das an diesen Orten das Gewässer bevölkert, und 
namentlich in einzelnen Wasserpflanzen, wie z. B. Wasserbinsen rc., die oft 
die ganze Oberfläche der Gräben bedecken; Froschlaich und Fischbrut werden 
gierig verschlungen, weshalb die Enten von allen Fischteichen, wo Aufzucht ge 
trieben wird, fernzuhalten sind. 
Wenig empfindlich gegen Witterungseinflüsse, beginnen schon im zeitlichen 
Frühjahre die Enten zu legen, bald schlüpfen die Jungen aus, und nun
	        
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