Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1877 (1877)

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Die Moden in der Landwirihschafl. 
Bon Franz Zoepf. 
Die Mode ist in allen Ständen und zu allen Zeiten vielfach ein 
Gegenstand der gerechtesten Angriffe gewesen, wenn sie auch hie uud da 
wohl, soweit sie als Unterstützerin des industriellen Unternehmungsgeistes 
auftritt, eben so energische Vertheidigung gefunden hat. 
Es ist hier nicht der Platz, all' der Verrücktheiten zu erwähnen, zu 
welchen sie durch den eisernen Zwang der falschen Scham die gesammte 
Menschheit führt, auch nicht der Flüche, die sie durch manches zerrüttete Ver 
mögen, manches verlorne Familienglück auf sich geladen, aber es mag nicht 
unpaffend sein, etwas näher zu beleuchten, welch' störenden Einfluß ihre 
thörichte Macht auch selbst auf den scheinbar ihren Forderungen 'am ent 
ferntesten liegenden Stand, — auf die Landwirthe übt. 
Man sollte ja meinen, gerade in der Landwirthschaft können außer 
der ewigen Lebensfrage: „Was ist das Beste, das Rationellste, das Ein 
träglichste?" gar kein anderes Motiv zur Geltung kommen, weil hier, wie 
in keinem anderen Gewerbe so sehr das Wort gilt: „was nicht nützlich ist 
— ist schädlich." 
Aber man würde irren, und ein ruhiger Beobachter kann überall die 
Spuren der Mode verfolgen uud ihren sinnlosen, manchmal geradezu schäd- | 
liehen Einfluß konstatiren. 
Wenn auch die Mode nicht zu verwechseln ist mit dem Herkommen, so 
ist doch dies letztere oft ursprünglich aus einer Modeanschauung entstanden 
und pflanzte sich mit all' seinen Unzukömmlichkeiten fort, wie z. B. bei den 
landwirthschaftlichen Bauten. 
Wie weit entfernen sich da in manchen Gegenden die Wohn- und 
Wirthschaftsgebäude, die gesummten baulichen Anlagen von dem — was 
man unter praktisch und einfach versteht! 
Da werden Riesengebäude aufgeführt, Reihen von leerstehenden Räumen 
geschaffen, die solche Summen verschlingen, daß ein großer oft weitaus der 
größte Theil des Anlagekapitals brach liegt, während dasselbe als Betriebs 
kapital die reichsten Zinsen trüge; ja daß oft der Entgang dieses Kapitals 
Schuld am sichtlichen Rückgang der Wirthschaft trägt. 
Es liegt gewiß in den klimatischen und Kultursverhältnissen eine Be 
rechtigung zu vielfachen baulichen Eigenthümlichkeiten, aber keinerlei Eigen 
thümlichkeit kann solche unverhältnißmäßig ausgedehnte Gebäude begehren, 
kann entschuldigen, wenn die Stallungen Mangel an Luft und Licht leiden 
und bei eintretender Feuersgefahr dem Vieh kein rettender Ausweg bleibt, als 
mitten in den brennenden Hof hinein, in dem der Düngerhaufen zumeist 
schon einen eigenen Flammenherd bildet. 
Dies sind, wie gesagt, überkommene Moden aus alter Zeit, aber wir 
haben auch solche, welche heute noch entstehen und wechseln und manchen 
vernünftigen Aufschwung hindern, — die Moden in der Viehhaltung, ins 
besondere das Zugvieh betreffend. 
Schon die Frage, ob Pferde oder Ochsen zum Zuge verwendet werden
	        
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