Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1875 (1875)

Das Mutterkorn. 
(Seeale cormitum der Apotheken.) 
Von Med. Dr. A. Pruck-Mayr. 
Ceres zuerst hat, mit Eisen das Land zu kehren, die Völker angeführt. 
Da bereits Hagäpfel und nährende Eicheln 
Fehlten im heiligen Wald', und Kost Dodonea versagte. 
Bald auch rang das Getreide mit Kummerniß: daß an den Halmen 
Nagte der tückische Rost, und träg' aufstarrt in den Aeckern 
Distelgewächs; hin schwindet die Saat, rauh steiget ein Dickicht, 
Kletten- und Stech - Unkraut, und durch schön prangendes Bauseld 
Herrscht unseliger Lolch, und ein Schwarm des verwilderten Habers. 
Wenn nicht immer die Flur von jätender Hacke verfolgt wird, 
Nicht ein Geräusch die Vögel verscheucht, und Gelübd' hervorrufen 
den Regen: 
Ach, dann schaust du umsonst auf den großen Haufen des Nachbars, 
Und mit erschütterter Eich' in den Waldungen stillst du den Hunger. 
Virgil's Landbau, I. 147 — 159. 
Das Mutterkorn entwickelt sich zwischen den Spelzen des Roggens 
(Seeale cöreale. Linn.) und zuweilen auch anderer Gräser, als ein walzen 
förmiger, an beiden Enden allmälig zugespitzter, etwas gezogener, der Länge 
nach gefurchter, 6—8 Linien langer, im größeren Querdurchmesser 2—3 
Linien dicker, auswendig schwärzlicher, innen weißlicher Körper von derb 
fleischiger, getrocknet fast hornartiger Masse. Es riecht eigenthümlich dumpf 
und ranzig; der Geruch ist widerlich, fade und ranzig. 
Nach den Beobachtungen von Staudingev entsteht das Mutterkorn 
besonders nach trüber, regnerischer Witterung während der Blüthezeit des 
Kornes. Es werden hauptsächlich solche Halme befallen, welche mehr einzeln 
und an den Rändern der Felder stehen. Man bemerkt an den kranken Blüthen 
eine gelbliche Flüssigkeit, die einen Hopfengeruch zeigt; die Spelzen sind zu 
sammengeklebt und die kranken Fruchtknoten mit zähem Schleim bedeckt; im 
Innern ist die Substanz weich und von einem säuerlichen Gerüche. In 
wenigen Tagen erreicht sie die oben angegebene Gestalt. (Isis, 1832.) 
Aecker, welche frisch umgeackert wurden (Neubrüche), tragen das Mutter 
korn oft häufig. 
Der deutsche Landmann kennt es sehr genau, dafür sprechen die vielen, 
theils von der Größe, Form und Inhalt, theils von der Wirkung hergenom 
menen Namen: 
Der gangbarste Name ist Mutterkorn (Katar secalinus), in Thürin 
gen Roggenmutter (Seealis mater), sonst auch Mehlmutter. Entweder 
weil es in den Spelzen das gesunde Korn an Größe überraget und ein 
schließt (vergl. Perlmutter, Schraubenmutter), oder von seiner be 
sonderen Wirkung in Mutter- (Gebärmutter-) Krankheiten; Mehlmutter 
aber, weil es vermeintlich Mehl in größerer Menge liefert. 
Aus ähnlichen Gründen nennt es unser gemeine Mann, welcher die 
dem weiblichen Geschlechte eigene Hysterie (Mutterweh, Mutterplage) die 
Mutter, die Bärmutter und die dem männlichen Geschlechte eigene Hypo-
	        
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