Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1900 (1900)

100 
mittel hinauswarf, schlug er vor Schreck die Hände über den Kopf zusammen, rannte \ 
wie ein Besessener im Dorfe herum und prophezeite folgendermaßen: „Der Kunz sei , 
närrisch, er müsse in spätestens drei Jahren abgewirtschaftet haben." Da sahen nun die ( 
Bauern Buxtehudes recht mitleidig auf Kunz herab und thaten, als wollte Kunz schon j 
bittlich werden, in die Einlege gehen zu dürfen. 
Kunz hatte weiter seinen Viehstand gemustert und dabei bedenklich den Kopf 
geschüttelt. Und wenn er mit dem Kopfe recht merklich schüttelte, so bedeutete dies, daß j 
er reformierend vorgehen wolle. Und siehe, wirklich hat er es gethan! Er hat all sein ] 
Vieh, von welchem man gar nicht behaupten konnte, daß es irgend einer Rasse angehöre, j 
und das überhaupt recht unansehnlich war, zu Markte getrieben und verkauft. Er hat 
nicht gar viel dafür eingenommen. Hinz hat, wie er das merkte, im Dorfe ausgesprengt, 
daß Kunz kein Vieh mehr habe und nun ruinier: sei, da er schon alles Vieh verkaufen 
müsse. Aber wer beschreibt sein Staunen, als Plötzlich Kunz mit etlichen jungen präch- j J 
tigen Rassekühen, mehreren Kälbern und einem jungen Stier in den Ort einzog. Als ; 
aber Kunz den hohen Preis der Thiere nannte, da knickten die Buxtehuder, vor allen 
der Hinz, wie Taschenfeitel zusammen. Als man sich vergewissert hatte, daß Kunz bare 
250 fl. mehr für das Vieh ausgelegt, als er für sein eigenes eingenommen, zudem noch 
ein Exemplar weniger hatte als früher, da war man in dem Punkte einig, daß der 
Kunz ein hirnverbrannter Mensch sei. Freilich, in das Auge hätte ihnen Kunzens Vieh 
schon gestochen. Aber Hinz hatte ausgerechnet, daß 250 fl. zu 6 Procent 15 fl. Zinsen 
abwerfen, die man wieder auf Zinsen anlegen könnte. Hinz pries sich glücklich, nicht auch 
so ein thörichter Mensch zu sein wie Kunz. 
Aber die Buxtehuder sollten aus lauter Staunen gar nicht herauskommen! Unter- j x 
halb des Ortes dehnte sich eine große Fläche sumpfigen Moorlandes aus, welches im * 
Steuercataster als unproductiv bezeichnet wurde. Jeder Buxtehuder Bauer hatte seit ( 
altersher einen Theil dieses Sumpfes zu seiner Wirtschaft zugemessen bekommen, keiner $ 
aber dachte oder glaubte daran, daß je ein rother Heller Nutzen daraus zu schlagen * 
wäre. Bloß wenn ein Buxtehuder Bauernsohn freien gieng, brüstete er sich, er hätte so x 
und soviel Hektar Grund, wobei natürlich der Sumpf auch mit eingerechnet war. Kunz \ 
überlegte nicht lange. Er gieng hin, kaufte um einen Pappenstiel zu seiner Parcelle drei ; 
weitere angrenzende hinzu und hob nun um und durch den Sumpf tiefe, breite Gräben j 
aus, vertheilte den ausgehobenen Grund gleichmäßig auf die entstandenen Abtheilungen, s 
wodurch dieselben erhöht wurden. Das Wasser aber sammelte sich auf der Sohle der ^ 
Gräben an und floß langsam ab. Nachdem er den allmählich fester werdenden Boden < 
noch regelrecht umgestochen hatte, setzte er im nächsten Frühjahre auf der ganzen, nun j 
über ein Hektar großen Fläche Korbweiden aus. Da höhnten aber die Bauern und ^ 
meinten, der Kunz werde wohl, wenn er abgewirtschaftet haben werde, Körbe flechten s 
und Besen binden lernen, damit er nicht betteln zu gehen brauche. Hinz schrie sich die \ 
Kehle heiser über das schöne, in den Sumpf getretene Geld, womit er die Anlagekosten ( 
der Korbweidenplantage meinte. Wenn Kunz befragt wurde, warum er gar soviel Geld ] 
muthwillig in das Ungewisse hinauswerfe, so lächelte er ironisch und meinte, er und f 
Rothschild hätten Geld genug, sich solche Extravaganzen erlauben zu können. „Zudem/' j 
fügte er geheimthuend hinzu, „habe ich eine reiche Goldgrube in Buxtehude entdeckt/' ^ 
Die Leute sahen ihn groß an, schüttelten die Köpfe und raunten einander heimlich zu, x 
es müsse mit Kunz und dem Gottseibeiuns wohl ein Bewandtnis haben, weil dieser, < 
statt zum Dorfkrämer Geld leihen zu gehen, stets mehr Geld hatte als sie. Da geschah c 
schon wieder etwas Unerhörtes! Kunz hatte zehn Arbeiter zur Winterszeit auf das Thal- " c 
seid geschickt, welche den Grund nach seiner Anleitung tief rigolen mußten, wobei reichlich ^ 
Stalldung mit eingegraben wurde. Im nächsten Frühjahre sahen die Bauern ganz ^ 
entsetzt, daß Kunz einen regelrechten Hopfengarten anlegte. Hopfen, den kannte mail in C c 
der Gegend nur dem Namen und dem Aussehen nach, ergo konnte er hier auch fürderhin e 
nicht gedeihen. Viele, besonders der Hinz, waren jetzt schon steinfest überzeugt, der Kunz 
müsse ein Radel zuviel im Kopfe haben und werde demnächst sicherlich in das Narren- c 
haus geschafft werden. c 
Wie Kunz, auf den Feldern recht resormatorisch thätig war, so war er es auch £ 
im und um das Haus herum. Er hatte den großen, ehemals kahlen, rasigen Garten x 
ebenfalls rigolen und ganz mit für die Gegend passenden Obstbäumen bepflanzen lassen. r 
Die Buxtehuder waren nun gegen derartige Blödheiten bereits genügend abgehärtet, ö 
deshalb lachten sie dazu nur noch höhnisch, wenn sie an dem hohen neuen Staketenzaun
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.