Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1900 (1900)

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Das Steuerbüchel. 
Das Steuerbüchel — heute wird es zumeist durch lose Briefbögen ersetzt — ist 
noch immer das verbreitetste Buch auf dem Lande, trotzdem es sich keiner besonderen 
Beliebtheit erfreut. Der Inhalt ist kostbar, aber etwas gar zu kostbar. Es gibt Bücher, 
die schon manchen arg geschadet haben, aber so viele Existenzen hat noch keines zugrunde 
gerichtet als das Steuerbüchel. 
Wie kommt das? 
Ich will versuchen, es durch nachstehendes Bildchen aus dem Walde begreiflich 
zu machen. 
Auf den rauhen, knorrigen Tannen- und Fichtenbäumen wächst auch Brot. 
Und wenn das Feld nach all der Arbeit und Plage des Landmannes die Frucht 
versagt, und wenn die sorgsame Pflege der kleinen Herde im Stalle und auf der Weide 
segenlos bleibt, so starrt der Landmann wohl düster vor sich hin und kratzt seinen 
struppigen Bart, aber dann nimmt er die Axt auf die Schulter und geht in den 
Wald hinaus. 
Da grünt und blüht und duftet es, da schallt Vogelgesang, und alle Aeste winken 
und grüßen und flechten Kränze in aller Lebensfreudigkeit. 
Das Brot aber, um das der darbende Landmann gekommen, das wächst erst aus 
den Kohlen, aus der Asche dieses schönen herrlichen Waldes empor. 
Vom frühen Morgen bis in die späte Abendstunde hallt die Axt im Walde. Die 
Bäume geben dem Holzhauer Schutz und Schatten, noch während dieser das scharfe 
Beil an ihren Fuß und Lebensnerv setzt; sie haben wohl eine leise Ahnung, was unten 
an ihnen vorgeht, aber sie schütteln das Haupt, sie können es nicht glauben vom Menschen, 
dem sie so manch Freundliches und Liebes gethan, daß er die Wohlthaten so schnöde 
vergelten sollte. Aber schon fährt ihnen der blitzende Stahl ins Herz und sie brechen 
zusammen. 
Geschäftig eilen die Leute nun hin und her, hauen'die Aeste und schneiden die 
Rinden von den Stämmen, und die anderen sägen und hacken wieder an anderen 
Bäumen, uud bald liegen vom schönen Walde nur die bleichen, zerbrochenen Glieder da. 
Doch an derlei empfindsame Geschichten denkt der Bauer wohl nicht, wenn er 
im Geschläge arbeitet; an die fertigen Holzkohlen denkt er und wie viel Geld er wohl 
dafür einnehmen werde. Das Mehl und Schmalz für das Mißjahr, die Winterkleider 
für seine Familie, das Schulgeld und die Steuer, — das alles steckt noch drinnen in den 
rauhen Baumstämmen. Der Mann sägt und hackt und spaltet, bis ihm Hände und Füße 
zittern vor Mattigkeit. 
Aber endlich nach Wochen steigt über dem schwarzen Meiler der weiße Rauch 
auf, der Köhler schürt aus der Lösche die grauen, mattglänzenden Kohlen hervor, gießt 
Wasser darauf und wacht Tag und Nacht dabei, daß nicht ein Funke lebendig werde 
unter dem Haufen. Noch tagelang knistern die Kohlenstücke, aber es ist kein Feuer mehr 
darin, und endlich spannt der Bauer seine Ochsen ein und führt die hochgeschichteten 
Kohlenwägen stundenweit hinaus gegen das Thal bis zum Eisenhammer. 
Und im Eisenhammer sprüht die blaue Flamme — Pflug oder Schwert, die 
Kohlen glühen für beides; sie sind doch am Ziele, und die Hauptsache ist nun, daß der 
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