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Die ersten nachchristlichen Jahrhunderte waren nicht
geeignet, das Volk zu musikalischen Aeußerungen an—
zuregen. An Volksmusik sind daher die ersten nach—
christlichen Jahrhunderte erschreckend arm. Der berühm—
teste Gesang des frühen Mittelalters ist das Rolands—
lied. Dieser berühmte Gesang, der durch 5 Jahrhunderte
in ganz Europa bekannt war, ist uns wohl für immer
verloren gegangen.
Die Musik im Miltelallter
Mit dem Christentum begann ein neuer Abschnitt
in der Kulturgeschichte der Musik. Im Altertum wurde
der Ton als sinnlich wahrnehmbares Mittel aufgefaßt,
im Mittelalter benutzte man die Töne dazu, um das
innere Erleben in schönen Formen zum Ausdruck zu
bringen. Wir wissen heute ziemlich bestimmt, daß die
ersten christlichen Gemeinden nicht gesungen haͤben. Der
Gesang mußte schon deshalb unterbleiben, da bekanntlich
die Versammlungen der ersten Christen heimlich statt—
fanden. Die Gesänge entnahm man den heiligen Schrif—
en, vornehmlich den Psalmen. Als die ersten Lieder—
dichter sind Clemens von Alexandrien und Ambrosius
h»on Wailand zu nennen. Ein weiteres Verdienst um die
Kirchenmusik erwarb sich Papst Gregor der Große.
Er beseitigte unter anderem auch die Benennung der
Töne durch griechische Buchstaben und ersetzte sie durch
der ersten sieben Buchstaben unseres Alphabets. Un—
ter Gregör dem Großen wurden die Wönchsklöster zu
Mittelpunkten des musikalischen Wissens. Unter ihnen
ragen besonders Fulda, Würzburg, St. Gallen, Orford
und Metz hervor. Gregor der Große schloß endlich noch
die Mitwirkung von Musikinstrumenten beim Gottes—
dienst aus und- beschränkte sich allein auf den Gesang—
Ein anderer Förderer des kirchlichen Gesanges war
Karl der Große. Er ließ aus Italien und Griechenland
zeschulte Sänger kommen, damit der Gesang in allen
Kirchen nach römischer Art gepflegt würde.
Die Musil zu Zeiten der Kreuzzüge
Das 11. machchristliche Jahrhundert bedeutet den
Beginn einer“ neuen musikalischen Entwicklung. Der
Heist der Kreuzzüge wirkte sich auch auf dem Gebiet der
Musik aus. Das neue Kunsterlebnis wurde hauptfsächlich
durch französische Adelige geführt. Ritterlicher Gesang
war wohl die wichtigste Voraussetzung adeliger Bildung.
Fahrende Spielleute werden allenthalben seit dem
3. Jahrhundert erwähnt. Argobard, der Erzbischof von
Lyon, warnt, fahrenden Spielleuten zu essen zu geben
und dabei zu vergessen, die Armen zu speisen. Diese
Spielleute scheinen also einen schlechten Rüf gehabt zu
haben. Die Kirche tat sie in Acht und Bann, bürger—
liche Gesetze erklaͤrten sie für ehrlos. Ihre Kinder durften
kein Handwerk erlernen und wurden in keiner Schule
aufgenommen. So verachtet sie nun auch waren, so wur—
den sie doch gern gesehen. Im Jahr 1330 vereinigten sie
sich zu einer Gilde und wählten den heiligen Julian zum
Schutzpatron, gleichzeitig gründeten sie ein Hospital für
arme Musikanten.
Die Instrumente, die die fahrenden Leute spielten,
waren die Fiedl, Sackpfeife, Harfe, Drehleier, Psalter,
Horn, Trompete, Trommel, Flöte und Posaune. Wir
müssen uns das Zusammenspielen so vorstellen, daß
irgendein Instrument die Melodie spielte, während die
übrigen den Rhythmus betonten.
„Alpenländische Musiker-Zeitung'—
Musikinstrumente
Die Instrumente des Mittelalters
Die ältesten Musikinstrumente abendländischer
Völker, die uns erhalten geblieben sind, stammen aus
dem 15. Jahrhundert. Grabfunde aus noch früheren Zei—
en sind so schlecht erhalten, daß sie nicht in Betracht
ommen. Hinsichtlich der Kenntnis der Musikinstrumente
»es frühen Mittelalters und des Altertums sind wir
ius diesem Grund auf die Darstellungen und Beschrei—
ungen der Künstler angewiesen. Für das frühe Mittel—
lter stehen uns dabei keine so reichen Quellen zu Ge—
vote wie etwa für die altägyptische Musik.
Unter den Instrumenten des ersten christlichen
zahrtausends herrschen die Saiteninstrumente vor. Es
ind zu unterscheiden Instrumente mit gerissenen und
Iinstrumente mit gestrichenen Saiten. Zu den ältesten
konwerkzeugen gehören die aus dem Orient zu uns
sekommenen Harfen. Ebenfalls ein sehr altes Instru—
nent ist das Organistrum. Wir begegnen ihm schon im
J. nachchristlichen Jahrhundert. Es sieht etwa aus wie
ine große Gitarre mit zwei Schallöchern und wird
nit drei durch eine sich drehende Kurbel in Schwingung
gjesetzte Saiten bezogen. Unter ihnen befinden sich acht
ewegliche Stege, die nach dem Willen des Spielers
sehoben oder gelegt werden. Ursprünglich mußte das
Irganistrum durch zwei Spieler bedient werden, von
enen der eine die Kurbel drehte und der andere die
Ztege handhabte.
Zu den frühesten Saiteninstrumenten gehört außer
er Harfe die Laute. In England war die Harfe sowohl
nter normannischen als auch unter schottischen und
rischen Edelleuten sehr verbreitet. Ebenfalls war sie
in Lieblingsinstrument der ritterlichen Sänger in
Frankreich. Die Sänger Italiens und Spaniens zogen
er Harfe die Gitarre vor. Gitarre und Laute haben seit
»em 14. Jahrhundert keine wesentlichen Veränderungen
nehr durchgemacht. Die WMandoline hat sich als Nach—
omme der Laute und der Gitarre entwickelt. —
Hinsichtlich der Benennung der verschiedenen mit—
elalterlichen Streichinstrumente herrscht im allgemei—
ien große Unklarheit. Die Entwicklung der Geige stimm—
e in Deutschland und Frankreich so ziemlich überein,
nItalien ging die Entwicklung eigene Wege. Die
eutsche Geige ist nordischen, die italienische orientali—
hen Ursprungs. Die deutschen Minnesänger bedien—
en sich der gleichen Saiteninstrumente wie die fran—
ösischen Troubgadours. Sie hießen vor allem Fiedel,
heige, Harfe, Psalter und Zither. Die meisten Edel—
eute wie duch ihre Frauen und Töchter waren damals
der Saitenspielkunst mächtig. Nach der Zeit Gottfried
on“ Straßburgs galt: die Leier und das Organistrum
Is unpassend für den Minnesänger. Sehr beliebt war
»om 13. bis 15. Jahrhundert das Trumbscheit. Es be—
tand aus einem schmalen, mehr als mannshohen Ka—
ten, dessen Vesonanzboden mit einer starken Darm—
aite bezogen wurde. Diese bestrich man mit einem
Pferdehaarbogen, der mit Kolophonium geschmeidig ge—
nacht wurde. Neben der langen Saite wurde gelegent—
ich noch eine um die Hälfte kürzere aufgezogen. Auf
iesem seltsamen Instrument ertönte nur ein anhal—
ender Brumbaß als Begleitmelodie.
In der Gruppe der Blasinstrumente sind die Hör—
ner von den Pfeifen zu unterscheiden. Das Stierhorn
fertigte man ursprünglich aus Büffelhörnern. Dem