Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge Februar 1935 (Folge Februar / 1935)

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Die ersten nachchristlichen Jahrhunderte waren nicht 
geeignet, das Volk zu musikalischen Aeußerungen an— 
zuregen. An Volksmusik sind daher die ersten nach— 
christlichen Jahrhunderte erschreckend arm. Der berühm— 
teste Gesang des frühen Mittelalters ist das Rolands— 
lied. Dieser berühmte Gesang, der durch 5 Jahrhunderte 
in ganz Europa bekannt war, ist uns wohl für immer 
verloren gegangen. 
Die Musik im Miltelallter 
Mit dem Christentum begann ein neuer Abschnitt 
in der Kulturgeschichte der Musik. Im Altertum wurde 
der Ton als sinnlich wahrnehmbares Mittel aufgefaßt, 
im Mittelalter benutzte man die Töne dazu, um das 
innere Erleben in schönen Formen zum Ausdruck zu 
bringen. Wir wissen heute ziemlich bestimmt, daß die 
ersten christlichen Gemeinden nicht gesungen haͤben. Der 
Gesang mußte schon deshalb unterbleiben, da bekanntlich 
die Versammlungen der ersten Christen heimlich statt— 
fanden. Die Gesänge entnahm man den heiligen Schrif— 
en, vornehmlich den Psalmen. Als die ersten Lieder— 
dichter sind Clemens von Alexandrien und Ambrosius 
h»on Wailand zu nennen. Ein weiteres Verdienst um die 
Kirchenmusik erwarb sich Papst Gregor der Große. 
Er beseitigte unter anderem auch die Benennung der 
Töne durch griechische Buchstaben und ersetzte sie durch 
der ersten sieben Buchstaben unseres Alphabets. Un— 
ter Gregör dem Großen wurden die Wönchsklöster zu 
Mittelpunkten des musikalischen Wissens. Unter ihnen 
ragen besonders Fulda, Würzburg, St. Gallen, Orford 
und Metz hervor. Gregor der Große schloß endlich noch 
die Mitwirkung von Musikinstrumenten beim Gottes— 
dienst aus und- beschränkte sich allein auf den Gesang— 
Ein anderer Förderer des kirchlichen Gesanges war 
Karl der Große. Er ließ aus Italien und Griechenland 
zeschulte Sänger kommen, damit der Gesang in allen 
Kirchen nach römischer Art gepflegt würde. 
Die Musil zu Zeiten der Kreuzzüge 
Das 11. machchristliche Jahrhundert bedeutet den 
Beginn einer“ neuen musikalischen Entwicklung. Der 
Heist der Kreuzzüge wirkte sich auch auf dem Gebiet der 
Musik aus. Das neue Kunsterlebnis wurde hauptfsächlich 
durch französische Adelige geführt. Ritterlicher Gesang 
war wohl die wichtigste Voraussetzung adeliger Bildung. 
Fahrende Spielleute werden allenthalben seit dem 
3. Jahrhundert erwähnt. Argobard, der Erzbischof von 
Lyon, warnt, fahrenden Spielleuten zu essen zu geben 
und dabei zu vergessen, die Armen zu speisen. Diese 
Spielleute scheinen also einen schlechten Rüf gehabt zu 
haben. Die Kirche tat sie in Acht und Bann, bürger— 
liche Gesetze erklaͤrten sie für ehrlos. Ihre Kinder durften 
kein Handwerk erlernen und wurden in keiner Schule 
aufgenommen. So verachtet sie nun auch waren, so wur— 
den sie doch gern gesehen. Im Jahr 1330 vereinigten sie 
sich zu einer Gilde und wählten den heiligen Julian zum 
Schutzpatron, gleichzeitig gründeten sie ein Hospital für 
arme Musikanten. 
Die Instrumente, die die fahrenden Leute spielten, 
waren die Fiedl, Sackpfeife, Harfe, Drehleier, Psalter, 
Horn, Trompete, Trommel, Flöte und Posaune. Wir 
müssen uns das Zusammenspielen so vorstellen, daß 
irgendein Instrument die Melodie spielte, während die 
übrigen den Rhythmus betonten. 
„Alpenländische Musiker-Zeitung'— 
Musikinstrumente 
Die Instrumente des Mittelalters 
Die ältesten Musikinstrumente abendländischer 
Völker, die uns erhalten geblieben sind, stammen aus 
dem 15. Jahrhundert. Grabfunde aus noch früheren Zei— 
en sind so schlecht erhalten, daß sie nicht in Betracht 
ommen. Hinsichtlich der Kenntnis der Musikinstrumente 
»es frühen Mittelalters und des Altertums sind wir 
ius diesem Grund auf die Darstellungen und Beschrei— 
ungen der Künstler angewiesen. Für das frühe Mittel— 
lter stehen uns dabei keine so reichen Quellen zu Ge— 
vote wie etwa für die altägyptische Musik. 
Unter den Instrumenten des ersten christlichen 
zahrtausends herrschen die Saiteninstrumente vor. Es 
ind zu unterscheiden Instrumente mit gerissenen und 
Iinstrumente mit gestrichenen Saiten. Zu den ältesten 
konwerkzeugen gehören die aus dem Orient zu uns 
sekommenen Harfen. Ebenfalls ein sehr altes Instru— 
nent ist das Organistrum. Wir begegnen ihm schon im 
J. nachchristlichen Jahrhundert. Es sieht etwa aus wie 
ine große Gitarre mit zwei Schallöchern und wird 
nit drei durch eine sich drehende Kurbel in Schwingung 
gjesetzte Saiten bezogen. Unter ihnen befinden sich acht 
ewegliche Stege, die nach dem Willen des Spielers 
sehoben oder gelegt werden. Ursprünglich mußte das 
Irganistrum durch zwei Spieler bedient werden, von 
enen der eine die Kurbel drehte und der andere die 
Ztege handhabte. 
Zu den frühesten Saiteninstrumenten gehört außer 
er Harfe die Laute. In England war die Harfe sowohl 
nter normannischen als auch unter schottischen und 
rischen Edelleuten sehr verbreitet. Ebenfalls war sie 
in Lieblingsinstrument der ritterlichen Sänger in 
Frankreich. Die Sänger Italiens und Spaniens zogen 
er Harfe die Gitarre vor. Gitarre und Laute haben seit 
»em 14. Jahrhundert keine wesentlichen Veränderungen 
nehr durchgemacht. Die WMandoline hat sich als Nach— 
omme der Laute und der Gitarre entwickelt. — 
Hinsichtlich der Benennung der verschiedenen mit— 
elalterlichen Streichinstrumente herrscht im allgemei— 
ien große Unklarheit. Die Entwicklung der Geige stimm— 
e in Deutschland und Frankreich so ziemlich überein, 
nItalien ging die Entwicklung eigene Wege. Die 
eutsche Geige ist nordischen, die italienische orientali— 
hen Ursprungs. Die deutschen Minnesänger bedien— 
en sich der gleichen Saiteninstrumente wie die fran— 
ösischen Troubgadours. Sie hießen vor allem Fiedel, 
heige, Harfe, Psalter und Zither. Die meisten Edel— 
eute wie duch ihre Frauen und Töchter waren damals 
der Saitenspielkunst mächtig. Nach der Zeit Gottfried 
on“ Straßburgs galt: die Leier und das Organistrum 
Is unpassend für den Minnesänger. Sehr beliebt war 
»om 13. bis 15. Jahrhundert das Trumbscheit. Es be— 
tand aus einem schmalen, mehr als mannshohen Ka— 
ten, dessen Vesonanzboden mit einer starken Darm— 
aite bezogen wurde. Diese bestrich man mit einem 
Pferdehaarbogen, der mit Kolophonium geschmeidig ge— 
nacht wurde. Neben der langen Saite wurde gelegent— 
ich noch eine um die Hälfte kürzere aufgezogen. Auf 
iesem seltsamen Instrument ertönte nur ein anhal— 
ender Brumbaß als Begleitmelodie. 
In der Gruppe der Blasinstrumente sind die Hör— 
ner von den Pfeifen zu unterscheiden. Das Stierhorn 
fertigte man ursprünglich aus Büffelhörnern. Dem
	        
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