Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 2 1932 (Folge 2 / 1932)

„Alpenländische Musiker-Zeitung 
WWVXV 
Ein futuristisches Konzert 
Ein futuristisches Konzert. Nachdem die Futuristen 
bereits auf dem Gebiete der Malerei das WMotiv „Ich 
weiß nicht was soll es bedeuten“ eingeführt und in einem 
eigenen Organ, dem „Sturm“, Gedichte für die In— 
sassen der Nervenheilanstalten veröffentlicht haben, wol— 
len sie jetzt auch die Musik veredeln. Schon ist ein den 
neuen Anforderungen entsprechender Klangkörper ge— 
schaffen und in Wailand hat das erste futuristische Kon— 
zert stattgefunden. Wie dieses beiläufig gewesen ist, dar— 
über erzählt die „Frankfurter Zeitung“: Das Orchester 
besteht aus drei „Summern“, einem „Donnerer“, drei 
„Pfeifern“, zwei „Vaschlern“, zwei „Gurglern“, einem 
„Schmetterer“, einem „Knirscher und Schneider“ und 
einem „Schnarcher“. Schon diese Liste läßt ahnen, welche 
höchst eigenartigen Klangkombinationen sich mit dieser 
angewöhnlichen Musikerschar bei Fleiß und Ausdauer 
hervorbringen lassen und welche neue Wöglichkeiten sich 
damit der „Lärmkunst“ erschließen. Ausgezeichnet stim— 
men mit diesen Mitteln auch die musikalischen Inspira— 
tionen der Futuristischen Komponisten zusammen, die 
ihre Tondichtungen „Lärmgespinst“‘“ nennen. Die vier 
Lärmgespinste, die man in Wailand zu hören bekam, 
hießen „Das Erwachen der Großstadt“, „Das Stelldich— 
ein der Autos und Flugzeuge“, „Man speist auf der 
Terrasse des Kasinos“‘ (mit einigen prächtigen Solo— 
aummern für den „Gurgler“ und den „Knirscher“) und 
schließlich „Das Scharmützel in der ODase“, wobei 
allerdings die Darstellung des Scharmützels besser ge— 
lang als die der Oase. In den Zwischenakten erschienen 
Warinetti, der höchste Prophet und Veklamechef des 
Futurismus, und sein Kollege Pratella als Redner auf 
der Bühne und tauschten mit den außerordentlich ange— 
regten Zuhörern einige sehr drastische und kraftvolle 
Scheltworte aus. Daß es nur dabei blieb, ist jeden— 
falls bloßer Zufall und auf ein besonders geduldiges 
Publikum zurückzuführen. 
Salzburger Festspiele. 
Die Leitung der Festspiele hat demnach auch für 
heuer den einzig möglichen und einzig richtigen Weg 
eingeschlagen und sich entschlossen, ungeachtet der mo— 
mentan gegebenen Wirtschaftslage, die sich über Nacht 
ändern kann alle Vorkehrungen für die Ab— 
haltung der Festspiele zu treffen. Man mag diese 
Einstellung immerhin als optimistisch bezeichnen. Noch 
schlimmer wäre es, einen übertriebenen Pessimimus wal— 
ten zu lassen und dann bei einer günstigen Wandlung 
der Wirtschaftslage dem Einwand der Wirtschaftskreise 
ausgesetzt zu sein, daß man es unterlassen hätte, die 
aötigen Maßnahmen für die Veranstaltung der Fest— 
spiele zu treffen.“ 
Zur Geschichte der Trommel. Die Trommel, die 
jetzt in unserem Heer abgeschafft ist, hat eine altehr— 
vwürdige Vergangenheit. Sie soll das ursprünglichste und 
älteste Musikinstrument sein. Gewiß ist es, daß sie bei 
Hriechen und Römern bekannt war. Auch die ältesten 
zsterreichischen Chronisten berichten von Musikanten, die 
Schlaginstrumente spielten, und nennen z. B. den „Tam— 
bor Trommel), den „Sumber“ (Handtrommel) und 
den „Pauker“. Ottokar von Horneck rühmt den „großen 
Schall“ der Tamboren und Pauken, gesteht allerdings 
aber auch ein, daß ein Nerverschwacher ihn nicht aus— 
gehalten hätte. Als die Musik mit der Zeit etwas ma— 
nierlicher wurde, verschwanden manche der alten Namen 
3. B. die der „Sumbern“, und auch die „Tamborn“ be— 
. α 
kamen bei den Tanzmusiken weniger zu tun, dagegen er— 
cheint die Trommel von dieser Zeit an als ein wichtiger 
Teil der Militärmusik. War doch im alten deutschen 
Reiche der Tambor eine ebenso privilegierte Person wie 
»er Trompeter und Pauker. Seine Trommel zählte eben— 
o zu den VRegimentsinsignien wie die Pauke und Trom— 
»ete, ihr Verlust schädigte die ganze Kompagnie, der 
ie zugehörte. Nach dem „Streiche“ des Tambors regelte 
ich das ganze militärische Leben; der „Streich“ war der 
Kuf, dem der Soldat unter allen Umständen folgte. Von 
inem seltsamen Vorfalle weiß Hans von Flemming in 
einem 1726 erschienenen „vollkommenen deutschen Sol— 
daten“ zu erzählen: „Es hätte einstens — berichtet 
r — die kays. christliche Armee wider die Türken kam— 
»iret, und als der Feind zu Nachts die Christen über— 
allen, so hätte Gottes wunderbare Allmacht die Trom— 
nel auf der Wache von sich selbst gerühret, also daß die 
Wache hierüber alamiert worden, die Armee zur Ge— 
genwehr gekommen und den Feind glücklich abgeschla— 
gen. Zum Andenken dieser Begebenheit hätte man von 
erselben Zeit an solche Schaarwache (um Mitternacht) 
zu schlagen verordnet, und diese Trommel würde annoch 
zuur Kuriosität in der kays. Residenzstadt Wien aufbe— 
zalten und denen Passagieren in der Kunstkammer ge— 
zeigt.“ Die neue Zeit räumt mit den aus den Tagen der 
Berufsheere überkommenen Stücken immer mehr auf, 
und so ist der Tambour aus dem Heere ebenso ver— 
schwunden, wie sein ehemaliger treuer Geselle, der 
„Pfeifer“. („Wr. Abdp.“) 
Gedanken zur Rotenschriftreform 
WVotenschriftreform — ein Wort des Schreckens 
ür viele Fachmusiker, ein Wort der Erlösung von un— 
endlichen Mühsalen für alle Studierenden und Mu— 
ikpflegenden. Warum sich denn ein Großteil der Be— 
ufsmusiker so krampfhaft gegen diese unausbleibliche, 
veil naturgemäß notwendige Reform stemmt? Denken 
ich jene Herrschaften etwa: „Die Jugend soll es auch 
ticht besser haben“, oder scheut man vor der Notwen— 
igkeit zurück, klipp und klar eingestehen zu müssen, 
»aß Vieles von dem bisher Gelernten und den stu— 
dierenden Kunstjüngern als absolute Weisheit Vorge— 
ragenen auf falschen Grundlagen fußt und eitel Hum— 
»ug ist? Wird vielleicht gefürchtet, ohne Versetzungs— 
zeichen könnten keine Tonarten erkannt werden? (GSoll— 
e es wirklich derartige „Arme im Geiste“ geben?) 
Oder will man lediglich nicht „Umlernen“? 
Wenn 6—8 jährige Kinder in den Sprachgrenzen 
2—3 Sprachen beherrschen können und wenn 8—10 
jährige Kinder unsere verzwickte, mit Versetzungszeichen 
und Schlüssel reichgesegnete, 33 Tonnamen aufweisende 
Notenschrift erlernen müssen, kann es Erwachsenen doch 
richt unmöglich sein, sich eine einfache, einmal zu er— 
ernende, nur 12 Tonnamen habende Notenschrift an— 
zueignen. Das wäre ein Armutszeugnis sondergleichen. 
Die Chinesen versuchen jetzt, statt ihrer 5000 Schrift— 
zeichen?) unsere 28 Buchstabenformen in Verwendunq 
zu bringen, bei uns aber, die wir angeblich so sehr dem— 
„Fortschritte“‘ huldigen, soll die Einführung einer, aebl— 
len leicht verständlichen, vernünftigen 12-Tonschrift un— 
denkbar sein? Das begreife wer will, dem gesunden 
Menschenverstande erscheint dies unfaßbar. **8 
Bligsmarck sagte einmal: „Ein Gedanke der richtig 
ist, kann auf die Dauer nicht niedergelogen werden“. Das 
trifft bei der Idee der Notenschriftreform in vollstem 
Maße zu. Seit rund 250 Jahren zieht sich dieser Re—
	        
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