Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 2 1931 (Folge 2 / 1931)

„Alpenländische Musiker-Zeitungg 
M —— — 
Einmal war ich bei einer steinreichen Familie Hardy 
als Kleinkindermädchen bedienstet. Diese kurze Episode 
meines —— wird mir wegen eines bezeichnen— 
den Zwischenfalles erae bleiben. Eines Tages fuhr 
ich mit meinen beiden Schützlingen zu Verwandten in 
die Vorstadt hinaus. Mein Onkel war ein kleiner 
Beamter. In seinem Häuschen spielten sechs gesunde, 
pielwütige, lebensfrohe Kinder. Bald taten auch Francis 
und Gwen mit, und ein feines Spiel war im Gange. 
Sie hockten im Sandkasten und kreischten vor Vergnü— 
gen, etwas, was sie zu Hause-noch nie getan hatten. 
Der Jubel war ohrenbetäubend, und ich hatte Mühe, 
meine beiden kleinen Millionäre wieder heimzubringen. 
Just während der Zeit fiel es aber Mrs. Hardy ein, 
das Kinderzimmer zu inspizieren. Als ich ihr später 
von unserer Exkursion erzählte, fiel sie fast in Ohn— 
macht und ich wurde fast auf der Stelle entlassen. Ihre 
Kinder in der „gewöhnlichen“ Untergrundbahn und bei 
„gewöhnlichen“ Kindern! Weiß Gott, was für Bagillen 
sie dabei geschluchkt hätten! Sofort wurde ein antisep— 
tisches Bad bereitet, und ich schnürte mein Bündel. 
Fast ebenso kraß ist die Geschichte, die mir Violet 
erzählte. In ihrer Familie waren Papa T Mama 
gerade in Scheidung. Zwei der vornehmsten Advokaten 
hatten seit Monaten mit dieser Ehegeschichte zu tun. 
Für die zwei Kinder blieb da kein Interesse übrig. 
Im übrigen waren die Kinderzimmer von den Gesell— 
schaftsräumen so weit entfernt, daß Joan und Jonny 
ihre Eltern fast gar nicht zu Gesicht bekamen. Joan 
nannte ihre Mutter niemals anders als „die feine 
Dame“. Beide Kinder versicherten mir, daß sie Daddy 
— so lautet der englische Kosename für Vater — auf 
der Straße nie recht erkennen. „Wir sehen ihn doch 
zu selten dazu“, meinten sie entschuldigend . 
Allerlei Kleinkram 
Woher stammt die Lotterie? Die Klassenlotterie war 
schon gegen Ende des Mittelalters vorhanden, wurde 
aber anfangs für wohltätige Zwecke bestimmt. So fand 
in London die erste Ziehung 1569 statt, und der Ueber— 
schuß wurde zum Unterhalt der Seehäfen verwendet, 
in Paris 1572 zu Ausstattung armer Zungfrauen. Die 
Lotterie kam zuerst in Italien auf, woselbst Krämer den 
Einfall hatten, Waren, die nicht Absatz fanden, einfach 
auszuspielen. Der Staat machte später hieraus eine Fi— 
nanzquelle, anfänglich in Frankreich, wo der Italiener 
Tonti 1657 zu Paris eine reguläre Lotterie, die erste 
ihrer Art in dieser Stadt, veranstaltete. Allmählich ver— 
breitete sich dann das Glücksspiel durch die 1699 zu 
Rürnberg errichtete Klassenlotterie auch in Deutschland 
Die Natur läßt ihrer nicht spotten! Auf der äu— 
ßerst fruchtbaren Antilleninsel Trinidat waren vor vielen 
ZJahren die dortigen Pflanzer und Sklavenhalter auf den 
Gedbanken gekommen, besonders gefährliche Giftschlangen 
— die sogen. Lanzenschlangen — einzuführen, in der 
Hoffnung, daß dadurch den Sklaven die Lust benommen 
würde, einen Fluchtversuch zu wagen. Aber die Ab— 
sicht der Plantagenbesitzer, sich einen billigen Wachdienst 
zu schaffen, rächte sich auf eine unvorhergesehene Weise 
Die Reptilien vermehrten sich so ungeheuerlich schnell, 
daß sie bald eine wahre Landplage wurden und man sich 
genötigt sah, zu ihrer Vertilgung Schlangensperber ein— 
zuführen. Bamit kam man aber aus dem Regen in die 
Traufe, denn auch die Sperber vermehrten sich so stark. 
daß es bald unmöglich wurde, Hühner zu halten. 
Technik der Alten. Wir sind mit Recht stolz auf die 
Errungenschaften der heutigen Technik. Aber auch die 
Alten, insbesonders die Griechen und Römer konnten 
sich in dieser Beziehung schon sehen lassen. So gab es 
in einen Tempel in Alexandrien selbstschließende Türen. 
die sich dann von selber schlossen, wenn das Feuer auf 
dem Altar angezündet wurde, und sich öffneten, wenn 
das Feuer erlosch. Die warme Luft aus dem warmen. 
suftdichten Altar, in dem das Feuer brannte, drang näm— 
sich in einen Behälter, der halb mit Wasser gefüllt war, 
zurch den Zutritt der Luft wurde das Wasser in ein 
ainderes Gefäß gedrängt, das nun durch seine Schwere 
mstande war, den Riegel zu heben, der die Flügel— 
üren des Tempels verschloß. 
Mutterliebe einer Hündin. In der Mühle zu Bad 
Zdiebwerda warf eine prächtige junge Wolfshündin zum 
ꝛrstenmal neun Junge, die man der Mutter einfach weg— 
iahm und ertränkte. Die ihrer Jungen beraubte Mutter 
var sehr unruhig und verschwand plötzlich. Am dritten 
Tag darauf hörte man im Stalle ein Winseln und 
Ztöhnen. Man fand, in eine Kiste versteckt, die Hunde— 
Mutter mit ihren neun toten Jungen, die sie sich alle wie— 
der aus dem Wasser herausgeholt hatte. Nun war sie 
hestrebt, den jungen Tierchen, mit ihrer eigenen Leibes— 
värme das Leben zurückzugeben. — 
Aus aller Welt. 
In Polen schnitt ein Holzarbeiter einen Mann, der 
sich eben aufgehängt hatte, ab. Der Gerettete fand 
diese Hilfe nicht am Platze und hängte den Retter mit 
demselben Stricke, an dem er gehangen, auf. — In Bi— 
vac (Südslawien) wurde ein Scheintoter noch im letz— 
en Augenblicke vor dem Lebendig-begraben-werden ge— 
ettet. Er war nur vom Starrkrampf befallen. — Der 
nglische Rennfahrer Campbellhat mit seinem Renn⸗ 
vagen „Blauer Vogel“ einen neuen Wahnsinnsrekord 
iufgestellt. Er fuhr in der Stunde 396 Kilometer. Dabei 
onñte er wegen schlechter Sicht seine Höchstgeschwin— 
digkeit nicht entfalten, die er mit 425 Kilometer ein— 
chätzt. — Am 7. Febr. wurde auf der Strecke Wien — 
Weidlingau ein Oberbauarbeiter, der 45jährige Frz. 
Horak aus Hadersdorf vom Zuge erfaßt und getötet. 
— Am 6. Februar wurde in Berlin auf den Reichs— 
bahndirektor Zander ein Attentat verübt. Der Direk— 
tor wurde schwer verletzt. Der Täter erschoß sich hier— 
auf selbst. — In Tokio drang ein Attentäter in die 
japanische Kammer ein und verletzte dort zwei Abge— 
ordnete durch Dolchstiche in die Brust. * 
In PIymouth stürzte ein mit 12 Personen be⸗ 
setztes Militärflugboot ab. Es kam zu einer Explosion. 
Neun Fluggäste waren sofort t ot, drei konnten gerettet 
verden. — In Neu⸗Losimtal (Tschechoslowakei) wur—⸗ 
den zwei Brüder, berüchtigte Menschen, die einen Ar— 
eiter er mordet hatten, von den erbitterten Bewoh— 
nern des Dorfes er schlag en. Nun wurde das ge— 
amte Dorf wegen Totschlages in Untersuchung ge— 
vogen. — In Berlin wurde die siebzehnjährige Mörderin 
Liesschsen Neumann zu acht Jahren Kerker verur— 
teilt. — Der Goldmacher Taus,end wurde zu drei 
Jahren Zuchthaus verurteilt! Und die Hineingefallenen? 
Sie gehören zu denjenigen, die nicht al le wer— 
den! — In Neuse eland sind infolge des Erdbe— 
hens 200 Menschen getötet worden. — In Wien wollte 
sich eine Frau deswegen, weil ihr die „Knödel“ miß— 
aten waren, mit Lyyssol vergiften. Wenn unsere ver— 
schiedenen Parlamentarier so empfindlich an ihrer Ehre 
wären und sich vergiften würden, wenn die verschiedenen 
„Knödel“ ihrer parlamentarischen Köche mißraten, 
gäbe es keine Parlamentarier mehr. ⸗ — 
Wissenswertes. 
Der Zwölffingerdarm, das ist das Zwischenstück zwi— 
schen Magen und eigentlichen Dünndarm, wohin die 
Ausführungsgänge der Leber und der Bauchspeicheldrüse 
Pankreas) münden, hat eine Länge von zwölf Finger— 
breiten, also von ungefähr 24 bis 28 Zentimetern. 
Der Erfinder des Zhlinderhutes (1797) ein bekann— 
ter Hutmacher der damaligen Zeit, John Hetherington 
in London, mußte sich bei Erfindung des Zhlinderhutes, 
als er ihn zwecks Demonstration auf der Straße trug, 
bör der Polizei verantworten und wurde wegen groben 
—A— einer Geldstrafe von 50 engl. Pfunds ver— 
onnert.
	        
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