Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 5/6 1935 (Folge 5/6 / 1935)

„Alpenländische Musiker-Zeitung“ 
Warschmusik unter Null zu spielen. Vom gesundheit— 
lichen Standpunkt müßte Musizieren unter 6 über Null 
zigentlich verboten werden. Auch vom musikalischen 
Standpunkt verlangt Musizieren bei so tiefen Tempera— 
luren großes Geschick von seiten der Bläser, zumal bei 
Temperaturen unter Null das Einfrieren der Ventile 
und Festfrieren der Polster vom Spieler gemeistert 
verden muß. Infolgedessen will ich hauptsächlich die 
Schwankungen zwischen 12 und 38 Grad beleuchten. 
Es dürften wohl einem jeden Musiker und Musikaus— 
übenden die Stimmungsschwankungen zwischen 12 und 
32 Grad über NAull, gleich 20 Grad, gleich einem 
Halbton bekannt sein. Dies wäre das Nächste, was von 
einem jeden Orchester scharf im Auge behalten werden 
muß. Die Kirchenorgel hat mit einer Schwankung, 
(heute sind ja die meisten Kirchen geheizt), von 8 bis 
20 Grad zu rechnen. Ungeheizte Kirchen mit 8 Grad 
Minus bis 20 Grad Plus. 
Außerdem dürfte es noch interessieren, zu hören, 
daß die Orgelbauer zwischen Sommer- und Winter— 
Temperatur bei ihren Instrumenten mit einem Tonun— 
terschied von einem vollen Halbton rechnen. 
Meine Instrumente, Holz- und Wetallblasinstru— 
mente, stimme ich bei einer Temperatur von 18 Grad 
Celsius. Will nun zum Beispiel ein Bläser im Freien 
bei einer Temperatur von 32 Grad Celsius im Sommer 
mit einem Glockenspiel oder einem Piano-Akkordeon zu— 
sammenspielen, so muß er berücksichtigen, daß das Blas— 
Instrument durch den Unterschied von 14 Grad ca. 3/5 
Zalbton höher stimmt, wie das Glockenspiel oder Akkor— 
deon. Der Bläser muß entweder sein Instrument durch 
Ausziehen verlängern, um den Unterschied auszuglei— 
chen, oder er benutzt bei Metallblaͤsinstrumenten einen 
Stimmtonbogen. Umgekehrt wird im Frühjahr oder 
Herbst oder an Sommermorgen bei kühler Temperatur 
don 12 Grad gespielt, dann stimmt sein Instrument min— 
destens 5„ Halbton tiefer, wie das Glockenspiel oder das 
Piano-Akkordeon. Er muß dann sein Instrument, Kla— 
rinette, Trompete, Tenorhorn usw. dementsprechend ver— 
türzen. Bei Wetallblasinstrumenten einen kürzeren 
Stimmtonbogen aufsetzen, bei Holzblas-Instrumenten, 
Flöten und Piccolos kürzere Kopfstücke, für Oboe kür— 
ere Rohre, für Klarinetten kürzere Birnen, Fagotte 
ürzere S benützen, um ebenfalls den Stimmunterschied, 
soweit dies akustisch möglich ist, auszugleichen. Die obi— 
gen Angaben sind natürlich nur allgemein aufzufassen, 
denn zu den obigen groben Stimmungsschwankungen 
ommen bei den Bläsern noch die Unterschiede, die durch 
das Erwärmen durch den Atem hervorgerufen werden. 
Denn wollte man alle diese kleinen Stimmungsunter— 
schiede berücksichtigen, so würde dies allein schon ein 
kleines Buch ergeben. Da die Kosten zur Abfassung des 
Inhalts, sowohl als auch die Drucksorten bis jetzt von 
niemandem aufgebracht werden können, müssen sich 
die Bläser an Hand der obigen groben Feststellungen 
selbst helfen. Noch wichtiger ist natürlich, daß der 
mitspielende Bläser selbst diese Verhältnisse an Hand 
der von mir gemachten Veröffentlichungen sich zum gei— 
stigen Eigentum macht, um bei allen Temperaturen— 
schwankungen zwischen 12 und 32 Grad wenigstens eine 
einigermaßen erträgliche Stimmung herbeizuführen. 
Jos. N. Wollenhauer. 
M44 
Zur katholischen Allion 
Prozessionen und Musik. 
Etwas über die Absamer Prozessionsmärsche. 
Von Josef Gritscher. 
Wie alljährlich, wird in Absam am Ostermontag 
)as Jünglingsfest gefeiert, verbunden mit einer feier— 
ichen Prozession. Ich dachte mir sofort, daß bei die— 
em Anlasse die tüchtige Absamer Musikkapelle ihre 
Märsche bringen wird, und als Musiker interessierte 
nich die Sache daher doppelt. Also auf nach Absam! 
In der Ferne hörte ich schon die weihevollen 
Zlänge der Musikkapelle. Und als sie näher kam, 
sah und hörte man zirka 40 bis 50 Buben und WMä— 
del, die vor der Musikkapelle in Achter-Reihen gin— 
gen und mitsangen. Das war schön! Es mag sein, daß 
diese Kinderstimmchen ein bißchen zu schwach im Ver— 
hältnis zur Stärke der Musikkapelle waren, aber schön 
uind erbauend war es trotzdem. Es lag wirklich in 
dieser musikalischen Aufmachung etwas so Andächtiges, 
daß ich offen und ehrlich gestehen muß, diese Art von 
Musik hat wirklich die Prozession zu dem gemacht, was 
ie sein soll: Zu einem Lobgesang und Dankgebet für 
uinseren Herrn und Gott. 
ESchließlich und endlich ist es nun einmal recht und 
hillig, daß man drangeht, in dieser Hinsicht Ordnung 
u schaffen. Es darf da niemand behaupten, daß ein 
chneidig gespielter Landesschützenmarsch mit dem be— 
annten Lied im Trio „Und kommt der Feind herein“ 
die Andachtsstimmung einer Prozession hebt. Denn 
ser Hauptzweck der Teilnahme bei der Prozession ist 
»och das öffentliche Bekennen seiner religiösen Ge— 
innung und nicht das Amüsieren bei flott gespieltem 
Marsche. * 
Es wird die Einführung dieser Prozessionsmärsche 
n vielen Orten auf Schwierigkeiten stoßen, und zwar 
hauptsächlich wegen der rhythmischen Bewegung. Aber 
nan muß sich vor Augen halten: es ist ein Gottes— 
dienst. Gerade die Musikkapelle soll es sich angelegen 
ein lassen, durch eine dementsprechende musikalische 
Amrahmung, dieses religiöse öffentliche Bekennen zu 
rinem Gottesdienste zu machen. Denn wie bei einer 
eden anderen festlichen Veranstaltung die Musikka— 
»elle durch ihre Darbietungen dem Fest ein charak— 
eristisches Gepräge verleiht, so ist es auch bei einer 
irchlichen Feier. Die Musik ist gleichsam die Krone, 
die das Fest zum Glanze emporhebt. Warum soll es 
zei einer feierlichen Prozession anders sein? Gebührt 
ticht auch dem Allerhöchsten Lob, Preis und Dank in 
Form einer passenden, ernsten u. weihevollen Musik? 
Den zweiten Einspruch gegen diese Wärsche erheben 
ie verschiedenen Korporationen, Schützen, Veteranen, 
Zdriegerbund usp. Warum? Ja, man kann auf diese 
Märsche nicht in strammer Form marschieren. Da muß 
nan wirklich die Frage aufwerfen, ob der Hauptzweck 
»ei Beteiligung an der Prozession im festen, strammen 
Marschtritte liegt? Gewiß nicht! Dafür haben eben— 
alls die berühmten Absamer Schützen den Beweis 
geliefert. In langsam abgemessenen Schritten marschier— 
ten sie nach den kirchlichen Klängen der Musikkapelle. 
Und ich muß wiederum gestehen, daß dieses ehrfurchts— 
volle, taktmäßige Dahinschreiten auf den Zuseher zehn— 
nal mehr den Eindruck einer wahrhaft echt kirchlichen 
Handlung machte, als der sonst übliche Parademarsch. 
Es gehört nur ein guter Wille dazu und die felsenfeste
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.