Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 5/6 1935 (Folge 5/6 / 1935)

Sendungen den MWusikern größten Schaden brachte, 
hatte man im Laufe der Zeit noch den traurigen Mut, 
quch die Sendung von lebender MWusik auf ein Mindest— 
maß zu reduzieren und der Schallplatte einen fast do— 
minierenden Platz einzuräumen, so daß die Musiker sich 
einer gleichzeitig wirkenden doppelten mechanischen Kon— 
kurrenz gegenübersehen. 
Wenn man moch die rückläufige Bewegung des 
Theaterwesens mit seinen vielen katastrophalen Zu— 
sammenbrüchen, welche wieder viele hunderte kleine Ge— 
haltsempfänger schwerstens schädigten, überblickt, so 
wird man auch hier als eine der Hauptursachen das 
verhängnisvolle Wirken der mechanischen Musik deut— 
lich erkennen. — 
All das hier Aufgezählte ergibt den traurigen 
Schluß: Die mechanische Musik in ihrer heutigen prak— 
tischen Verwendungsform ist der Tod der wahren Ton— 
kunst und ihrer Interpreten. 
Es ist nicht das erste Wal, daß diese Feststellung 
erfolgt. Zü wiederholten Malen wurden im Verlauf 
der letzten Jahre von Musikervertretern, aber auch von 
anderen geschädigten Berufsgruppen Forderungen nach 
Einschränkung und Besteuerung der mechanischen Mu— 
sikwiedergabe in öffentlichen Betrieben gestellt. Alle 
diese Rufe nach Schutz für unseren vernichtend ge— 
troffenen Musikerstand blieben aber bisher erfolglos. 
Es ist vollkommen undurchsichtig, warum den armen 
arbeitslosen Tonkünstlern Oesterreichs nicht geholfen 
werden könnte. Wir sind keine Waschinenstürmer und 
oerlangen nichts Unmögliches. Daß die obersten Stellen 
des Staates in der Vergangenheit aber ruhig zusahen, 
wie auf Kosten der weltberühmten österreichischen Musik— 
kultur und der gänzlichen Verelendung des die öster— 
reichische Musikkultur so berühmt machenden österrei— 
chischen Musikerstandes einzelne Unternehmer und Ge— 
sellschaften Riesengewinne erzielten, werden die Musiker 
niemals verstehen. 
Gerade unser Vaterland, das auch heute noch als 
musikalische Großmacht gewertet wird, müßte beispiel— 
gebend zum Schutze seiner Tonkünstler vorangehen. Es 
kann uns nicht genügen, daß wir unser herrliches 
Philharmonisches Orchester noch besitzen, für dessen Zu— 
kunft nach menschenmöglicher Voraussicht gesorgt ist. 
Es kann uns auch nicht genügen, daß daneben unsere 
ganz hervorragenden Symphoniker von Jahr zu Jahr 
um ihre Existenz bangen müssen oder daß das eine oder 
andere berühmte Jazzensemble noch ständig Unterneh— 
merinteressen findete. 
Mit dieser kleinen Insel Ueberlebender rettet oder 
erhält man die österreichische Musikkultur nicht. 
Breite Wässen ausgezeichnet qualifizierter Musi— 
ker, welche ihre Ausbildung größtenteils in staatlichen 
Musiklehranstalten genossen *haben, sind bereits seit 
langem und ganz im besonderen durch die verheeren— 
den Auswirkungen der mechanischen Musik aus dem 
Berufsleben ausgeschaltet. Daneben geht Jahr für Jahr 
aus den genannten staatlichen Anstalten immer wieder 
scharenweise der musikalische Nachwuchs hervor, der 
nach Betätigung und Brot ruft. Die bürgerliche Schichte 
in unserem Berufe, unter welcher die in fester Stellung 
befindlichen Kollegen zu verstehen sind und die den 
Ruhepol eines Berufsstandes bilden müssen, ist heute 
vollständig aufgerieben. Das musikalische Können des 
einzelnen geht durch die Seele und Körper zermürbende 
jahrelange Arbeitslosigkeit immer mehr zurück, so daß es 
oft vorkommt, daß ein solch armer Kollege selbst im 
„Alpenländische Musiker-Zeitung“ 
Falle einer zufälligen Verdienstmöglichkeit auf Grund 
einer minderwertigen Leistung und Wangelhaftigkeit 
eines Instrumentes nicht mehr verwendet werden kann. 
Lragödien solcher Art sind in unserem Organisations— 
eim keine Seltenheit. 
Wir fragen: Kann dies so weitergehen? Soll in der 
Weltmusikstadt Wien, im Vaterlande eines Franz 
Schubert, Mozart, Hahdn und Johann Strauß, der 
Musikerstand unrettbar verloren sein und sich mit seiner 
ebenden Kunst in kleine Vorstadtlokale oder auf die 
Ztraßen der Stadt Wien flüchten müssen?! Soll die 
riebe im österreichischen Menschen zur lebendigen Musik 
veiter durch Konserbenmusik gewaltsam ertötet werden 
ind unsere bodenständige, Weltgeltung habende, volks— 
ümliche Musik endgültig der Vergangenheit angehören? 
Wir glauben es nicht, daß unsere verantwortlichen 
Männer im Staate, welche doch sonst das Herz am 
echten Fleck haben, gerade die verzweifelten Not— 
chreie der Musiker überhören können. Nein, wir setzen 
insere ganze Hoffnung auf sie, in der Erwartung, daß 
ie als hundertprozentige Oesterreicher den österreichi— 
chesten aller Berufsstände vor dem gänzlichen Unter— 
zange bewahren werden. 
Unsere Hoffnung ist um so begründeter, da es ge— 
ade unser allverehrter Herr Bundeskanzler war, wel— 
her bereits vor einigen Jahren im Parlament einen An— 
rag zur Schaffung eines „Künstlerfonds“ einbrachte. 
eider war es bei den damaligen politischen Ver— 
sältnissen nicht möglich, eine Gesetzwerdung dieses An— 
rages zu erreichen. Immerhin liegt der damalige Ent— 
vurf Schuschniggs noch vor u— ist dieser heute aktueller 
denn je. Dieser Entwurf, der bereits vorsieht, die me— 
hanischen Musikformen mit Abgaben zugunsten der ge— 
chädigten Künstler zu belegen, braucht nur entsprechend 
umgearbeitet und den heutigen Verhältnissen angepaßt 
verden. Zuwarten können wir aber nicht mehr! Die 
Theater und sonstigen Kunststätten müssen gerettet wer— 
den! Die mechanische Musik muß in die ihr gebühren— 
den Schranken verwiesen werdenn 
Wir Musiker fordern: 
1. Musikqlische Nundfunksendungen dürfen nur 
durch lebende Musik vorgenommen werden. 
2. Lautsprecher sind in öffentlichen Gaststätten zu 
verbieten. 
3. Sämtliche mechanische Musikarten, soweit sie in 
öffentlichen Betrieben Verwendung finden, sind mit 
Abgaben zu belegen, welche einen Fonds zur Unter— 
stützung kultureller Musikbetriebe sowie anderer Kunst 
ind Künstler fördernder Institutionen zu bilden haben. 
Auch ständige Wohlfahrtseinrichtungen für Künstler 
sollen aus diesem Fonds geschaffen werden. 
Wer unserer MWeinung ist, der stelle sich in eine 
Front. Ein Zurück gibt es diesmal nicht 
Die österreichischen Musiker erwarten in letzter 
Stunde eine Tat. L. F. 
Leset und verbreitet die 
„Alpenläncische 
Musikerzeitung/“
	        
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