Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 2/3 (Folge 2/3 / 1930)

„Atpentändische Musiker-Zeitung 
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Phonographen oder von schwarzen Jazzbands gespielt, zu 
hören bekommen. Die französischen Musiker, kaum aus dem 
Konservatorium in die Orchester gesprungen, verlassen ihre 
Pulte scharenweise, zurückgedrängt von den eindringenden 
Negern Und Metöken, die die Musikbands der Hotels, Cafos, 
Dancings, Kasinos, Theater und Kinos erobert haben, 
nachdem sie als angebliche Studenten, Teppichhändler,^ Iu- 
welenschleifer, Pelzhändler oder auch als Varieteekünstler 
Einlaß in Frankreich gefunden haben: mit ihren saiten 
bespannten Kasserollen, singenden Holzsägen, Kindertrom 
peten, hawaischen Gitarren und quäkenden Blaßrohren. 
Wohl versuchen selbst die Weißen sich im Jazz, aber die musi 
kalische Clownerie steht unter der Würde der französischen 
Instrumentalisiern In den französischen Badeorten sind im 
letzten Sommer wohl kaum ein Drittel der Musiker Ein 
heimische gewesen; unter 24 Mann in einem Bad nahe bei 
Biarritz zählte man drei Franzosen. Neben dem Jazz hat 
nun der amerikanische Tonfilm den zweiten schweren Streich 
gegen die Musiker geführt. 500 sind durch die Einführung 
der Kurbelmusik allein in Paris brotlos geworden. Die gute 
Musik, zu der sich die Lichtspieltheater in den letzten Jahren 
verpflichtet glaubten, ist verstummt und die Orgel feiert. 
Dafür genießen wir die zweifelhafte Erzeugung amerikani 
scher Filmkomponisten und die das Ohr beleidigenden Ge 
räusche des Tonfilmgrammophons. Die jüngeren unter den 
Konservatoristen sehen sich genötigt, in den ebenfalls über 
füllten Berufen der Industrie und des Handels Unterkunft 
zu suchen, für die sie gewöhnlich wenig Eignung mitbringen. 
Nur einige wenige vermögen sich der neuen Geschmacksrich 
tung anzupassen, wie etwa der erfolgreiche Pariser Kom 
ponist Michel Maurice Levy, der Schöpfer der großen ko 
mischen Oper „Das Kloster", der unter dem Decknamen 
„Beethoven" allabendlich das Pariser Varieteepublikum mit 
Parodien klassischer Opern und Liedern entzückt, um sein 
Leben zu fristen. So weit Rene Dubreuil. Wenn er gerecht 
sein will, muß er seine Anklagen nicht nur gegen Neger und 
Metöken, sondern viel mehr noch gegen den Untergangs des 
guten Geschmacks in musikalischen Dingen richten, der an 
exotischen Fetischen mehr Geschmack findet als an den Hei 
ligtümern europäischer Kultur, übrigens sei nicht verschwie 
gen, daß sich eine leichte Reaktion fühlbar imacht, die mehr 
und mehr auch in der Tanzliteratur den guten Wiener Wal 
zer gegenüber dem Foxtrott zu Ehren kommen läßt. 
Kuriose Einführungsworte 
Die Komponisten der Kirchenmusik Mitte des 18. Jahr 
hunderts bedienten sich mitunter ganz besonderer Schrift 
sätze zur Einführung ihrer Werke, die Humor und Energie 
gewiß nicht entbehrten. Wir lassen ein Beispiel folgen: 
Der Organist Johann Anton Kobrich in Landsberg 
schreibt zur Einführung seiner 1756 geschriebenen VI, Messe 
„Rurales" (Op. 14) folgendes: „Geneigter Music-Liebhaber! 
Gehe mit gegenwärtigem Werk wieder an das Tagelicht, 
weilen einerseits öfters darum begrüßt worden, anderer 
seits aber gesehen, daß die vorige Messen schleunigst abge 
gangen, und von manchem Liebhaber hoch geschätzt worden. 
Ich zwar suche, gleichwie in allen anderen, so auch in diesem 
Werk, nichts als die Beförderung der grösseren Ehr Got 
tes, welche durch Kirchgeziemende Produktion ferners zu ver 
mehren und fortzupflantzen in Gegenwart gedacht habe. 
Indessen solle niemand ein Bedauern tragen ob dem, daß 
diese Messen Rurales genennet seyn, Massen solche nit min 
der als die vorige auch denen Civilibus und anderen! fast 
jedem anständig zu seyn verhoffe. In Abgang einiger Vocal- 
Stimmen, oder Instrumenten, zeigt deroselben Nothwendig 
keit angefügter Index". 
Eine Krise im Direktorium der Wiener 
Musikakademie 
Der Rektor der Wiener Musikschule, HofraL Franz 
Schmidt Hatz seinen Rücktritt aus dem Direktorium der Aka 
demie angemeldet. Dieser Schritt ist auf Vorgänge im Direk 
torium der Musikakademie zurückzuführen, die in jüngster 
Zeit Gegenstand heftigster Kritik gewesen sind. So wurde 
bemängelt, daß zum Leiter der Orchester- und Kammermusik 
übungen des musikpädagogischen Seminars ein Nicht 
musiker, nämlich ein Philologe, bestellt worden sei, daß ein 
Vorbereitungskurs, der für die Kandidaten einer Stadtschul 
ratsprüfung für rhythmische Gymnastik und Tanz eingerich 
tet worden ist, von den Prüfungskommissären selbst abge 
halten werde, und schließlich, daß Lehrkräfte der Akademie 
auch an Privatschulen Unterricht erteilen. Wie sich heraus 
stellte, sind die geschilderten Maßnahmen ohne Wissen des 
Rektors an der Musikhochschule erfolgt. Hofrat Schmidt 
hat daraus die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt 
aus dem Direktorium vollzogen. 
Cello-Abend Becke-Kofler in Innsbruck 
Vor ihrer kleinen Schwester,, der Geige, hat das Cello 
den großen, sonoren Ton voraus, der einem edlen, wohlge- 
sormten Klangkörper entströmt. Die Kehrseite lautet dafür 
ungefähr so, daß mit zunehmendem Raumumfang eines In 
strumentes seine Verwendungsfähigkeit in technischer Hin 
sicht abnimmt. Die Gleichförmigkeit des Klangcharakters, 
den das Cello in fast allen praktisch in Frage kommenden 
Lagen ausweist, schließt das Instrument vom Reichtum jener 
Wirkungen aus, die von der Geige in den klingenden tie 
feren und in den brillanten hohen Lagen erzielt wird. Die 
Celloliteratur, insbesondere die konzertante, ist an der Gei 
genliteratur gemessen verschwindend geringfügig und klein. 
Was wir auf diesem Gebiete besitzen, stellt daher auch kei 
neswegs Allgemeingut dar, wie es für die Geige in reichstem 
Maße zu verzeichnen ist. Es ist dafür speziell im Einzelnen 
umso kostbarer, von Kennern und Liebhabern geschützter 
Besitzstand einer im wesentlichen weniger auf virtuose als 
auf musikalische Wirkung eingestellten Kunst. 
Ludwig van Beethoven hat sich mit ihr im Rahmen 
mehrerer Violoncellosonaten auseinandergesetzt. Die zwei 
Opus 5-Sonaten hat er 1796 in Berlin geschrieben und kei 
nem Geringeren als dem selbst Violoncell spielenden König 
Friedrich Wilhelm II. gewidmet. Die erste von ihnen (F- 
dur) hatte man kürzlich im Musikvereinssaale im Rah 
men eines sehr interessanten Abendes, den Max Becke und 
Erna Kofler bestritten, zu hören Gelegenheit gehabt. Sie ist 
ein echter „junger" Beethoven, noch unbeschwert von allen 
jenen tiefgründigen Problemen, die den großen Mann spä 
ter beschäftigt haben. Solche Dinge klingen nur andeutungs 
weise durch, insbesondere beim Wechsel der verschiedenen 
Tonarten. Max Becke und Erna Kofler haben dieser Eigen 
schaft des Werkes bei dessen Wiedergabe eine außerordent 
lich glückliche Hand geliehen. — Aus Beethoven folgte Boc- 
cherini und hier wurde ganze Musizierfreudigkeit, die an der 
Wiege mozartischer Kunst stand, recht deutlich offenbar. 
Jedenfalls ist Pe originärer als die des immerhin etwas 
matt klingenden Konzertes von Saint-Saens, das aus dem 
sonstigen Rahmen des Abends herausfiel... umso mehr, 
als unmittelbar darauf Richard Strauß in der die schöne 
Vortragssolge beschließenden Es-dur-Sonate ursprünglich 
stes, musikalisch und musikantisch gleich wertvolles, Spieler 
und Zuhörer gleich hin- und mitreißendes Musizieren vor 
führte.
	        
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