Volltext: Neuer Braunauer Kalender 1894 (1894)

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Eine Frau Katharina Krippel aus der Heinzelmanngass; 
klagte einen Herrn Heinrich Schädel, Schneidermeister aus 
der Honrovergasss, auf Bezahlung einer Schuldfordernng von 
50 fl. — Richter (zum Angeklagten): Sind Sie dieser Frau 
50 fl. schuldig? — Angeklagter: Dieser Frau? Das ist 
meine Schwiegermutter! — Richter: Das thut nichts zur 
Sache, man kann doch auch einer Schwiegermutter Geld 
schuldig sein. — Angeklagter: Ich bin ihr aber nichts schuldig; 
sie hat mir 50 fl. Mitgift gegeben, als ich ihre Tochter 
heirathete. Ich mußte aber nicht nur die Tochter, sondern 
auch die Schwiegermutter übernehmen und über die 50 fl. 
obendrein einen Schuldschein ausstellen. — Ueber die Mit¬ 
gift einen Schuldschein — das ist neu. — Angeklagter: Ja, 
hier ist der Schuldschein, Herr Richter. — Der Richter nahm 
dm in Großfolioformat gehaltenen, mit einem Zweiunddreißig 
Kreuzer-Stempel versehenen Schuldschein und brachte denselben 
zur Verlesung. Er lautete wörtlich: „Schuldschein, womit 
ich Endesgesertigler bestätige, daß ich am hfutigen Tage von 
meiner zukünftigen Schwiegermutter Frau Katharina Krippel 
50 fl. baat als Mitgift bekommen habe und verpflichte mich, 
diese Schuld meiner Schwiegermutter baar zurückzubezahlen, 
wenn ich 1. die Schwiegermutter nicht mehr anerkennen sollte; 
2. wenn sie mir nicht mehr behagen sollte. Hochachtungsvoll 
Heinrich Schädel." Nachdem sich der Heiterkeilsausbruch, der 
durch die Ve'lesung dieses classischen Schuldscheines entfesselt 
wurde, gelegt hatte, begann der Angeklagte: Run ja, jetzt wo 
ich sie so lange erhalten habe, verlangt sie die Mitgift zurück. 
— Richter: Lassen Sie uns, Herr Schädel, vor allem hören, 
ob Sie eine dieser köstlichen Bedingungen, die Sie einge¬ 
gangen sind, nicht etwa g Brechen haben. Also zur eisten t 
Erkennen Sie diese Frau als ihre Schwiegermutter noch im¬ 
mer an? — Angeklagter: Freilich, alleweil! — Richter: 
Behagt Sie Ihnen noch? Angeklagter (nach einer langen 
Panse, während welcher er die Schwiegermutter mit scheuem 
Blicke betrachtet): I ... sie behagt mit noch! — Richtet: 
Haben Sie sie verstoßen? — Nein, sie ist selbst weg. Ste 
kann ja doch wiederkommen. — Klägerin: Ich will aber nicht. 
— Richtet: Und Ihre Frau ist nicht gestorben? — Ange¬ 
klagter: Nein, sie lebt noch. — Richter (zur Klägerin): Unter 
diesen Umständen muß ich Ihre Klage bedingungslos ab-
	        
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