Volltext: Neuer Braunauer Kalender 1889 (1889)

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Sogleich eilten Aerzte, barmherzige Brüder mit ihren 
Krankenwärtern wie Bienen unter den Blessirten herum, uin 
jedem ein möglichst gutes Lager zu bereiten und jedem die 
nöthige Hilfe zu leisten. 
Auch am Bette des Hauptmannes P—fei standen die 
Aerzte und untersuchten seine Wunden. 
„Nun, wie finden Sie mich, Herr Doktor?" fragte rasch 
der Hauptmann. 
„Herr Hauptmann, Sie sind Kriegsmann, und da Sie 
vor Kurzem bereit waren, Ihr Leben für das Vaterland zu 
opfern, so werden Sie auch meine Aeußerung mit dem ruhigen 
Muthe eines tapfern Soldaten hinnehmen." 
„Nur heraus mit der Farbe, Doktor, wie steht's?" 
Es stehen Ihnen zwei Wege offen, entweder Ihr Bein 
zu behalten, einem raschen oder schmerzlich langsamen Tode 
entgegenzusehen, oder das Bein zu opfern, um Ihr Leben zu 
erhalten?" 
„Bein weg, Leben erhalten! Weg damit! Ich habe nicht 
für mich allein zu sorgen, ich habe noch einen alten Vater, 
der von einer geringen Pension als Lieutenant kaum leben 
kann, mit ihm will ich meine Beine und meine Pension theilen. 
„Eines ihm, eines nnr". Doch schicken Sie mir erst den Pater, 
damit ich nicht, wenn es unglücklich ausfiele, mit dem Beine 
die Seele verliere". 
Der edle Hauptmann empfing zur Erbauung Aller die 
heiligen Sakramente. Eben schlug es Mitternacht, als die Aerzte 
an ihr Werk gingen, es in Kurzem vollendeten und dem alten 
Vater den braven Sohn retteten, denn der Fuß wurde glück¬ 
lich amputirt. 
Welch' eine Szene, als nach wenigen Tagen der alte 
Vater, der seinen Sohn, den Zeitungsberichten zufolge, nnter 
den Gefallenen gelesen und bereits zu den Todten gezählt hatte, 
von den barmherzigen Brüdern benachrichtet, im Kloster ankam 
und seinen Sohn, den tapfern Hanptmann, unter den Lebenden 
und aus dem Wege glücklicher Genesung stand. 
Die Beschreibung dieses Wiedersehens erlasse mir der 
Leser. Aber ergriffen von so edler Gesinnung rufe ich: „Ehre 
dem edlen Krieger, Ehre einem solchen braven Sohne!" 
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