Volltext: 92. Heft 1914/16 (92. Heft 1914/16)

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darauf, streichelte es und freute fich unbändig damit, sucht nach dem kleinen Landgut der Heimat denkend. 
Nach vielem Lachen der Kameraden bekam ich heraus: Als vor unfern Fenstern das Brachland umgepflügt 
Dies Kiffen will er, folchen bunten Rock hat feine Frau! wurde, machte er mir die Unterschiede der Beackerung 
Bei all seiner Wildheit hatte er doch ein gutes Herz, klar, sprach mit Stolz von der rationellen Wirtschaft zu 
Um ihm die sehr unangenehme Medizin zu versüßen, gab Hause. Er war im fremden Lande ein überzeugter 
ich ihm nachher gleich einen Becher „vino". Er trank Deutscher geblieben, der auch stolz den geistigen Zu- 
einen Schluck und reichte den Becher dann herüber: fammenhang mit der füddeutfcheu Stammesheimat be- 
„Da, Kamerad!" Ich bekam dann mit großer Geste tonte, den Glauben, den die „Elterväter" ihnen vererbt, 
den Becher zurück und nicht ohne „Kezeit csökolom" Eine prachtvolle Kernnatur, die ihrer deutschen Ab- 
(Küß die Hand). Auch dieser Sohn der Wildnis hielt stammung alle Ehre machte. 
auf Manieren. — Ein andermal fand ich ihn todtraurig. Immer lustig war sein junger Volksgenosse. Hatte 
Die Kameraden durften die ersten Schritte im warmen er keine Harmonika, fo hatte er ein Lied auf den Lippen. 
Sonnenschein tun, sein Bein heilte noch immer nicht. Nie Spielverderber, sondern „Hans in allen Gassen" 
„Vino?" er schüttelte den Kopf, „Cigaretta?" Wieder im besten Sinne des Wortes. Den ersten Morgengruß 
ein trauriges Lächeln — „Schokolade?" — Auch nicht, rief er mir zu; denn er war einer der ersten beim Auf- 
Da kommt es leise über seine Lippen: „Haza akarok stehen, und die Vögel hatten ihm schon viel vorgesungen, 
menni" (Ich will nach Hause), und zwei große Tränen wenn die anderen sich den Schlaf aus den Augen rieben, 
rollten über die schmalen, braunen Wangen. Endlich, Er kannte auch jeden gefiederten Sänger, war in Feld 
endlich heilte seine Beinwunde, und dann ging's über und Wald zu Hanse wie kein zweiter, und ihm verdanke 
Deutschland ins schöne Ungarland. Von deutschem ich eine Einladung nach Siebenbürgen, wo es so schön 
Boden noch bekam ich eine Photographie: das Zigeuner- und so fruchtbar und so lustig sein soll. Wenn die 
lind, eine Geige im Arm. Dies große Glück hatten wir Menschen dort alle solch Sonnenschein wie er, und solche 
ihm leider nicht bereiten können. Charaktere wie unser Freund Rosenauer sind, muß es 
Als felddienstfähig ging ein stolzer Huszär (Husar) sich gut leben im „erdö" (Wald). 
- nach der Heimat, so einer, wie man ihn sich malt: eine Ja, Kaiser Franz Josefs Landeskinder haben uns 
fchlanke, sehnige Figur, beweglich bis in die Fingerspitzen, die Arbeit leicht gemacht mit ihrem leichten, frohen Sinn, 
mit blankem, schwarzem Schnurrbart, blauen Augen: der Wenn man Tiroler ist und Vögele heißt, kann man da 
Typ des ebenso ritterlichen wie heißblütigen Magyaren. Grillen fangen? Lieber erzählt man vom schönen Inns- 
In seiner Uniform fah er beim Abfchied fein aus: rote brück, und es traf fich so gut, daß Berg Jsel und Martins- 
Hosen, blaue Attila, der pelzgefütterte Mantel kokett wand, Goldenes Dachel und Maria-Theresienstraße mir 
übergehängt, alles mit den schwarzgelben Schnüren ver- nicht fremd waren. Es ist doch ein viel leichtlebigeres 
ziert. Österreichs Kavallerie war noch bunt ins Feld Völkchen als wir! Przemyfls Fall ging mir fehr nahe, 
gezogen, und malerisch genug sah der szep (schöne) Huszär ich besprach noch, daß wir erst die sichere Bestätigung ab- 
aus, als er sich — ein vollendeter Kavalier — ver- warten wollten, ehe es die Österreicher erführen; wir 
abschiedete. Als Kraftprobe nahm dann der Riefe den meinten, es müsse sie „erschlagen". Aber natürlich kam es 
gestiefelten und gespornten Reiter auf den Arm und trug eher heraus — und der Erfolg? — Der Zugführer straffte 
ihn als Taufkind herum. In meinem Zimmer hängt noch seinen schlanken, sehnigen Körper nur und sagte: „Das 
ein Rahmen, den er mir zum Andenken geschnitzt, in Ge- bekommen wir wieder!" Vielleicht drückten sie sich irt 
meinfchaft mit feinem Stubenkameraden, einem 19 jähri- den heimischen Lauten anders aus, wir haben nichts 
gen Kriegsfreiwilligen, dem ein schweres Nierenleiden mehr darüber gehört — und der Erfolg hat ihnen recht 
nicht nur stillesIm-Bett-liegen, sondern auch eine überaus gegeben. 
langweilige Diät auferlegte. Aber nie war der kleine Ein großes Verständigungsmittel bildeten die Kriegs- 
Hasz unzufrieden, der trotz deutscher Mutter nur ge- karten, die ich mir von Hause kommen ließ und auf uuferm 
krochen Deutsch sprach, nie unzufrieden oder schlechter schönen, breiten Korridor anmachte. Dort standen rote 
Laune, sondern froh und dankbar über jede kleine Ab- Lederchaiselongues, und um des Lichtes gesellige Flamme 
wechslung, die man ihm bereiten konnte. Auf dem einen sammelte fich, was irgend kriechen konnte. Fehlten bei 
Arm hatte er das Bild seiner Mutter tätowiert, an der solchen abendlichen Zusammenkünften die Zigarren und 
er sehr hing, auf dem anderen prangte das Wappen Zigaretten der Karlshorster Liebesgaben nicht, so wurde 
Ungarns, dessen drei Berge und drei Ströme er mir mit es sehr gemütlich, jeder zeigte, wo er zu Hause sei, wohin 
nie versiegender Geduld einprägte. ihn des Krieges Getriebe geführt. Wahre Irrwege waren 
Als dritter im Bunde lebte dort eins meiner rührend- da manche marschiert durch ganz Weichselpolen. Dann 
sten Kinder. In den ersten Tagen merkte ich wohl ein erstanden vor uns die Dörfer im Komitat Gömör mit 
leises Zucken um die Mundwinkel, wenn ich ihn anredete, ihren Weinreben, die Wälder des ungarischen Erzgebirges, 
Hasz Johann wagte dann, mir bescheiden klarzumachen, die lustige Kaiferstadt und das schöne Budapest, wie die 
daß bei Nagy Karolh das erstere der Vatername sei, und gesegneten Fluren Siebenbürgens und die Weizenfelder 
endlich brachten sie dann heraus, daß man das ganz des Banats. Dazwischen rauschten die Fluten der Donau 
anders spreche als schreibe, und nach und nach habe ich um all die so verschiedenen Söhne des alten Landes, die 
es gelernt. Nagy paßte denn morgens schon auf, große Not wunderbar geeint. Uns find fie liebe Pfleg- 
wenn ich kam, um mir den großen Brotkorb vom hohen linge und liebe Kameraden gewesen mit ihren angeborenen 
Schrank herunterzureichen, — als wir zum ersten Male guten Manieren, den angenehmen Umgangsformen, dem 
an die Sonne gingen, trug er mir Kragen und Schirm, allzeit fröhlichen Gemüt und — nicht zu vergessen — 
— nach jedem Spaziergang stand ein Strauß auf meinem dem Sinn fürs Hübsche, „Patente". Servus, —Jung- 
Tisch. Rauchen ist ein Laster, — aber ein schönes, und Osterreich — und Jsten önnel (Lebe wohl)! 
es war sicher das einzige, dem er frönte. Wie fagt das Donauweibchen? — „Deutsche, Oster- 
Sehr liebe Menschen waren die Siebenbürger reicher, Ungarn, — ihr dürft nie vergessen, daß ich euch 
Sachsen. Det eine schon älter, ernster, mit heißer Sehn- zusammenführte."
	        
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