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bünbeten Englänber unb Franzosen ausgeübt worben,
ber wohl bie Hoffnung auf eine Umfassung unb eine Ab-
brängung ber Englänber von ber Küste nahe legte.
Erwog man weiter, baß ein erfolgreicher Vormarsch
gegen bie Linie Paris—Verbun in seinem weiteren Ver¬
lauf bie beutschen Streitkräfte in ben Rücken ber stärksten
französischen Sperrfortlinie bringen konnte, so war für
sanguinische Naturen bie Versuchung groß, sich in aus-
schweifenben Hoffnungen über bie nächste Periobe un¬
seres Felbzuges in Frankreich zu wiegen. Es ist nicht zu
leugnen, baß bie sich fast überstürzenben Siegesnach¬
richten ber ersten Kriegswochen bas bentsche Volk etwas
verwöhnt hatten, so baß ber nun bdb bar auf eintretenbe
veränberte Charakter bes Kriegsverlaufs bie öffentliche
Meinung vor eine nicht ganz leichte Probe stellte. Es
ist ein ehrenvolles Zeugnis für ben Ernst unb bie
Reife bes beutschen Vaterlanbsgefühls in unserer großen
Zeit, baß bas bentsche Volk biese Probe bestaub unb sich
nicht aus bem Gleichgewicht werfen ließ. Ging etwas
anbers, als jene hochfliegenben Erwartungen sich gebacht
hatten, mußte man aus bem fortwährenben Taumel
erregenber Siegesbotschaften auf längere Zeit zum
Üben ber Tugenb ber Gebulb zurückkehren, so fügte sich
alles mit Würbe, Ernst unb festem Vertrauen in bas Un-
vermeibliche; unb bas hohle Geschwätz, bas mißvergnügte
ober verzagte Raunen wagte sich ernstlich nicht über bie
engen Kreise hinaus, aus benen bie Bebürfnisse ber Bier¬
bank unb ber gewohnheitsmäßige Klatsch niemals ganz
zu verbannen sinb; bort aber blieben sie für bie große
Öffentlichkeit unb für ben Kern ber Nation völlig be-
bentnngslos.
Daß unsere Heeresleitung sich in entschlossenem An¬
sturm so schnell wie möglich mit ihrer Hauptkraft auf
Frankreich werfen mußte, ergab sich aus ber politischen
Lage unb ber vorhanbenen Kräfteverteilung. Ebenso war
es selbstverstänblich, baß bei biesem kühnen Vorstoß alle
Vorteile mitgenommen würben, bie bie Kriegführung
erhaschen ließ. Es burfte benennt auch nicht bie Möglich¬
keit einer überraschenben Einnahme von Paris gänzlich
ans jeber Berechnung ausgeschaltet werben. Wenn man
aber aus ber Nichterfüllung bieser unb anbetet: burch bie
Ereignisse angeregten Hoffnungen schließen wollte, baß
baburch bie Pläne unb Erwartungen unserer Führung
burchkreuzt unb zerstört worben seien, baß wir also in
unvorhergesehener Weise zu einem anhexen System ber
Kriegführung übergehen mußten, so fehlt für biese Auf¬
fassung min bestens jebe nachweisbare Unterlage. Man
barf es ruhig aussprechen, baß unser Generalstab in seiner
langjährigen, gewissenhaften unb mühevollen Arbeit
unsere Gegner eher überschätzen als unterschätzen gelernt
hat. Es liegt bah er auch nicht bie geringste Wahrschein¬
lichkeit bafür vor, baß unsere oberste Heeresleitung auf
bie sich balb entwickelnbe neue Kriegslage nicht vor¬
bereitet gewesen sein sollte. Unvorhergesehene Mo¬
mente bietet aber jeber Krieg. „Es gibt keine menschliche
Tätigkeit, welche mit bem Zufall so bestänbig unb so all¬
gemein in Berührung stäube als ber Krieg", sagt ber
große Kriegstheoretikec, General Earl von Elausewitz, ber
Lehrmeister unseres Moltke unb aller unserer großen
mobernen Heerführer. Einem begabten unb gutgeschulten
Führer können bie Unberechenbarfeiten bes Krieges nicht
allzuviel anhaben, solange bie physische unb moralische
Leistungsfähigkeit ber Truppen auf ber notwenbigen
Höhe bleibt. Aber Bebingung ist freilich, baß ber Felb-
herr bie Fähigkeit besitzt, alle überhaupt vorhanbenen
Möglichkeiten auf bas schärfste zu burchbenken, so baß ihn
auch ber merkwürbigste Zufall nicht überraschen kann.
Der Felbmarschall Moltke hatte biese Fähigkeit in einem
seltenen Grabe; aber es ist ihm mehrfach begegnet, baß
ber Gegner gerabe bas tat, was Moltke für bas Aller¬
unwahrscheinlichste gehalten hatte (z. B. ber Marsch ber
Armee Mac Mahons nach ber belgischen Grenze!). Das
Hinberte ihn nicht, auch barauf gerüstet zu sein.
Daß nun ein Generalstab, ber aus ber Schule eines
solchen Mannes hervorgegangen ist, seinen Kriegsplan
ausschließlich auf bie Erfüllung von Hoffnungen auf¬
gebaut haben sollte, bie nur als besonberer Glücksfall
gelten konnte, ist gerabezn unbenkbar. Alles spricht bafür,
baß ein langes, zähes Ringen mit Frankreich unter
Einsetzung ber äußersten Kraft erwartet würbe, baß bie
Beteiligung Englanbs am Kriege biese Erwartung ver¬
stärkt hatte, unb baß ber energische Vorstoß ber ersten
Kriegswochen nur ben Zweck hatte, vor Beginn bes nach¬
haltigen Ringens noch möglichst viele Vorteile in bie Hanb
zu bekommen, bie geeignet sinb, im letzten Augenblick
bem Sieger ben entscheibenben Überschuß an Kraft zu
sichern unb ben Gegner zu Fall zu bringen. Vor allem
mußte mit einer entschlossenen Offensive Frankreichs
gerechnet werben, unb gerabe beshalb war es notwenbig,
rechtzeitig alles zu tun, was ben Krieg vom beutschen
Boben fernhalten konnte.
Die Franzosen ihrerseits waren burch bie Schnellig¬
keit unb Energie bes beutschen Vorgehens zwar bis zu
einem gewissen Grabe überrascht worben unb hatten
mancherlei erheblichen Schaben erlitten. Wenn man sich
aber aus einer Übersichtskarte von Frankreich bie Kriegs¬
lage Anfang September in großen Zügen vergegen¬
wärtigt, so muß sogleich klar werben, baß zu einem Ver¬
zicht auf bie beabsichtigte Offensive für Frankreich gar
kein Grunb vorlag. Man wirb sich überzeugen, baß ber
von uns besetzte Grenzstreifen im Vergleich zum Gesamt¬
gebiet ber französischen Republik sehr klein war, unb baß
bie französische Regierung in bem bei weitem größten,
geographisch sehr günstig gelegenen unb gestalteten Teil
ihres Laubes frei schalten unb walten konnte. Ein Gro߬
staat, ber sich Jahrzehnte hinburch auf einen großen
Krieg vorbereitet hat, läßt sich nicht burch ein paar erste
Mißerfolge in einem Grenzgebiet von wohlerwogenen
unb in biesem Falle noch bazu mit mächtigen Bunbes-
genossen verabrebeten Plänen abbringen. Frankreich
hatte ungeheure Anstrengungen gemacht, um bie Zahl
seiner Streitkräfte auf eine Höhe zu bringen, bie im Hin¬
blick auf bie Bevölkerungsziffer bisher unerhört war.
Die ersten Nieberlagen, so empfinblich sie sein mochten,
hatten ben Kern ber zur Verteibigung bes Laubes bemt-
stehenben Truppen noch nicht berührt. Nach ber beut¬
schen Grenze hin fühlte man sich ausreichenb gesichert.
Wenn man sich bemüht, bie Dinge vom französischen
Stanbpunkt anzusehen, so war ferner anzunehmen, baß
Rußlanb, bas über eine so ungeheure Übermacht an
Menschen verfügte unb ben Krieg boch in bem Bewußt¬
sein, fertig zu sein, angefangen haben mußte, minbestens
imstanbe sein würbe, eine sehr beträchtliche Zahl ber
beutschen Truppen von bem westlichen Kriegsschauplatz
abzuziehen. Es ist also immerhin begreiflich, baß Frank¬
reich im Verein mit ben englischen Hilfstruppen bas
Gefühl sicherer Überlegenheit hatte. So orbnete ber
französische Oberkommanbierenbe, General Joffre, ben
Aufmarsch seiner Armeen Anfang September nach einem
neuen Plan, ber eine starke Offensive gegen bie von
Belgien her in norb-süblicher Richtung vorbringenben
Deutschen in bestimmte Aussicht nahm.