Volltext: 89. Heft 1914/16 (89. Heft 1914/16)

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Welche Rolle bei einem 
derartigen Angriff den 
Pionieren zufällt, möge 
an folgendem, der ersten 
Zeit des Krieges ange- 
hörendem Beispiel erörtert 
werden. 
Nach zweitägiger Be- 
fchießung des Forts *** 
durch schwere Mörser 
glaubte man das Werk 
soweit sturmreif gemacht 
zu haben, daß man den 
Angriff ansetzen könne. 
Der Kommandeur der 
den Sturmtruppen bei- 
gegebenen Pioniere war 
aber anderer Ansicht und 
erbot sich, bevor man zum 
Sturme schreiten würde, 
eine eingehende Erkun- 
dung vorzunehmen, die 
volle Klarheit über den 
Zustand des Werkes und 
der Hindernisse bringen 
solle. Er selbst ging also 
mit denvon Offizieren und 
Unteroffizieren geführten 
kleinen Erkundungstrupps 
in der Dämmerung vor. 
Die großen Drahthinder- 
nisse auf dem Glacis 
hatten nur unbedeutend 
gelitten, sie wurden unter 
Zuhilfenahme von Draht- 
scheren lautlos durch- 
krochen, bis man zum 
äußeren Grabenrand gelangte. Hier wurde festgestellt, 
daß das Drahthindernis auf der Grabensohle noch gänzlich 
unberührt sei, und daß die Grabenwehren noch nicht zer- 
stört und imstande waren, ihr verheerendes Flankenfeuer 
auf die Sturmkolonnen im Graben abzugeben. Die 
Wälle aber waren von Granaten durchwühlt und nur 
noch unförmliche Erdhaufen. Nach diefen Beobachtungen 
zogen sich die Erkundungstrupps, unhörbar wie sie an- 
geschlichen, wieder zurück. Jetzt ließ der Kommandeur 
als letzte Probe Schnellfeuer abgeben mit dem Ergebnis, 
daß dieses von der ganzen Besatzung sofort auf das 
heftigste erwidert wurde. Hierdurch war der Beweis 
erbracht, daß das Fort, trotz der Zerstörungen auf den 
Wällen und im Innern, noch fähig war, einen Sturm 
unter großen Verlusten abzuwehren, mithin in der Tat 
noch nicht „sturmreif" war. 
Mit diesem Ergebnis kam er zurück. Und nun setzte 
noch einmal vierundzwanzigstündiges Mörserfeuer ein. 
Pioniertrupps schlichen bei Dunkelheit vor, schnitten und 
hieben " Sturmgassen in die Hindernisse, warfen große 
Sprengladungen in die Drahthindernisse auf der Graben- 
sohle,und besonders gewandte und beherzte Leute brachten 
mächtige Ladungen gegen die Scharten der Flankierungs- 
anlagen und die anliegenden Mauern, zündeten, und 
unter großem Krachen ward alles ringsum ein Trümmer- 
Haufen, und die Schnell.feuergeschütze, die von dort die 
Sturmkolonnen niedermähen sollten, waren nur noch 
unförmliche Klumpen von Stahl und Eisen. — Die 
artilleristische Wirkung gegen das Fort wurde noch kurz 
Weißrussen aus dem Gouvernement Minsk. 
vor dem Sturm, als man 
begann, das Feuer hinter 
dasselbe zu verlegen, von 
den Pionieren mit ihren 
Minenw erf ern v erv oll- 
ständigt, die ihre schweren 
Sprengladungen verder- 
benbringend indas Innere 
des Werkes schleuderten. 
Nach gleichgestellten 
Uhren begann im Morgen- 
grauen der Sturm. An 
der Spitze der Sturmko- 
lonnen, auf diese verteilt, 
eilten Pioniertrupps mit 
Drahtscheren, Äxten, Bei- 
len, Sprengkörpern und 
Handgranaten. Ihnen folg- 
ten in zwei Staffeln die 
Sturml eit ertrupps. Das 
Herabstoßen der vorderen 
Leiterreihe in den Gra- 
ben, das Hinunterklettern, 
Aufnehmen und Hinüber- 
tragen der Leitern zur 
inneren Grabenwand war 
das Werk eines Augen- 
blicks. Die nachfolgende 
zweite Leiterstaffel blieb 
an der äußern Graben- 
wand stehen, und so- 
mit hatten die Pioniere 
binnen weniger Minuten 
der nachfolgenden In- 
fanterie den Weg ins 
Innere des Werkes ge- 
bahnt. — Zwar war es 
den Franzosen gelungen, noch Leute an die Feuer- 
linie zu werfen; aber im grausigen Nah- und Hand- 
granatenkampf wurden diefe zurückgeworfen und suchten 
in den Trümmern der Hohlräume Schutz. Es währte 
aber nicht lange, so hatten die Pionier-Spreng- 
trupps die letzten Mauern dieser Räume durchschlagen 
und durch die Löcher Brandröhren gesteckt, so daß 
die Besatzung elend erstickte. Auf dem höchsten Punkt 
des Walles aber wehte im frischen Morgenwind die 
deutsche Flagge! 
Auch wenn es gilt, Werke mit nassen Gräben im 
Sturm zu nehmen, sind die Pioniere die Erzwinger des 
Weges. Nach Überwindung der Drahthindernisse werden 
unter dem Schutz der Dunkelheit Schnellbrücken heran- 
geschleppt, d. h. schmale Stegglieder mit darunter be- 
festigten Tonnen oder sonstigen künstlichen oder erst für 
den Zweck hergestellten Schwimmkörpern. Lautlos wer- 
den sie über den Graben vorgeschoben, Glied an Glied 
gereiht, bis das jenseitige Ufer erreicht ist. 
Bei einem Werk vor Antwerpen mit breitem Wasser- 
graben gelang ein solcher Angriff, obwohl er dauernd 
unter feindlichem Feuer lag. Wenn auch mancher 
brave Pionier getroffen kopfüber ins Wasser stürzte, so 
sprang immer wieder ein neuer für ihn ein, und mit 
eiserner Ruhe und Disziplin gelang es, die Stege über 
das Wasser zu bringen. 
Der nun durch die Gassen im Drahthindernisse 
folgende Anlauf der Sturmtruppen flutete wie eine 
Sturzwelle über die von Pionieren gehaltenen Brücken
	        
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