Volltext: 86. Heft 1914/16 (86. Heft 1914/16)

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Eine Wolfsjagd im Gouvernement Minsk. 
(Aus einem Feldpostbrief.)' 
Der ortsübliche schneidende Ost hatte mich beim 
Durchwandern der Schützengräben ordentlich durchge- 
kühlt. Eben hatte ich mein warmes Stübchen, erreicht, 
da klingelte mich ein befreundeter Offizier des Stabes 
an: „Hier Division, es sind heute morgen vier Wölfe 
festgemacht, willst Du nicht mitmachen? Um 12% Stell¬ 
dichein am Vorwerk 93..." Zehn Minuten später saß 
ich im kleinen Jagdschlitten und fuhr gen Westen. Es 
waren wohl iy2 Meilen zu fahren, außerdem war auf 
der echt russischen Karte die genaue Lage des Vor- 
Werks nicht festzustellen. Als wir weit genug auf 
der großen Straße gefahren waren, setzte ich also 
Kurs auf diese „Gegend" ab, geräuschlos bog der 
Schlitten in den tief verschneiten dichten Wald ein. Da 
niemand weiter aus der vordersten Front an der Jagd 
teilnahm, mußte ich mich auf meine eigene Findigkeit 
verlassen, keine Schlittenspur führte nach dem einsam 
gelegenen, von einigen 
Panjefamilien bewohnten 
Gehöft, wo wir uns sam- 
meln sollten. Ich hatte 
Glück: von einer Waldblöße 
aus sah ich ein Scheunen- 
dach hinter einem Höhen- 
rücken auftauchen. Gleich 
bogen wir darauf los, und 
ich hatte mich nicht ge- 
täuscht. Noch war kein 
Jagdteilnehmer zu sehen, 
so setzte ich mich zu den 
Panjes in die Stube, 
um mich aufzuwärmen, 
nach dem im Osten üb- 
lichen Grundsatz: „Lieber 
warmer Muff, als kalter 
Ozon". Bald kam Schlitten nach Schlitten, die Jäger 
wickelten sich aus dicken Pelzen. Alles stapfte durch 
den tiefen, harten Schnee zum ersten Treiben. 
Der Deutsche kennt den Wolf meist nur aus „Rot- 
käppchen". Zu solch gefährlichem Raubtier entwickelt er 
sich aber nur, wenn die äußerste Not ihn dazu zwingt. 
Er ist vielmehr ein sehr scheuer und äußerst verschlagener 
Geselle, dem nur mit einem großen Aufgebot von Jägern 
und Treibern beizukommen ist. Verschiedene mit un- 
zureichenden Mitteln unternommene Fehljagden hatten 
uns das gezeigt. So war denn auch eine Treiberwehr 
von fast 100 Mann, Soldaten und ortskundige Einge- 
borene, aufgestellt, um das etwa 175 Morgen große, sehr 
dicht bestandene Waldstück, in denen die Wölfe bestätigt 
waren, zu treiben; wir Schützen standen am nördlichen 
Waldrand. Man konnte keine 15 Schritte weit hinein- 
sehen, meine einzige Hoffnung war, daß ich auf einen 
durch die Schützen brechenden Wolf auf dem freien Felde 
nach rückwärts zu Schuß kam. Auf ein Hornsignal 
hörte man die Treiber angehen, schreien und klappern. 
Ganz rechts fiel ein Schuß. Dann hörte man wieder 
den Treiberlärm durch die klare Winterluft. Langsam 
rückte er vorwärts und verstärkte sich ab und zu zu 
einem indianerähnlichen Geheul, ein deutliches Zeichen, 
daß das ersehnte Wild dicht vor den Treibern sein 
mußte. Immer näher kam der Lärm, da fielen links 
von mir in rascher Aufeinanderfolge wohl 20 Schuß. 
Also dort waren sie vorgekommen. — Als ich bei mir 
Englische und deutsche 
die Treiber herauskommen sah, trat ich etwas zurück 
und erblickte etwa 200 Schritt links von mir einen 
Wolf schwer krank den Berg hinauf gegen das Vorwerk 
zu ziehen, er trollte nur mühselig und verschwand schließ- 
lich über die Höhe, verfolgt von einigen Schlitten.' Mittler¬ 
weile traten überall dieTreiber aus den: Holz, und während 
wir uns noch über das mutmaßliche Ergebnis der Ver- 
folgung unterhielten, merkte man am Winken und 
Schreien, daß sie ihn „hatten". Zugleich kam von links 
ein Schlitten um die Waldecke; aus ihm hing der mächtige 
Kopf eines Wolfes. So hatten wir gleich beim ersten 
Treiben zwei Wölfe zur Strecke, ein glänzendes Ergebnis! 
Ein dritter war trotz aller Vorsicht durch die Treiber ge- 
brochen und nach rückwärts heraus. Leider verliefen die 
..weiteren Treiben nicht so ergiebig. Der stärkste Wolf 
hatte sich, durch das Schießen gewarnt, aus dem Staube 
gemacht; man konnte es an der ganz frischen Fährte 
deutlich sehen. Wie sich herausstellte, war er durch eine 
Anzahl Dickungen weiter gewechselt in die großen Wälder 
westlich von uns. Er schien üble Erfahrungen gesammelt 
zu haben. Aber ein Wolf 
kam noch vor. Leider > 
wieder nicht bei mir? Er 
steckte sich schwer krank 
geschossen in eine sehr 
dichte Schonung. Da das 
Wetter klar und ein Ver- 
schneien der Schweiß- 
fährte nicht zu fürchten 
war, ließ man ihn für 
heute in Ruhe. Der kurze 
Wintertag war auch schon 
in der Neige. Bei der 
Suche am nächsten Tage 
fand man den Wolf tot 
im Wundbett. Noch einen 
h erzlich en W aid mannsd ank 
Stellungen l.ci St. Eloi. an den erfahrenen Leiter 
der fesselnden Jagd, Rittmeister v. d. S3..., dann ging 
es im scharfen Trab dem schneidenden Ost entgegen nach 
„heimatlichen" Schützengräben. Incus. 
* * 
* 
Ilm die Sprengtrichter bei St. Eloi. 
(Aus einem Feldpostbrief.) 
Die deutschen Generalstabsberichte sind nach solda- 
tischer Art kurz und bündig. Nur was wesentlich ist für 
die gefamte Kampfhandlung, wird in ihnen aufgeführt, 
auf einzelne Kämpfe läßt fich der Bericht nicht ein. 
Wir waren daher stolz, als uns Anfang April 1916 
der Generalstabsbericht erwähnte. Es waren nur vier 
Sprengtrichter vor St. Eloi an der Straße nach Dpern 
und Hollebeke, die wir am 6. April den Engländern 
weggenommen hatten, aber der Tag war heiß. Der 
Feind selber konnte seine Bewunderung sür uns nicht 
verhehlen. Als die Gefangenen eingebracht wurden, 
fragten sie: „Ist hier preußische Garde?" Kanadier hatten 
uns gegenübergestanden, kräftige hübsche Kerle, glänzend 
ausgerüstet, denen die Entschlossenheit aus den Augen 
blitzte. Sie bewiesen in den solgenden Tagen, daß sie 
sich ihre Stellungen nicht ohne weiteres entreißen ließen. 
Bis zum 19. April machten sie sechs Gegenangrisse auf 
die Trichter, aber uns bekamen sie nicht wieder heraus. 
Nach diesem Tage habeu sie die Hoffnung, die vier 
Sprengtrichter vor St. Eloi wiederzukriegeu, aufgegeben. 
Sie haben sich zu sehr die Finger dran verbrannt. 
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