Volltext: 68. Heft 1914/16 (68. Heft 1914/16)

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Am die Vimy-Köhe. 
Diese Gegend mit den ineinandergeschachtelten 
Bergrücken könnte an unsern heimischen Schwarzwald 
erinnern; dieDörfer und Flecken in den tannenbeschirmten 
Tälern Haben einst nicht anders ihren friedlichen Rauch 
in die Höhe gesandt wie unsere Gebirgsstädtchen daheim. 
Doch jetzt ist Höllenfeuer über Hügeln und Wohn- 
statten entbrannt, Menschenleichen und Eisen decken die 
Felder, Blut färbt die Bäche, und wir stehen da als 
ein Wall mitten im Tode, damit das Unbeil nicht über 
euch komme im Vaterlande! 
Die große September- 
Oktoberschlacht des Jahres 1915 
raste sich hier im Umkreis der 
Lorettohöhe in wildester Wut 
aus. Der ganze Bergstock stand 
am Tage in Rauch, als wäre 
er zum Vulkan geworden und 
spie unterirdische Dämpfe aus. 
Nachts wandelte sich der Qualm 
in Feuer. Lichtgarben schössen 
um ihn herum, mächtige Funken 
wie von einer Riesenesse sprüh- 
ten in den Nachthimmel. Der 
linke Ausläufer der Lorettohöhe 
ist die Vimy-Höhe. Sie ist höher 
als die Loretto und beherrscht 
die Ebene von Lens. Unten zieht 
im Westen die Straße Arras— 
Neuville—SouchezundimOsten 
die Straße Arras—Vimy—- 
Lens vorüber. Die Namen ge- 
nügen. Sie sind mit Blut un- 
verwischbar in die Geschichte 
dieses Krieges geschrieben. Tod 
und Verderben haben ihren Sitz 
zwischen ihnen aufgeschlagen. 
Aber wir haben uns selbst an 
diese Gäste gewöhnt. Mit jedem 
Tage haben wir ihnen fester 
ins Antlitz geblickt. 
Wüste Schutthaufen sind 
heute Souchez, Givenchy, Vimy 
und die anderen Städte und 
Dörfer. Zwischen Givenchy uud 
Souchez hindurch über denSüd- 
rand der Vimy-Höhe zogen sich 
bei der großen Offensive unsere Stellungen. Punkt 140 
steht auf der Generalstabskarte. Wir waren nur ein 
Regiment Bayern und mußten der Hölle, die hier seit dem 
25. September auf uns niederfuhr, spotten. Wir taten's; 
taten's zweimal! Lieb Vaterland, magst ruhig sein! 
Tag und Racket, Nacht und Tag, Stunde um 
Stunde, keine Minute Ruhe, zischten Granaten aller 
Kaliber auf uns herab. Zuerst lagen die französischen 
Gräben nur 30 und 20 Meter von den unserigen. Wir 
haben ihre Besatzungen mit Minen und Handgranaten 
weitergetrieben. Da setzte ihre Artillerie ein. Ein Vor- 
hang von Geschossen senkte sich auf uns nieder. Unsere 
Gräben flogen auf, wie wenn ein Knabe eine Handvoll 
Sand hochwirft. Wir krochen auf dem Bauche durch- 
einander und schaufelten uns neu ein. Zersprengtes 
Eisen m Boden zerfetzte uns Fleisch und Kleider. 
Die Spaten stießen auf die Leiber verschütteter 
Kameraden. Um uns der Lärm der einhauenden und 
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platzenden Granaten. Keiner kann es sich erklären, wie er 
mit heilen Knochen hier herausgekommen ist. 
Am 10. Oktober entfesselte sich die Hölle zum 
zweiten Male. Am Nachmittage brach sie los, am 
nächsten Morgen um halb 7 beruhigte sie sich etwas. 
In der Zwischenzeit hätten wir zum Tier werden 
können. Besinnung, Nerven, Denken waren den 
Instinkten gewichen. Nur gedeckt sein vor den hagelnden 
Geschossen; auf dem Bauche liegen und graben, graben. 
Wenn sie jetzt kämen! Sie kamen nicht. Ihnen 
grauste es inmitten des Werkes ihrer Vernichtung. 
Eine halbe Stunde Pause. 
Es ist wie ein Wunder: unsere 
Gräben sind wieder in Ord- 
nun g gebracht. Unsere Posten 
stehen hinter ihren stählernen 
Schutzschilden. Meine Leute 
sind an ihrem Platz, fangen 
an zu singen, machen Witze. 
Sie wissen, daß es noch nicht 
zu Ende ist, sondern, daß das 
Schlimmste noch bevorsteht 
und kommen muß. 
Nach 7 Uhr morgens, am 
11.Oktober, saust, kracht, schrillt, 
haut, berstet es wieder herab. 
Immerzu, Stunde um Stunde, 
Minute um Minute, Sekunde 
um Sekunde. Es wird nicht 
schwächer, sondern stärker und 
wahnsinniger. In unserm Gra- 
ben ein Kamerad zog seine 
Uhr und begann nach dem Se- 
kuudenzeiger die Einschläge 
in nächster Nähe zu zählen. 
Der Sekundenzeiger kam nicht 
mit, denn er zählte 47 in einer 
halben Minute! Ich ging nach 
denPosten zusehen: sie standen. 
Sie sahen durch ihre schmalen 
Ritzen in Rauch und Dreck. 
Unsere Pioniere sind — draußen 
bei der Arbeit. Sie flicken 
inmitten des speienden Feuer- 
racheus die Leitungen zum 
Gefechtsstand, die dreimal von 
den Granaten zerrissen worden 
waren... 
Nach zehn Stunden, um 5 Uhr nachmittags, war das 
Feuer wie abgehackt. Jetzt mußten sie kommen. Wir 
machen durch Schmutz und Sand wilde Anstrengungen, 
um an unserm Platz zu sein. Drüben tauchen die Bajonette 
der Franzosen aus den Gräben hervor. Jetzt sind sie 
draußen, und ein Hagel von Kugeln und Granaten deckt 
sie derartig zu, daß sie sich wieder in ihre Gräben ver- 
kriechen. Da geschieht etwas Unheimliches. Die fran- 
zöfische Artillerie feuert in ihre eigenen Bataillone, um 
sie zum Sturm vorzutreiben! Das ist Tatsache und mit 
noch so hohen Tönen nicht wegzuleugnen. 
Nur kleine Abteilungen drangen vor. 
Granatmulde oder einem halbverschütteten Graben setzten 
sie sich fest, aber nach kurzem Kampf sind sie mit unseren 
Handgranaten herausgetrieben. Was sonst heranflutete, 
' ging in unserm Maschinengewehrfeuer unter. In ändert- 
halb Stunden war der tagelang mit wüster Wild- 
heit und Munitionsverschwendung vorbereitete Angriff 
Phot. Berliner Jllustr.-Ges. 
Österreichische Sanitätsautokolonnen begeben sich zur 
südöstlichen Front. 
In einer
	        
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