Volltext: 68. Heft 1914/16 (68. Heft 1914/16)

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kündigte den Vertrag. Schl'eßlich ahnte man auch in 
Paris und London, wie die Dinge wirklich standen. Kein 
Wunder, daß die Pläne des Vierverbandes einen Augen- 
blick ins Schwanken gerieten. Die Truppentransporte 
nach Saloniki hörten für einige 
Tage auf, und man überlegte sich, 
ob es nicht doch ratfamer fei, das 
Abenteuer fallen zu lassen. Und 
das waren gerade die kritischen 
Tage, in denen Belgrad genom- 
men wurde und die ersten Schläge 
auf die serbische Armee hernieder- 
fielen. Unter diesem Eindruck sah 
sich der englische Premierminister, 
durch erregte Anfragen im Par- 
lament bedrängt, genötigt, zu er- 
klären, daß mit der versprochenen 
Unterstützung Serbiens nur eine 
„politische", nicht eine militärische 
Hilfe gemeint gewesen sei. Ser- 
bien erfuhr also in dieser seiner 
schlimmsten Notlage, daß es von 
England wenigstens nichts zu er- 
warten hatte. Das bedeutete zu- 
gleich, daß auch die französische 
Hilfe, soweit auf fie unter solchen 
Umständen überhaupt zu rechnen 
war, wahrscheinlich zu spät kom- 
men werde. Auch auf Italien * 
konnte Serbien sich nicht verlassen; 
da es doch nur zu gut wußte, daß 
Italien seinen sehnlichsten Wünschen, dem Wunsch nach 
Küstenbesitz an der Adria und der Vorherrschaft des ser- 
bischen Slawentums an der ganzen Ostküste der Adria 
— auch in Albanien — feindselig gegenüberstand und nur 
durch die Feindschaft gegen Österreich-Ungarn und die 
Abhängigkeit von England zu einem zufälligen Bundes- 
genossen Serbiens geworden war. Serbien sah sich also, 
als es von zwei Seiten bedroht wurde, von allen denen, 
die sich seine Bundesgenossen nannten, verlassen, auch 
von Rußland. 
Von die- 
ser Macht war 
Serbien zuerst 
in den Krieg 
hineingehetzt 
worden. Die 
Hoffnung auf 
Unterstützung 
von dieser Sei- 
te war also be- 
sonders berech- 
tigt. Daß auch 
diese Hilfe aus- 
blieb, lag frei- 
lich weniger 
am Nichtwol- 
Zen als am 
Nichtkönnen. 
Rußland ver- 
suchte es noch 
einmal mit ei- 
nem Mittel, 
dessen Wir- 
kuugslosigkeit 
es sich vorher- 
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General Schekow, 
Oberbefehlshaber der bulgarischen Armee. 
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sagen konnte. Man sprengte das Gerücht aus, Rußland 
habe bei Odessa und noch näher an der rumänischen 
Grenze eine große Truppenmacht versammelt und beab- 
sichtige, wenn Rumänien nicht gutwillig seinen Anschluß 
an den Vierverband erkläre, ein- 
fach durch rumänisches Gebiet zu 
marschieren und Bulgarien direkt 
auf dem Landwege anzugreifen. 
Diese Absicht wurde zwar amtlich 
in bestimmtester Form abgeleugnet 
— das konnte man um so eher 
tun, als man sich der Hoffnung 
hingab, daß schon die öffentliche 
Besprechung dieser Möglichkeit 
eine gewisse Wirkung haben und 
einen Druck auf die Stimmung in 
Rumänien ausüben werde —, aber 
die Nachricht von den Truppen^ 
Versammlungen in der Nähe der 
unteren Donau ließ man weiter 
ihren Weg nehmen. Es mag da- 
hingestellt bleiben, ob man damit 
vor allem auf Rumänien wirken 
oder Bulgarien einschüchtern oder 
England und Frankreich zur Fort- 
setzungdes Saloniki-Unternehmens 
ermutigen wollte; es wirkten wohl 
alle drei Beweggründe mit. In 
jedem Falle bedeutete das alles 
nur einen „Bluff". Die Truppen- 
macht im Gouvernement Odessa 
und im südlichen Beßarabien, von der die geschäftigen 
Zeitungsmeldungen zu erzählen wußten, war gar nicht 
vorhanden, oder doch nicht in einer Stärke, die sie zu 
einer so weitreichenden Offensive befähigt hätte. Aber 
da die Sache einmal an vielen Stellen Glauben gefunden 
hatte — nur nicht da, wo dieser Glaube vor allem ein- 
schüchternd wirken sollte! —, so wurde die übernommene 
Rolle weitergespielt, und es wurde mit großer Betonung 
in alle Welt hinaus gemeldet, als im Laufe dieser Ko- 
mödie auch der 
Kaiser Niko- 
laus in Reni, 
der russischen 
Grenzstadt an 
der unterem 
Donau, ein- 
traf, umTrup- 
penbesichtigun- 
gen vorzuneh- 
men. Wir und. 
unsereVerbün- 
deten haben 
uns dadurch 
nicht stören las- 
sen, und der 
weitere Ver- 
lauf der Ereig- 
nisse zeigte,daß 
wir recht hat- 
ten. Rußland 
mußte auf der 
Balkan- 
Halbinsel dem 
Schicksal seinen 
Lauf lassen. 
Pyvr. Beruner 
Bulgarische Gebirgs-Artillerie auf dem Marsche.
	        
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