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Bereen. Foro-Buceaux, Amsterdam.
Der Krieg im Schnee: Posten in den verschneiten Barrikaden bei Dixmuiden.
Der Krieg im Schnee.
Wenn der Herbst zu Ende ist, hat der Feldsoldat noch
einen neuen Feind zu bekämpfen — den Winter. Die
Heere des achtzehnten Jahrhunderts, beispielsweise die¬
jenigen Friedrichs des Großen, suchten vor dem mit
Schnee, Eis und Kälte kämpfenden Gegner Schutz in
befestigten Orten, wo vorforglich große Magazine mit
Lebensrnitteln und Kriegsbedarf angelegt waren, und
sie ruhten dort fo lange, bis der Eintritt milderer Witte¬
rung eine Wiederaufnahme der Operationen gestattete.
Sie waren zu solcher Unterbrechung gezwungen, weil im
Winter die Ernährung eines weit von der Heimat mar¬
schierenden und kämpfenden Heeres durch die Ergebnis¬
losigkeit der Requisitionen, den Stillstand der Flußschiff¬
fahrt, die Mangelhaftigkeit der nur aus Roß und Wagen
bestehenden Verkehrsmittel und den erbärmlichen Zu¬
stand der meisten Landstraßen unmöglich gemacht wurde.
Anders in der Zeit der Wunder moderner Technik
— sie haben die Kriegsführung bis zu einem gewissen
Grade sowohl von Raum und Zeit, als auch vom Winter
unabhängig gemacht. Das gilt schon für den Feldzug
1870/71. Der damals besonders strenge Winter wurde
nicht allein überwunden durch den Heroismus unserer
Truppen, sondern auch durch die Hilfe der Telegraphen
und Eisenbahnen, die mit der Schnelligkeit des elek¬
trischen Funkens herbeiriefen und mit der Kraft des
Dampfes herbeischafften, was zum Leben der Mann¬
schaften und zur Ergänzung der Kriegsrüstung notwendig
war. Den genügenden Beweis haben die erfolgreiche
Zernierung von Paris mit ihren begleitenden blutigen
Kämpfen und unsere Siege im Norden, Westen und
Süd osten Frankreichs erbracht. Seitdem sind in Fülle
neue Hilfsmittel gegen des Winters rauhe Gewalt er¬
standen. Sie alle helfen, mag es nun das mit wärmenden
Liebesgaben heransausende Auto oder die im winter¬
lichen Dunkel des gedeckten Schützengrabens hell anf-
flammende elektrische Taschenlampe sein, braven Feld¬
soldaten das Leben während des Winters zu ertragen.
Aber aufgegeben hat der grimme Gesell den Kampf
nicht — er läßt nach wie vor die Schneeflocken in tollem
Spiel zur Erde wirbeln, die Gewässer zu Eis erstarren
und dazu den Boreas den wilden Schlachtgesang
brausen. • Überall, wo er es vermag, sucht er störend ein¬
zugreifen — Schienengleise, Straßen, Pässe, Wald und
Gebirge zu sperren, Tunneleingänge zu verschütten,
Telegraphenstangen zu stürzen, Leitungsdrähte zu zer¬
stören, Wege- und Merkzeichen zu verdecken, Eisschollen
zerschmetternd gegen die Joche der Brücke zu treiben, das
Ausheben der Schützengräben und Parallelen und das
Bauen von Batterien zu erschweren und Mann und Roß
zu peinigen. Der Train bleibt im Schnee stecken, die
schweren Geschütze kommen nicht vorwärts, die Muni¬
tionskolonnen bleiben liegen, die Pferde brechen in die
Schneedecke des Straßengrabens ein, und den mar¬
schierenden Mannschaften bleibt der hart gewordene
Schnee in dicken Klumpen an den Stiefeln hängen.
Welcher Waffengattung der Soldat auch angehört, mag
er Infanterist, Kavallerist, Artillerist, Pionier, Eisen¬
bahner, Telegraphist, Telephonist oder Flieger sein, er
hat ein gut Teil seiltet Kräfte einzusetzen, um all die
Tücken des schlimmen Gesellen unwirksam zu machen.
Der Krieg 1914. II