Volltext: 6. Heft 1914 (6. Heft 1914)

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Die Grenze zwischen Bosnien und dem Königreich 
Serbien folgt fast auf der ganzen Strecke dem Lauf der 
Drina, eines südlichen Nebenflusses der Save. Dieser 
letztere Fluß beschreibt zwischen der Einmündung der 
Drina, der Stadt Mitrowitz und der Stadt Schabatz 
(Sabac) einen großen Bogen, der mit der unteren 
Drina eine weit in das österreichisch-ungarische Gebiet 
vorspringende, fruchtbare, zum Teil sumpfige Ebene, 
die Matschva (Macva), umschließt. Hier, in der äußer¬ 
sten Nordwestecke ihres Landes, rüsteten sich die Serben 
zum hartnäckigsten Widerstand, bei dem es auch an ver¬ 
wegenen Versuchen, den Krieg auf feindliches Gebiet 
hinüberzutragen, nicht fehlen sollte. Die ersten Augusttage 
waren zunächst der Mobilmachung und dem Aufmarsch 
gewidmet; es wurde nur dafür gesorgt, daß nicht etwa 
wichtige Grenzorte in die Hand der Serben fielen. 
Der Versuch wurde von den Serben bei Vardiste und 
Itvatz gemacht. Es sind dies die Endpunkte einer Klein¬ 
bahn, die von Serajewo nach Osten geführt ist und sich 
an der Einmündung des Lim in die Drina in zwei Strecken 
gabelt, von denen die eine zuerst an der Drina abwärts, 
bis Vischegrad und von dort bis zu dem genannten Grenz¬ 
ort Vardiste, die andere den Lim aufwärts an die Grenze 
des ehemaligen Sandschaks Novibazar über Ritdo nach 
Uvatz führt. An beiden Endpunkten der Bahn scheiterte 
der serbische Handstreich an der Wachsamkeit der öster- 
reichisch-ungarischen Grenztruppen. Das war wichtig, 
denn auf der andern Seite der Grenze, bei Vardiste, liegt 
der Ort Mokragora, von wo eine Hauptstraße nach Uschitze, 
dem Endpunkt der serbischen Morawatalbahn, führt. 
Hier befindet sich also einer der Hauptverkehrswege in 
das Innere Serbiens. 
Noch ehe die eigentlichen Kriegsoperationen be¬ 
gannen, hatte schon Montenegro aus seiner Kriegs¬ 
erklärung die Folgen gezogen. Vor allem auf Erweite¬ 
rung seines Gebietes bedacht, glaubte es ein Stück der 
Herzegowina durch Überrumpelung der anscheinend un¬ 
vorbereiteten Österreicher gewinnen zu können. Allein 
der schon in der Nacht vom 5. auf den 6. August unter¬ 
nommene Angriff der Montenegriner auf Trebinje 
scheiterte gänzlich. Die Grenztruppen kannten ihre Leute 
und waren auf der Hut. Auch ein wenige Tage später 
gewagter neuer Versuch, die Grenze der Herzegowina an 
einer anderen Stelle zu überschreiten, verlief für die 
Montenegriner ebenso unglücklich. 
Am 14. August waren alle Maßnahmen des öster¬ 
reichischen Oberkommandos so weit beendet, daß zum 
Angriff geschritten werden konnte. Und nun rückten die 
Truppen an verschiedenen Punkten der Grenze in Serbien 
ein. Die untere Drina wurde an zwei Punkten, bei Loz- 
nitza und Leschnitza, überschritten. Aber die Serben hatten 
inzwischen gleichfalls eine außerordentliche Energie ent¬ 
wickelt. Sie hatten starke Kräfte an den gefährdeten 
Punkten versammelt, und so kam es sogleich nach dem 
Einrücken der Österreicher bei den genannten Orten zu 
einem hartnäckigen Kampfe. Die Serben leisteten mit 
außerordentlicher Tapferkeit Widerstand, aber das todes¬ 
mutige Draufgehen der österreichisch-ungarischen ' Regi¬ 
menter. erzwang den Sieg. Die.größte Ehre des Tages 
fiel den tapferen Kroaten des Warasdiner Regiments 
zu, wie die Siegesmeldung ausdrücklich hervorhob; es 
waren also Sprach- und Blutsverwandte der Serben, 
die nach der Meinung ihrer Stammesbrüder gleichfalls 
mit dem Großserbentum beglückt werden sollten, aber 
nun in bewährter Treue den Ruhm ihrer alten Fahnen 
vermehren halfen. Die Serben freilich gaben ihre Sache 
noch nicht verloren; in der Nacht suchten sie ihre alten 
Stellungen an der Drina wieder zu gewinnen. Es war 
vergeblich. Auch der heiße Kampf, der noch am 16. aus¬ 
gesuchten wurde — auf österreichisch-ungarischer Seite 
mit äußerstem Ungestüm und wahrer Todesverachtung, 
auf serbischer mit ungeheurer Zähigkeit und wildem Fana¬ 
tismus —, besiegelte in seinem Ausgang nur das Schicksal 
der Serben. Geschlagen flutete die serbische Truppen¬ 
macht, darunter die als Elite geltende Drina-Division, 
auf Valjevo zurück. Da am 14. abends auch Schabatz 
besetzt worden war, ,fo hatten die Österreicher im nord¬ 
westlichen Teil Serbiens einen vollen Erfolg. 
Am 6. August erklärte, wie erwähnt, Österreich- 
Ungarn an Rußland den Krieg. Begründet wurde dieser 
Schritt mit der drohenden Haltung Rußlands im Kon¬ 
flikt mit Serbien, sowie damit, daß Rußland Deutsch¬ 
land bereits tatsächlich angegriffen hatte, für Österreich- 
Ungarn daher der Bündnisfall gegeben war. Zugleich 
erließ Kaiser Franz Josef folgenden Armee- und Flotten¬ 
befehl: 
„Mit Begeisterung eilen die Wehrpflichtigen aller 
Meiner Völker zur Fahne und Flagge, früher als er¬ 
wartet erreichen die Streitkräfte den Kriegsstand. Jeder 
Meiner braven Soldaten weiß, daß wir haßerfüllte An¬ 
griffe abzuwehren haben und im Verein mit unserem 
ruhmvollen Verbündeten für eine gerechte Sache streiten. 
Ein festes Band der Treue zu Eurem Obersten Kriegs¬ 
herrn, zum Vaterlande umschließt Euch. Ihr, meine 
Braven, geht mit Zuversicht den schweren Kämpfen, die 
Euch bevorstehen, entgegen. Gedenket Eurer Väter, die 
in ungezählten Kämpfen und Stürmen die Fahnen 
hochgehalten, die Flagge zum siegreichen Kampfe ge¬ 
führt haben. Eifert ihnen nach in Tapferkeit und Aus¬ 
dauer! Zeiget den Feinden, was Meine von heißer 
Vaterlandsliebe erfüllten, einig zueinander stehenden 
Völker zu leisten vermögen! Gott segne Euch, Meine 
wackeren Krieger, er führe Euch zu Sieg und Ruhm!" 
Schon am folgenden Tage überschritten öster¬ 
reichisch-ungarische Truppen die russische Grenze. Auch 
unser Bundesgenosse befolgte — wie selbstverständlich — 
die seit dem Russisch-Japanischen Kriege allgemein gel¬ 
tenden Grundsätze, wonach Gliederung und Zu¬ 
sammensetzung der Armeen sorgfältig geheim gehalten 
wurden. Auch hier erfuhr man die Namen einzelner 
Führer erst im Laufe der Kriegsoperationen. Nur so 
viel war bekannt, daß Erzherzog Friedrich, der Nach¬ 
folger des ermordeten Erzherzogs Franz Ferdinand als 
Generalinspektor der gesamten österreichischen und un¬ 
garischen Streitmacht, mit der Stellung des Armee¬ 
oberkommandanten betraut worden war, und daß die 
Leitung des Generalstabes wie bisher in der Hand des 
Generals der Infanterie Freiherrn Conrad von Hötzen- 
dorf lag. Es war natürlich dafür gesorgt worden, daß 
der Kriegsplan der verbündeten Heere in voller Überein¬ 
stimmung aufgestellt und ihr Zusammenwirken sowie 
eine möglichst baldige Fühlungnahme zwischen ihnen 
sichergestellt wurde. Man erfuhr, daß Rußland auf dem 
(linken Weichselufer in Polen keine stärkeren Kräfte zur 
’ Verfügung hatte, diese vielmehr hinter der Weichsel 
zurückhielt. Es hatte sich daraus sogar das Gerücht ent¬ 
wickelt, daß Warschau von den Russen gänzlich auf¬ 
gegeben worden sei, und daraus wurden hier und da 
übereilte Schlüsse auf die Bereitwilligkeit der Polen 
gezogen, das russische Joch abzuschütteln. Das gab in 
Galizien den Anstoß zu einer starken Bewegung und zur 
Bildung der sogenannten „polnischen Jungschützenkorps".
	        
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