Volltext: 57. Heft 1914/15 (57. Heft 1914/15)

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wie er Wohl in keinem Lande so besteht. Der Jüngling 
von 16 Jahren wie der Greis gehören dieser durch die 
Regierung unterstützten Schützengcsellschaft an, und früh 
lernt der junge Mann, k.aum den Kinderschuhen ent¬ 
wachsen, die Waffe führen. Diese Standschützen wurden 
mit in erster Linie zur Verteidigung der Heimat heran¬ 
gezogen und bewährten sich alsbald in hervorragender 
Weise. Sie erwiesen sich den besten italienischen Alpen¬ 
truppen als ebenbürtig, wenn nicht als überlegen. 
Der italienische Soldat zeigte sich im allgemeinen 
als kein zu verachtender Gegner, wenn auch im einzelnen 
das Urteil über ihn sehr verschieden lautete. Manche 
wollten ihm Zähigkeit im Kampf wie im Ertragen von 
Strapazen absprechen, andre berichteten, d.aß er starkem 
Wcgsperre in -en Tiroler Bergen^ 
Artilleriefeuer oder dem Handgemenge nicht standhalte. 
Die immer wieder erneuten Anstürme gegen manche 
Stellen der österreichisch-ungarischen Front und unter 
den blutigsten Verlusten bewiesen jedenfalls, daß bte 
italienischen Soldaten sich mit großer Tapferkeit zu 
schlagen wußten, wo es darauf ankam. Zudem hatte man 
in Italien Zeit gehabt, sich auf die kriegerischen Ereignisse 
vorzubereiten und alle vorhandenen Mängel zu be¬ 
seitigen. Neun Monate des Weltkrieges waren schon 
verflossen, als es die Feindseligkeiten begann. Damals, 
zu Anfang, stand noch ein Drittel des Heeres in Libyen 
(Tripolis), das Italien einige Jahre vorher der Türkei 
abgenommen hatte. Waffen und Ausrüstung waren 
stark verbraucht, es mangelte an Munition, Geld war 
auch nicht vorhanden, die Schiffe waren reparaturbe¬ 
dürftig. Neue Einrichtungen im Heere mußten erst noch 
erprobt werden, die Luftschiffahrt stand nicht auf der 
Höhe. Man behielt die ausgedienten Jahrgänge bei 
den Fahnen und berief die Reserven ein. Die Auf¬ 
stellung der Mobilmiliz (Landwehr) und Territorial¬ 
miliz (Landsturm) wurde in die Wege geleitet. So hatte 
Italien, als es in den Weltkrieg eintrat, sehr bald ein 
Heer von über einer Million versammelt. Und darüber 
hinaus standen ihm Menschenkräfte bis über drei Mil¬ 
lionen zur Verfügung. Der Flotte wurde Tüchtigkeit 
nachgerühmt. Daß sie an Unternehmungsgeist der öster¬ 
reichisch-ungarischen nachstand, haben jedenfalls zur Ge¬ 
nüge die ersten Kriegsmonate bewiesen. 
Diesem Feinde hatte Österreich-Ungarn allein stand¬ 
zuhalten. Es konnte einstweilen nicht daran denken, 
auch nach dieser Seite offensiv vorzugehen, mußte sich 
vielmehr auf die Verteidigung beschränken. Die ge¬ 
gebene Verteidigungsstellung befand sich auf den land¬ 
einwärts gelegenen^ Höhen und in deren Befestigungen. 
Sowohl Österreich wie Italien haben im Frieden ihr 
Befestigungssystem gründlich ausgebaut. Besonders seit 
Beginn des Jahrhunderts hatte man gegenseitig gewett- 
eifert — trotz des Bundesverhältnisses —,. die Grenzen 
durch neue Festungs¬ 
anlagen zu schützen. 
Italien machte Ve¬ 
rona zu einer großen 
Lagerfestung. Hier 
konnten bedeutende 
Truppenmassen ver¬ 
sammelt werden, um 
je nach Bedarf zur 
Verteidigung oder 
zum Angriff gegen 
Südtirol verwendet 
zu werden. Neue 
vorgeschobene Forts 
umgeben die Stadt. 
Sperranlagen schüt¬ 
zen alle Paßstraßen, 
die ins Etsch- und 
Pustertal führen. So 
bei Bormio am Stilf- 
ser Joch, so bei Ponte 
di Legno nördlich 
des Tonalepasses, bei 
Edolo zur Sperrung 
des Ogliotales, in 
den Tälern des Astico, 
der Brenta, des Pia¬ 
ve, desTagliamento. 
Für die Ostgrenze war weniger getan, doch hatte man 
die fahrbaren Wege aus dem Jsonzotale durch verschiedene 
Werke und Brückenköpfe zu sichern versucht. Als moderne 
Festung hat neuerdings auch Venedig zu gelten, an der 
Küste wie auch dem Lande zu. Der Kriegshafen hat 
neue, starke Küstenbatterien erhalten. Schwerste Ge¬ 
schütze verteidigen die Einfahrten. Im Süden der Halb¬ 
insel ist Brindisi modern ausgebaut worden. Dazwischen 
hat Ancona als Waffen- und Festungsplatz Bedeutung. 
Die Hauptkriegshäfen sind Venedig, Spezia und Tarent. 
Auch die Küste von Messina ist durch starke Befestigungen 
gesichert. Venedig, auch als Unterseeboot- und Wasser¬ 
flugzeugstation wichtig, hat seine besondere Bedeutung 
durch seine Lage in der Nähe des österreichischen Haupt¬ 
kriegshafens Polet an der istrischen Südspitze. 
Die österreichisch-ungarische Wehrmacht stand an der 
Grenze, entschlossen des Angriffs gewärtig. Daß ein 
Angriff in breiter Front nur an der Jsonzoebene möglich 
war, darüber war man fich drüben klar. Alle andren 
Stellen erlaubten neben Artilleriekampf nur das Vor¬ 
gehen kleinerer Truppenkörper. So war die Verteidigung 
in verhältnismäßig günstiger Lage. Andrerseits er¬ 
forderte sie dennoch höchste Spannkraft und Selbstver¬ 
leugnung, da mit dem Einsetzen der gesamten italienischen 
Phot. Az Est, Budapest.
	        
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