Volltext: 36. Heft 1914/15 (36. Heft 1914/15)

Phot. R. Senn ecke, Berlin, 
einer französischen Ortschaft. 
Granaten, schlossen die Gruppen auf. Die Zugführer 
meldeten die Züge zur Stelle. Man durfte aufatmen; 
ohne Verluste hatte man sich dem Feinde entzogen. 
Als wenige Kilometer zwischen uns und dem Feinde 
lagen, gab ich das Singen frei. Und unter dem fahlen 
Schimmer der Leuchtkugeln zog die Kompagnie fröhlich 
ihre Straße. Die Wolken verzogen sich, ein sternklarer 
Himmel kam zum Vorschein, der sich durch Stern¬ 
schnuppen und glänzende Meteore an dem allgemeinen 
Feuerwerk beteiligte, das allabendlich vom Meer bis zur 
Schweizer Grenze den eisernen Wall der Gegner erhellt. 
So zogen wir in N.... ein. Es war 2 Uhr morgens. 
Die Quartiermacher wiesen jedem Zuge seine Häuser 
an. Mit der selbstverständlichen Sicherheit des Siegers 
nahm man von Haus und Hof Besitz, ohne sich um die 
Bekanntmachung einer Verfügung -es deutschen Kommandanten in 
schlafenden Bewohner zu kümmern. In Kamin und 
Ofen brannte das Feuer, auf dem Herd kochte der Kaffee. 
Kaum aber lag die Kompagnie im tiefen Schlaf- 
als das Alarmsignal die Truppen wieder auf die Appell, 
Plätze rief. Eine Stunde später fuhr bereits das erste 
Bataillon in endlos langem Militärzüge zu neuen 
Kämpfen auf einen anderen Teil des Kriegsschauplatzes. 
Es gibt im Felde keine Nachtruhe. Bei Tage kämpfen, 
bei Nacht marschieren; der Schlaf muß auf die spärlichen 
Ruhetage verteilt werden. 
* * 
Übergang der Armee Linsingen über den Dnjestr 
bei Zurawno am 6. Juni 1915. 
Zur vollen Würdigung der Kämpfe um den Dnjestr- 
Abfchuitt (siehe Karte S. 172/173) ist ein kurzer Rück¬ 
blick erforderlich. Als die ersten sechs Wochen des Krieges 
verstrichen waren, d. h. gegen Mitte September 1914, 
konnte man nicht mehr daran zweifeln, daß die bedeu¬ 
tungsvollsten Operationen auf dem Südflügel unserer 
östlichen Front zu erwarten waren, also in Galizien. 
Die Österreicher und Ungarn wurden allmählich, tapfer 
kämpfend und jeden Fuß breit Bodens verteidigend, 
von der gewaltigen russischen Überlegenheit bis an den 
Karpathenkamm zurückgedrängt. Galizien war die feit 
vielen Jahren von den Russen in Aussicht genommene 
Einbruchsstelle in die Donaumonarchie. Militärische, 
politische und wirtschaftliche Gründe führten ebenso zu 
diesem Feldzugsplane und den umfangreichen Kriegs¬ 
vorbereitungen, wie die Rücksicht auf die Nationalität 
der Landesbewohner, die vorwiegend Polen und Ru¬ 
th enen sind. 
Die Eindringlinge haben das Winterhalbjahr dazu 
benutzt, um Galizien gleichsam in eine einzige riesen¬ 
hafte Festung zu verwandeln, bestehend aus zahllosen 
Parallel- und Flankenstellungen, sowie Brückenköpfen. 
Die ganze staunenswerte Energie der großfürstlichen 
Heeresleitung und die Meisterschaft der Russen in der 
Anlage von Befestigungen 
habenzusammengewirkt, um 
das denkbar Beste in dieser 
Beziehung zu schaffen. 
Die wichtigsten Flu߬ 
abschnitte bilden der San 
gegen Westen und der Dnjestr 
gegen Süden. An diesen 
beiden Linien sollte eine 
deutsch - österreichisch - unga¬ 
rische Offensive den hart¬ 
näckigsten Widerstand finden. 
Schon die Natur macht die 
beiden Flüsse zu wichtigen 
Hindernissen; ein Überschrei¬ 
ten des Dnjestr wird an 
vielenStellen durch umfang- 
reicheSümpfe erschwert, und 
die blutigen Kämpfe der 
letzten Wochen haben gezeigt, 
welche gewaltigenSchwierig- 
teitert sich den verbündeten 
Truppen an diesem Abschnitt 
entgegenstellen, namentlich 
im Bereich der Armee 
Linsingen. Nach den erfolg¬ 
reichen Kämpfen bei Stryi 
in den ersten Junitagen 
gelang es dieser Armee, nordöstlich Stryi den Fluß 
gleichen Namens zu überschreiten und den Feind auf 
Kalusz (südöstlich Stryi) und Zurawno am Dnjestr 
(östlich Stryi) zurückzuwerfen. In unermüdlichem An¬ 
griff stürmten die unter dem Befehl des Generals von 
Linsingen stehenden verbündeten Streitkräfte (deutsche 
und österreichisch-ungarische Truppen) weiter vor, er¬ 
oberten am 5. Juni in mutigem, unwiderstehlichem An¬ 
sturm den zäh verteidigten Brückenkopf bei Zurawno, 
schlugen den Feind nördlich Kalusz in die Flucht und 
besetzten diesen Ort am selben Tage. Am 6. Juni 
wurde unter fortwährenden Kämpfen ttnd großen 
Schwierigkeiten der Dnjestr bei Zurawno überschritten 
und der sich immer wieder festsetzende und nur nach 
hartem Streite weichende Feind von den Höhen auf 
dem nordöstlichen Ufer vertrieben. Die Beute dieser 
Kämpfe bestand in 13 000 Gefangenen, bedeutendem 
Geschütz- und Munitionsmaterial. 
Mit der Erzwingung des Überganges über den 
Dnjestr in seiner ganzen Länge ist das bedeutendste Hinder¬ 
nis innerhalb des galizischen Befestigungssystems über¬ 
wunden, das beispielsweise viel gewaltiger ist als die 
Erdwerke um Lemberg. A. H.
	        
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