Volltext: 217. Heft 1914/18 (217. Heft 1914/18)

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Auch die Artillerie sah sich zu immer stärkerem 
Munitionsverbrauch gezwungen. Ständig nahm die 
Zahl der Geschütze zu. Die Taktik brachte mit sich eine 
besondere Verwendung von Gasgranaten. Riesig ver¬ 
mehrt, entsprechend dem Anwachsen der Flugzeuge, 
wurden die Flaks-Fliegerabwehrkanonen, deren Feuer¬ 
geschwindigkeit aufs höchste gesteigert, was entsprechend 
Geschoßmehrverbrauch zur Folge hatte. Die jüngste Taktik 
teilte den Truppen der vorderen Zone besondere Be¬ 
gleit- und Abwehrbatterien und Einzelgeschütze zur 
Tankbekämpsuug zu. Da gerade die Tanks und die 
tiefgegliederten Menschenwellen des Angreifers mit 
größter Geschwindigkeit gefaßt werden mußten, so war 
auch hier ein Mehraufwand an Geschossen unerläßlich. 
Entsprechend entstanden in der Heimat neue riesige 
Geschoßfabriken, die bis zur äußersten Grenze mensch¬ 
licher Leistungsfähigkeit arbeiteten und der deutschen 
Frau eine entscheidende Rolle im Existenzkampf des 
deutschen Volkes zuwiesen. 
Eine gewaltige Steigerung der Munition trat auch 
mit Vermehrung der Minenwerferwaffe ein. Nicht 
wurde die Zahl der Minenwerferkompagnien mit 
schweren und mittleren Werfern erhöht, wurden neue 
geschlossene Minenwerferbataillone gebildet, sondern vor 
allem wurde die Infanterie mit dem leichten Minen¬ 
werfer ausgerüstet, dem idealen Schnellfeuergeschütz für 
nahe Entfernungen. Die Feuergeschwindigkeit der 
leichten Minenwerfer steigerte man bis zur Abgabe von 
36 Schuß leichter Wurfminen in der Minute. Man kann 
sich denken, welch ungeheure Menge von solchen Minen 
allein in einem Regimentsabschnitt lagerten, wenn man 
hört, daß jedes Regiment zwölf leichte Minenwerfer zur 
Verfügung hatte, die mindestens 200 Schuß laufende 
Munition neben sich liegen und entsprechende Depots 
vielfach gestaffelt zum Nachschub hinter sich hatten. 
Um einen Begriff vom Munitionsverbrauch dieser 
Waffe zu geben, sei nach ungefährer Schätzung des Nach- 
schubosfiziers eines Großkampfregiments aus den Durch¬ 
bruchskämpfen am Damenweg im Oktober 1917 fol¬ 
gende Übersicht angeführt: 
2 Minenwerferkompagnien im 
Bereich des Regiments Ab¬ 
wehrfeuer von 4—6 Uhr 
morgens 800 mittlere Mitten, 
die 3 Regiments-Minenwerfer¬ 
kompagnien (leichte) in, 
der gleichen Zeit .... 2400 leichte Minen. 
In diesen zwei Stunden flogen allein aus den 
24 leichten Minenwerferrohren und rund 20 mittleren 
Minenwerferrohren 800 x 100 Pfd. und 2400 x 8,5 
Pfund = 2800 Zentner = 140 Tonnen Stahl. Hierzu 
hätten 5 große Lastautos vollbeladen oder 1600 Träger 
für die mittleren Mitten auf die letzten 1000 Meter bis 
zur Minenwerferstellung (vorher Bahn, Auto, Wagen) 
beziehentlich 600 Träger für die leichten Minen sich zum 
Antransport nötig gemacht. 
Auch des Mehraufwands an Munition durch die 
Fliegerwaffe muß gedacht werden: Die Bomben¬ 
geschwader nahmen in den letzten Kriegsjahren einen 
erheblichen Umfang an. In einer Nacht warf ein ein¬ 
ziges deutsches Geschwader auf wichtige feindliche 
Knotenpunkte, Lager und Depots bis zu 60 000 Kilo¬ 
gramm Bomben ab. An die Tragfähigkeit des einzelnen 
Flugzeuges wurden alfo erhebliche Ansprüche gestellt und 
eine solch riesige Stahlmenge wie die als Beispiel an¬ 
geführten 1200 Zentner oder 60 Tonnen ist nur denkbar 
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bei mehrmaligem Aus- und Rückflug desfelben Ge¬ 
schwaders von etwa 12 Flugzeugen, die bei dreimaliger 
Beladung und Flug für jedes Flugzeug rund 1700 Kilo¬ 
gramm oder 34 Zentner mit sich geführt hätten. Noch 
viel stärker war der Bombenverbrauch für die Jagd¬ 
flugzeuge. Wieviel Tausende fielen am Tage allein an 
der Flandernfrvnt hüben und drüben von diesen wirk 
samen leichten Brisanzbomben zur Erde! 
Bei alledem ist nur von der wirklich verbrauchten 
Munition die Rede. Wer aber an der Front war, der 
weiß, wie beträchtlich viel Patronen, Minen, Granaten 
draufgingen, ohne je zur Verwendung gekommen zu 
sein: Ganze Munitionswagen blieben besonders im 
schweren Gefecht am Wege liegen. Entweder waren die 
Pferde oder der Kutscher verwundet, erschossen oder 
der Wagen beschädigt, der Inhalt wohl gar durch Voll¬ 
treffer vernichtet. Zu Hunderten lagen die Granaten 
im Schlamm herum in all den großen Kämpfen an 
der Somme, in Flandern u. a. Durch feindliche Ein¬ 
wirkung wurden ganze Depots vernichtet, verschüttet, 
unbrauchbar gemacht. Ganze Munitionszüge explo¬ 
dierten oder wurden durch Fliegerbomben zum Auf¬ 
fliegen gebracht. Wieviel kostbares Geld mußte da 
zwecklos verschleudert werden, wieviel kostbares Eisen 
und schassende Menschenkraft wurde wertlos in kurzen 
Augenblicken! 
Den Geldwert dieser ungeheuren Menge zu mensch¬ 
licher Vernichtung bestimmter Geschosse nur annähernd 
zu bestimmen, ist dem Laien unmöglich. Mit steigender 
Verteuerung der Arbeitskraft und Rohstoffe stieg der 
Kostenpunkt von Jahr zu Jahr. Von den Hunderten 
Milliarden der neuen deutschen Kriegsanleihen ist ein 
guter Teil in Eisen und Sprengstoff umgesetzt worden. 
Kostete doch eine mittlere Mine im Jahre 1917 schon 
rund 400 Mark. In die reine Kostenfrage müßte noch 
der Bahntransport und das Heranbringen durch Mensch 
und Pferd bis zum Rohre einbezogen werden. Hierüber 
auch nur eine annähernde Durchschnittsschätzung zu 
geben, ist unmöglich. 
Zum Schluß noch eine kurze Ubersichtstabelle für 
die Jnfanteriemunition, ohne Berücksichtigung der Ma¬ 
schinengewehre, Hand- und Gewehrgranaten: 
Schlacht bei 
Armee 
Taschenmunition 
Verschossene 
Patronen 
für 1 Gewehr 
Leipzig 1813 
Preußen 
60 
20 
Bionville 1870 
„ 
80 
35 
Liao - Jan 1904 
Russen 
120 
170 
Stellungskrieg 1916 
Deutsche 
120 | 
und 2 Gurte zu je \ 
14 Ladestreifen 2601 
In einem Kompagnieabschnitt (knapp 300 Meter) 
lagerten 1915 an Reservemunition außerdem in Gruppen-, 
Zug- und Kvmpagniedepots bis zu 80 000 Patronen, 
auf den Kopf rund weitere 500 Schuß, die Maschinen¬ 
gewehre nicht eingerechnet. An normalen Tagen ver¬ 
schoß der Mann in 24 Stunden knapp 2 Ladestreifen. 
Man vermag sich aus diesen natürlich nicht völlig 
feststehenden Tatsachen und Berechnungen einen kleinen 
Begriff zu machen, wie der Kampfbvden feindlicher 
Gräben auf wenige hundert Meter Tiefe buchstäblich mit 
Geschossen gedüngt ist und was da für Werte verstreut 
ruhen. Saat aus Blut und Eisen — wirst du die Frucht 
tragen, um die zwei Kontinente, die Alte und die Neue 
Welt, sich unmenschlich zerfleischt haben?
	        
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