Volltext: 202. Heft 1914/18 (202. Heft 1914/18)

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bet Zwtschenstellung, die nördlich der Römerstraße ver¬ 
lief, zu fördern, denn in dieser rückwärtigen Linie sollte 
der deutsche Stoß aufgefangen werden. Die Leute 
mußten scharf heran, ab Mitte Juni hatten auch die 
Ruhebataillone, die sonst weit hinten in den Dörfern 
lagen, kräftig zu schanzen. Andre Arbeiten blieben 
liegen, da der Nachschub an Material für sie nicht aus¬ 
reichte. So entstand im Laufe von Wochen eine stark 
befestigte Haupt Widerstandslinie mit breiten Draht¬ 
hindernissen und tiefen Stollen. Ein Geheimbefehl 
der 4. Armee vom 7. Juli ordnete ausdrücklich an, daß 
in dieser neuen Stellung, die dicht hinter dem Feuer¬ 
bereich der deutschen Angriffsbatterien sich hinzog, die 
Gewalt des Vorstoßes gebrochen werden sollte. Kein 
Mann sollte vom Platze weichen. Offiziere und zuver¬ 
lässige Unteroffiziere erhielten Befehl, sich hinter diese 
Widerstandslinie aufzustellen und jeden Ausreißer zu¬ 
rückzutreiben, wenn nötig, mit Gewalt. 
Möglichst unauffällig wurden neue Divisionen heran¬ 
gezogen, so die 27. und 71. Infanteriedivision aus 
Flandern, die 132,, die als Reserve im Abschnitt lag, 
die 45., die bis Ende Mai westlich Reims mit schweren 
Verlusten gekämpft hatte. Diese Reserven sollten in 
der Hauptsache die neue Widerstandslinie verstärken. 
In der Nacht vom 13. zum 14. Juli wurde die Infanterie 
der vordersten Linien neu eingeteilt, am Morgen des 
14. Juli wurde der Befehl aufgehoben, am Abend des¬ 
selben Tages aber erneut in Wirkung gesetzt. Die Be¬ 
satzung des ersten Grabens bestand nur noch aus zwei 
bis drei Zügen für den ganzen Regimentsabschnitt. 
Diese Leute, die teilweise ohne Offiziere zurückbleiben 
mußten, hatten den Auftrag, durch Abschießen von 
Leuchtpatronen, Klappern mit Kochgeschirren und ge¬ 
räuschvollen Verkehr die normale Besatzung vorzu¬ 
täuschen. Die Reste des Stellungsbataillons wurden 
auf den 2. und 3. Graben verteilt. Um 8 Uhr abends 
erging der Befehl, die größeren Unterstände mit 9)perit 
zu vergasen. Pioniere besorgten das durch besondere 
Geschosse, sprengten die besonders geräumigen Stollen 
in den Bergstellungen und sollten außerdem in den 
ehemaligen deutschen Blockhäusern, die hier noch ziem¬ 
lich unversehrt zu finden waren, die nach Süden, Osten 
und Westen zeigenden Schießscharten vermauern. Dazu 
blieb den Pionieren aber keine Zeit mehr, denn das 
deutsche Vorbereitungsfeuer setzte alsbald so gewaltig 
ein, daß sie in die Unterstände krochen. Dort wurden sie 
mit der übrigen Be Atzung rasch überwältigt und ge¬ 
fangengenommen. 
Die deutsche Führung erkannte die Lage rasch 
und tat den: Feinde nicht den Gesallen, mit starken 
Kräften gegen seine Hauptwiderstandslinie anzurennen. 
Bereits am zweiten Tage, so erklärte uns Ludendorff, 
wurde der Angriff aufgegeben. Wir begnügten uns 
mit dem raschen Gewinn der Bergstellungen, für dessen 
Besitz die Franzosen 1917 monatelang die blutigsten 
Opfer gebracht hatten. 
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* 
Getreidevorstöße. 
Als die „Freuden" des April Vormarsches in Fran- 
zösisch-Flandern schon lange der üblichen Feldküchenkost 
und dem guten alten Kommißbrot wieder Platz ge¬ 
macht hatten, da blieb als täglich zunehmende Augen¬ 
weide doch die Fülle herrlich bestellter Felder, deren 
rasches Wachstum mit innigem Behagen verfolgt, deren 
Frucht baldmöglichst mit lachender Genugtuung einge¬ 
heimst ward. Schon im Juni sah man allenthalben im 
bestellten Kampfgebiet die Feldgrauen knien, in den 
herrenlosen Schotenfeldern wühlen und die jungen 
Erbsen knacken oder in den Brotbeutel verschwinden: lassen. 
Herrlich gedeiht ja in dem überaus fruchtbaren 
neueroberteu Strich Gemüse und Korn. So dicht und 
hoch hatten viele, viele Frontkämpfer das Korn noch 
nirgends stehen sehen. Kein Sonnenbrand hatte diesen 
wogenden Ährenfeldern bei der unversieglichen Boden¬ 
feuchtigkeit Abbruch zu tun vermocht; jeder Regen 
war nur willkommen und ward vom immergierigen 
Boden sofort aufgesogen. Und die Kartoffelfurchenliefen, 
wenn auch vom Unkraut oft fast verdeckt, in unendlich 
langen Zeilen hin. 
In den vielen tatenlosen Ruhestunden des Front¬ 
tages hatten die Feldgrauen, die ja meist über Essen 
und Trinken sprechen, wenn sie die Vorgesetzten und 
die allgemeine Lage nicht vorhaben, wie oft versucht, 
Schätzungen vorzunehmen, wieviel Pferde-und Menschen¬ 
mäuler wohl von so einem einzigen Feld satt würden. 
Das stand jedenfalls fest: viele Regimenter viel Tage 
lang allein von den Fronlfeldern, durch die die neuen 
Stellungen sich ziehen. Und somit bedeutete das doch 
eine wesentliche Nahrungsmittel-Bereicherung für die 
eigene Truppe, eine erhebliche Entlastung für die Heimat¬ 
vorräte. Auf über 100 000 Tonnen Getreide schätzt 
man den Ernteertrag aus dein neugewonnenen Gebiet. 
Im Vergleich hierzu mag erwähnt werden, daß in ganz 
England, nachdem all die ungeheuren Viehtriften, Go.lf- 
und Rasenplätze in Parks, Gärten und öffentlichen An¬ 
lagen zur Bebauung hergerichtet waren, 900 000 Tons 
mehr eingebracht wurden als 1916. Da hatten wir's 
bequemer. 
Das weiß der Engländer auch, und seine ganze 
Wut, seine Mißgunst galt neben dem verlorenen Boden 
den der Ernte zureifenden Feldern, die er noch im 
zeitigen Frühjahr sorgfältig bestellte oder hatte bestellen 
lassen — ausgerechnet für die Deutschen. 
Ihr Fühlen und Trachten ging nun ersichtlich 
mit darauf hin, nach Kräften den Gegner an der Ein¬ 
bringung dieser unbezahlbarenNahrungsmittel zu hindern. 
Dazu gab es zwei Möglichkeiten: Rückgewinnung des 
eroberten Gebietes; Vernichtung oder starke Beein¬ 
trächtigung durch Bomben und Granaten. 
In der Theorie glänzende Ideen, bei Licht besehen 
aber — Projekte. Denn zur völligen Rückeroberung 
gehört eine Offensive, mindestens so schwunghaft und 
geschickt angelegt, wie .die deutsche vom 9.-April 1918. 
Da mögen denn aber den britischen Herren doch einige 
Bedenken gekommen sein, sonst hätten sie den Vormarsch 
längst angetreten. Zeit genug war ja dazu. Zum 
zweiten: Bomben-- und Granatenregen. Um da auch 
nur einige Kilometer bebauten Feldes nach Tiefe und 
Breite zu vernichten, dazu hätten Millionen Granaten 
gehört, die somit eine stumme Offensive bedeutet hätten 
ohne deren Folgen. Der Erfolg hätte die Kosten wahr¬ 
lich nicht gelohnt. Zudem bewuchsen sich, solange die 
Saat noch Saat war, die Granattrichterränder rasch 
mit — eben den Kartoffeln und Halmen, die man 
doch hatte vernichten wollen, denn gerade an den 
Rändern wurde ja die Erde nur umgeschüttelt. 
Was blieb? John Bull kombinierte beide Möglich¬ 
keiten; er machte keine Getreideoffensiven und auch 
kein Erntetrommelfeuer mit Bombenregen — er 
entschloß sich zu dickeren Vorstößen in Verbindung mit 
Flieger- und Artilleueeinwirkung.
	        
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