Volltext: 195. Heft 1914/18 (195. Heft 1914/18)

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Mit beut scharfeil Glase suchte der Prisenoffizier 
den südlichen Horizont ab. Doch die erwartete Küste 
wollte ebenso wenig aus dem Dunste aufsteigen, wie die 
Form eines deutschen Kriegsfahrzeuges. Plötzlich 
aber tauchte in kaum 1000 Meter Entfernung etwas 
Weißes aus dem Wasser auf: Der Turm eines I7-Bootes ! 
Auch der holländische Kapitän hatte ihn bemerkt: „Stop¬ 
pen, sofort stoppen", rief er. „Ein Unterseeboot". In 
wenigen Sekunden hatte sich diese Nachricht durch das 
ganze Schiff fortgepflanzt. Alles stürzte zu den 
Rettungsbooten, und der Prisenoffizier befand sich 
allein auf der Kommandobrücke, wo er das Steuer 
übernehmen mußte. Von dem II-Boot war jedoch 
nichts mehr zu sehen, es war wohl getaucht. Ob es wohl 
ein eigenes oder ein feindliches war? Immerhin schien 
es ratsam, Zickzackkurse zu steuern, wobei dauernd scharf 
nach einm Torpedolaufbahn ausgespäht wurde. Es 
erfolgte aber nichts. Nachdem im Verlaufe von 5 Mi¬ 
nuten nichts passiert war, legte sich allmählich die Auf¬ 
regung der Besatzung, und recht kleinlaut kamen Kapitän 
und Matrosen wieder auf die Brücke. Die Heizer und 
Maschinisten verschwanden in ihren Niedergängen. „Ja, 
ja, die deutschen U-Boote machen die Seeleute nervös", 
meinte der Kapitän entschuldigend ... 
Wieder Motorgeknatter. „Eine Vliegmaschine", 
sagte der Mann am Ruder, und bald war wieder ein 
deutsches Wasserflugzeug über dem Dampfer, um eine 
Nachricht des Kommandeurs der Flugstation abzuwerfen. 
Bald darauf kamen auch von Süden her deutsche Tor¬ 
pedoboote heran und nahmen den aufgebrachten Dampfer 
in ihren Schutz. Nach einer weiteren Stunde ankerte 
der erste von deutschen Wasserflugzeugen aufgebrachte 
Prisendampfer im Hafen von Zeebrügge. 
* * * 
Der Kampf um Tripolitanien. 
Bald nach dem Eintritt der Türkei in den Weltkrieg 
erklärte der Sultan in seiner Eigenschaft als Oberhaupt 
der mohammedanischen Welt den Heiligen Krieg. Vor 
einer Überschätzung der Auswirkung dieser Proklamation 
mußte man sich allerdings hüten, ihre Bedeutung konnte 
zunächst nur eine moralische sein; allein Ansstände in 
den mohammedanischen Teilen Indiens, Revolten in 
Ägypten und die Fortsetzung des bewaffneten Wider¬ 
standes der Eingeborenen Tripolitvniens gegen die 
Italiener waren doch deutliche Anzeichen dafür, daß 
der Ruf des Kalifen nicht ungehört verhallte. Zudem 
wurden wir durch die Blockade unsrer Feinde auch im 
Nachrichtendienst derart von der Außenwelt abgeschnitten, 
daß wir über die Vorgänge in der mohammedanischen 
Welt nur durch die spärlichen Nachrichten Kunde er¬ 
hielten, die aus dem Umwege über die neutralen Blätter 
zu uns hereinkamen. Infolge der strengen Zensur 
brachte auch die Ententepresse nur höchst dürftige Mel¬ 
dungen über den Umfang des Heiligen Krieges. 
Aber eines wissen wir schon seit geraumer Zeit, 
daß es den Italienern in Tripolitanien sehr schlecht geht. 
Im Grunde genommen konnten sie auch nach dem Frie¬ 
densschlüsse zu Lausanne ihre Herrschast über Tripoli¬ 
tanien nur so weit notdürftig ausüben, als die Reich¬ 
weite ihrer schweren Land- und Schisssgeschütze betrug. 
Denn die Eingeborenen kümmerten sich nicht um den 
Friedensschluß, sondern setzten den Kampf fort. Unter¬ 
stützt wurden sie dabei vorwiegend durch die Senussi, 
diesen höchst kriegerischen, 1837 von Sidi Muhammed 
den Alies-S. in Mekka gegründeten religiösen Orden, 
der sich zur Aufgabe gestellt hat, die Lehren des Korans 
in ihrer ursprünglichen Reinheit wieder herzustellen. 
Die Seuussi, die ihre zahlreichsten Anhänger in den 
Oasen der Sahara und im Wilajet, Barka haben, sind 
von einem wilden Fanatismus erfüllt und im Kampse 
von der todesverachtenden Tapferkeit des echten Musel¬ 
manen. Ihr Einfluß auf die vielen Millionen Moham¬ 
medaner in Jnnerafrika ist ein gewaltiger, sie verehren 
in einem Scheich, dessen eigentliche Residenz seit meh¬ 
reren Jahren streng geheimgehalten wird, ihr geist¬ 
liches Oberhaupt. Sowohl den Franzosen in Marokko 
und Algier wie auch im Sudangebiet und den Italie¬ 
nern in Tripolitanien und der Cprenaika haben die 
Senussi, deren Zahl aus etwa 10 Millionen Köpfe ge¬ 
schätzt werden darf, viel zu schassen gemacht. Zudem 
verfügen die Senussi über große Waffen- und Munitions¬ 
lager, die im Frieden von englischen und französischen 
Händlern auf dem Karawanenwege nach dem Innern 
Afrikas, besonders nach Dorfar, gebracht wurden. 
Bald nachdem die Italiener ihren Raubkrieg gegen 
die Türkei um den Besitz von Tripolitanien eröffnet 
hatten, gelang es Enver Pascha, dem jetzigen türkischen 
Kriegsminister, unbemerkt die letzte türkische Provinz 
in Asrika zu erreichen, wo er mit den geringen ihm zur 
Verfügung gestandenen Mitteln eine großartige Ver¬ 
teidigung organisierte, und man darf wohl annehmen, 
daß auch die Rückeroberung Tripolitaniens vor allem 
sein Werk ist. Aus dem Berichte des türkischen 
Generalstabes vom 4. Juni ersehen wir nämlich, daß 
in Tripolitanien türkische Truppen mit Artillerie die 
Italiener bekämpfen, die sich nur noch in einigen Küsten* 
plähen mühsam zu halten vermögen. Diese stehen aber 
bereits unter dem Feuer der türkischen Batterien und 
deutscher Unterseeboote. Auf welchem Wege es ge¬ 
lungen ist, nicht nur türkisches Militär, sondern sogar 
eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Geschützen nach 
Tripolitanien zu schassen, weiß man nicht, allein die 
Annahme liegt sehr nahe, daß dabei die Tauchboote 
eine bedeutende Rolle gespielt haben. Bekamen wir 
doch wiederholt Meldungen, daß österreichisch-ungarische 
und deutsche Ü-Boote tripolitanische Küstenplätze be¬ 
schossen und auch Massen landeten. 
Bis zur Kriegserklärung Italiens an Österreich- 
Ungarn ließen die Italiener an der tripolitanischen Küste 
eine Kriegsflotte kreuzen, deren weittragende Geschütze 
die Ausständischen' einigermaßen in Schach hielten. 
Seitdem sich jedoch die Tätigkeit unsrer und der deutschen 
Tauchboote auch 'gegen,die italienischen Kriegsschiffe 
richtet, sind diese aus den tripolitanischen Gewässern 
verschwunden. Infolgedessen hangen die Besatzungen 
der sechs tripolitanischen Küstenplätze, die die Italiener 
nach ihrem Eingeständnisse noch halten, sozusagen in der 
Lust. Befänden sich in den tripolitanischen Gewässern 
noch italienische Kriegsschiffe, so wäre es ja den deutschen 
Tauchbooten nicht möglich, das Feuer der türkischen 
Batterien von der Seeseite her zu unterstützen. Zudem 
konnte man kürzlich in einem italienischen Blatte lesen, 
daß ein italienisches Handelsschiff beiMisnrata, einem der 
erwähnten sechs Küstenplätze, scheiterte. Eingeborene 
retteten zwar die Besatzung, schleppten sie jedoch in Ge¬ 
fangenschaft in das Innere des Landes. Dies geschah 
unter den Mündungen der italienischen Kanonen Misu- 
ratas! Auch daraus kann man ersehen, wie verzweifelt 
sich die Lage der Italiener in Tripolitanien gestaltet 
haben muß, so 'daß man ihnen wohl ein zweites Adua 
ihrer kolonialen Großmannssucht voraussagen kann.
	        
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