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Die Abendmeldung.
Von Hans Schipper.
Der Bataillonsadjutant Leutnant B. hockt in seinem
bombensicheren Unterstand und bemüht sich gerade,
die Meldungen der vier Kompagnien in möglichst kurzer,
alles Wichtige umfassender Form zu Papier zu bringen.
Es soll die Abendmeldung des ersten Bataillons werden.
Im Bataillonsabschnitt draußen war es wieder ein be-
wegter Tag gewesen. Die feindliche Artillerie hatte an-
dauernd gefunkt, die Infanterie des Gegners in den
Sappen geschanzt, so daß die eigenen Minenwerfer öfter
in Tätigkeit treten mußten. Die Meldungen der Kom-
pagnien waren deshalb ziemlich umfangreich aus-
gefallen. Es galt, viel zu streichen. Nur das für das Regi-
ment Wichtige durfte aus den vier Meldungen in den
Tagesbericht des Bataillons aufgenommen werden.
Jetzt ist der Adjutant mit der Niederschrift der Meldung
fertig. Schnell greift er zum Fernsprecher und ruft das
Regiment an.
„Hier Regiment!" meldet sich die Gegenstation.
„Hier erstes Bataillon; die Abendmeldung!"
„Bitte, kommen!"
„Beim Feinde den ganzen Tag über lebhafte Tätig-
keit. Er schanzte fleißig in seinen Sappen. Unsre leichten
Minenwerfer störten diese Arbeit mit Erfolg. Feind-
licher Fesselballon war die meiste Zeit oben. Zeitweilig
erhielt der Bataillonsabschnitt leichtes Minenfeuer, das
nur geringen Sachschaden anrichtete. Schäden wurden
sofort ausgebessert. Tote und Verwundete keine. —
Begleichung bitte!"
Der Telephonist beim Regiment hat die Meldung
wortgetreu niedergeschrieben und liest den ganzen Text
zur Kontrolle dem Bataillonsadjutanten schnell vor.
„Begleichung stimmt, Schluß!"
Die Abendmeldung des ersten Bataillons ist beendet.
Da ruft auch schon das zweite Bataillon an. Dessen Mel-
dung gleicht fast der des ersten Bataillons. Nur hat in
diesem Abschnitt das feindliche Artilleriefeuer Opfer ge-
fordert. Ein Volltreffer durchschlug einen Mannschafts-
unterstand, tötete drei und verletzte zwei Mann schwer.
Sonst auch keine Veränderungen.
Kurz vor fünf Uhr geht auch noch die Meldung des
dritten Bätäillons ein, und der Regimentsadjutant geht
rasch dabei, aus den drei eingegangenen Meldungen den
Bericht des Regiments zu formen. Spätestens fünfein-
halb Uhr will die Brigade Meldung von den beiden ihr
zugeteilten Regimentern haben. Will durch wenige
knappe Sätze von dem Verlaufe des Tages seit der
Morgenmeldung Kenntnis erhalten. Will alles Be-
merkenswerte genau erfahren, ohne jedoch mehr als
sechs bis acht Zeilen dafür zu gewähren. Die Adjutanten
krauen sich hinterm Ohr, und — die Minuten vergehen.
Doch die große Übung hilft. Man wird mit der Zeit auch
im kürzesten Stil Meister. Schließlich wird ja auch auf
die Form der Meldung nichts, auf den Inhalt alles ge-
geben. Also schnell die Gesamterlebnisse des Regiments
zusammengefaßt und als Abendmeldung durch den Draht
zur Brigade hinübergesprocksen.
Regiments- und Brigadestab brauchen nicht dauernd
im bombensicheren Unterstand zu Hausen. Sie wohnen,
wenn auch noch in der Feuerzone, so doch nicht un-
mittelbar an besonders gefährdeten Orten. Nur wenn
es der feindlichen Artillerie mal einfällt, der Abwechslung
halber die rückwärtigen Ortsunterkunften unter Feuer
zu nehmen, müssen auch diese Stäbe irgendeinen bomben¬
sicheren Keller aufsuchen. Dies wird nun allerdings,
falls es« tagelang hintereinander geschehen muß, sehr
unangenehm, doch darf deswegen die Erledigung der
laufenden Arbeiten keine Verzögerung erleiden. Am
allerwenigsten darf wegen „so'n bischen Knallerei" die
Abendmeldung unterbleiben. Eine höhere Instanz, die
Division, will die Meldung zur festgesetzten Stunde in
Händen haben. Der Unterschlupf im Keller hat daher
auch einen Telephonanschluß erhalten. Mag oben der
Feind seine Granaten ins Haus jagen; nnterm dicken
Sandsteingewölbe im dumpfen Keller sitzt der Brigade-
adjutant, nimmt die Meldungen der beiden Regimenter
entgegen und gibt sie dann an den Divisionsstab weiter.
Je weiter rückwärts die Meldung zu den höheren
Stäben geht, um so größer wird der Frontabschnitt, über
dessen Tätigkeit Bericht erstattet wird. Und um so länger
müßten auch, vermeint man, die Ausführungen werden.
Aber das Gegenteil ist der Fall. Was für die Brigade,
vielleicht auch noch für die Division Wert hat, interessiert
den Generalstab des Armeekorps schon weniger. Die
kleineren Plänkeleien mit dem Feinde, die Ergreifung
wirksamer Gegenmaßnahmen, Verbesserung der eigenen
Stellungen und so weiter, bleibt eine Angelegenheit
der unterstellten Stäbe. Der Generalstab gibt seine An-
ordnung in großen Zügen; die Kleinarbeit ist Sache der
unteren Abteilungen. Deshalb will auch der Generalstab
nur einen ganz knappen Überblick über die allgemeine
Lage haben, um daraus den Inhalt für die Abendmeldung
des Korps schöpfen zu können.
Eine Viertelstunde später erfährt das Armeeober-
kommando, was sich tagsüber in dem Bereich der ein-
zelnen Armeekorps abspielte. Von starkem Artillerie-
oder Minenfeuer, von verhältnismäßiger Ruhe, von leb-
hafter Tätigkeit des Feindes oder von großen Ver-
stärkungen, vom Auftauchen neuer Truppenteile und der
Abwehr feindlicher Angriffe, von eigenen Gegenstößen
und deren Erfolg berichten die Armeekorps dem Armee-
Oberkommando, so daß der Generalstab der Armee ein
klares, übersichtliches Bild über den Verlauf des Tages
gewinnt. Doch weiter noch muß die Abendmeldung
wandern. Eine höhere Instanz, die höchste des gesamten
deutschen Feldheeres, das Große Hauptquartier, wartet
auf die Abendmeldung der einzelnen Armeen. Alle
Fäden laufen beim Großen Generalstab zusammen.
Der vorgeschobenste Lauschposten in Ost oder West
ist durch den jede Entfernung überbrückenden Draht mit
der Obersten Heeresleitung verbunden.
Im Großen Hauptquartier laufen zur festgesetzten
Zeit die Abendmeldungen sämtlicher Armeen ein. Doch
auch damit findet die Wanderung der Meldung noch kein
Ende. Nicht nur die Oberste Heeresleitung hat Interesse
an den Berichten der Heere. In der Heimat wartet das
deutsche Volk und mit ihm seine treuen Verbündeten
und darüber hinaus die ganze Welt, die Feinde in-
begriffen, auf die Veröffentlichungen der Obersten
Heeresleitung. Von dieser werden daher in aller Eile
die Meldungen zu einem kurzen, knappen Bericht im
Telegrammstil vereint. Und diese Zusammenstellung
wird dann an die Presseabteilung im Stellvertretenden
Generalstab in Berlin weitergegeben. Um bei der Über-
mittlung der kurzen, inhaltschweren Meldungen jeden
Irrtum auszuschließen, erfolgt die Weitergabe tele-
graphisch und gleichzeitig auf einer andern Leitung
telephonisch. Der Stellvertretende Generalstab in Berlin
gibt den Bericht an das W.T.B. (Wolffs Telegraphisches
Büro) weiter. Das W.T.B, läßt den Bericht durch