Volltext: 192. Heft 1914/18 (192. Heft 1918)

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die Niederlage des Gegners. Beweise gab es jedoch 
weder für das eine noch das andre. Wiederholt wurden 
die Führer dieses Parteigängerkrieges totgesagt, um nach 
einiger Zeit fröhlich wieder weiter zu kämpfen, ohne daß 
man sich Mühe gegeben hätte, die falschen Nachrichten 
zu berichtigen. 
Obgleich so im Süden Rußlands alles durcheinander 
wirbelte, war aber doch zu bemerken, daß die Sowjet- 
regierung in Charkow langsam Boden zu gewinnen 
schien. Trotzki sah darin den Beginn der Erfüllung seiner 
Hoffnungen und fühlte fich dadurch nur um fo mehr 
veranlaßt, feine Taktik in Brest-Litowsk weiter fortzu- 
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Lichtbildstelle des K^iegspressequartters, Wien. 
Die Mitglieder der russischen Delegation: (von rechts nach links) Kameneff, Admiral Altvater, Trohki. 
führen, nämlich die Besprechungen nicht über das 
Stadium allgemeiner Erörterungen hinauskommen zu 
laffeu. Darin glaubte er fich bestärkt durch Nachrichten, 
die ihm aus Deutfchland zugegangen waren. Danach 
fchien es, als ob ein bei uns ausbrechender Generalstreik 
plötzlich unsre Kriegführung lahmlegen und eine Revo- 
lutionieruug Deutschlands herbeiführen werde. In¬ 
dessen Herr Trotzki hatte den Geist der deutschen Ar- 
beiterschast ganz salsch eingeschätzt. Daß es auch bei uns 
infolge der Wirksamkeit der sogenannten „Unabhängigen,, 
in der Sozialdemokratie eine Gruppe von Führern gab, 
die es gerne gesehen hätten, wenn sich eine Umwälzung 
nach dem Muster der russischen hätte zustande bringen 
lassen, war natürlich nicht zu leugnen. Sie benutzten 
geschickt die Mißstimmungen, die aus der Knappheit der 
Lebensmittel und den Schwierigkeiten bei ihrer Ver- 
teilung entstanden waren, um einen Teil der Arbeiter- 
schast in den großen Städten und den Hauptindustrie- 
bezirken zu der Uberzeugung zu bringen, daß der Krieg 
von den Besitzenden künstlich verlängert würde und ein 
Streik den Friedenswillen des Volkes so eindringlich 
zum Ausdruck bringen müsse, daß auch die Feinde zur 
Vernunft kommen müßten. Dadurch ließen sich die 
Arbeiter an verschiedenen Stellen, namentlich in Berlin, 
wirklich zum Streik verleiten. Aber dieser Streik war 
kein Generalstreik, wie ihn fich die russischen Bolschewiki 
gedacht hatten. Er sand vor allem nicht die Unterstützung 
der größeren Arbeiterorganisationen, weder der GeWerk- 
schasten noch der politischen Parteiorganisationen der 
Sozialdemokratie. Es war auch mehr als eine Kund- 
gebung einer herrschenden Verstimmung und als 
Drohung, denn als ernsthaste Absicht, zu revolutionären 
Taten zu schreiten, 
gemeint. Dieverstän- 
dig en Arbeiter — auch 
die eifrigsten Sozial- 
demokraten— erkann- 
ten deutlich das Tö- 
richte, Zwecklose und 
vor allem Gefährliche 
dieses unüberlegten 
Streiks, wußten auch 
sehr genau, daß die 
Genossen, die sich 
beklagenswerterweise 
dazu verleiten ließen, 
die Leute in den 
Schützengräben nicht 
hinter sich hatten, im 
Gegenteil durch den 
Schaden, den sie durch 
Niederlegen der Ar- 
beit stifteten, nur die 
Erbitterung derKämp- 
f end en auf sich lenkt en, 
und damit auch ihrer 
eigenen Sache in ten. 
Rücken fielen. So blieb 
der größte Teil der 
Arbeiterschaft derAus- 
standsbewegung fern 
und wirkte ihr ent- 
gegen. Die Streiken- 
den hatten es aber 
auch nicht mit einer 
Regierung und einer 
militärischen Leitung wie der russischen zu tun, sondern 
mit einer straffen und energischen Obrigkeit, die sich sicher 
wußte in ihrem reinen Gewissen und in ihrem Vertrauen 
auf die Befonnenheit und Vaterlandsliebe des deutfcheu 
Volkes. Die deutschen Behörden taten ihre Pflicht und 
ließen sich nicht einschüchtern. Als die Ausständigen in 
Berlin einen „Arbeiterrat" eingesetzt hatten, der die ein- 
heitliche Leitung des Streiks in die Hand nehmen sollte, 
schritt das Oberkommando in den Marken sofort ein. 
In einer Verordnung wurde kurz erklärt: „Die Aus- 
standsbewegung, die unter Mißachtung gesetzlicher Be- 
stimmungen ins Leben getreten ist, gefährdet die öffent- 
liche Sicherheit." Der „Arbeiterrat" wurde aufgelöst. 
Jnzwifchen hatten die Vertreter der fozialdemvkratischen 
Reichstagssraktion und der Gewerkschaftsorganisationen, 
obwohl sie den Streik selbst nicht billigten, doch im In- 
teresse ihrer Parteibestrebungen den Versuch machen zu 
müssen geglaubt, als Vermittler zwischen Regierung 
und Streikenden aufzutreten, uud fich deshalb an den 
Reichskanzler gewandt. Aber die Regierung blieb auch
	        
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