Volltext: 19. Heft 1914/15 (19. Heft 1914/15)

Phot. Dr. Trenkler & Co., Leipzig. 
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standen die deutschen Truppen in Südpolen, an deren 
rechten Flügel sich ein österreichisch-ungarisches Verbin¬ 
dungskorps anschloß, wieder starken russischen Kräften 
gegenüber, die, auf Jwangorod gestützt, über die Weichsel 
vorzustoßen versuchten. — Dieser denkwürdige Feldzug, 
der in der Kriegsgeschichte dermaleinst als einer der 
bedeutsamsten und lehrreichsten aller Zeiten gelten 
wird, gleicht in Anlage und Verlauf einer genial durch¬ 
geführten Schachpartie. Jedem Zug folgt ein Gegenzug, 
der wieder einen anderen Entschluß des Gegners zur Folge 
hat. Indem aber scheinbar jeder Zug eine neue Lage 
schafft, die den Gegner zu neuen Überlegungen nötigt, 
tritt allmählich doch immer sicherer und deutlicher die 
Tatsache hervor, daß auf einer Seite, und zwar der 
unsrigen, die Überlegenheit ist, die den Gegner plan¬ 
mäßig in die Lage treibt, der er sich zu entziehen ver¬ 
sucht: während er selbst vielleicht noch der Meinung ist, 
daß er die Absichten des Gegenspielers endgültig durch¬ 
kreuzt habe, hat dieser ihm bereits unbemerkt das 
weitere Gesetz des Handelns vorgeschrieben. 
Man muß anerkennen, daß die russische Heeresleitung 
überaus rührig und unermüdlich war in der unablässigen 
Heranführung von neuen Truppen und Kriegsmaterial. 
Die anscheinend schon lange vor dem Ausbruch des Krieges 
mobilgemachten und bereitgehaltenen sibirischen und 
turkistanischen Korps, und was sonst noch im Innern des 
Reiches an Feldtruppen vorhanden war und aufgebracht 
werden konnte, wurden nach der Westgrenze gebracht. Sie 
wurden nun auf Warschau dirigiert. Gleichzeitig wurde 
der Transport von Truppen aus der galizischen Front 
nach Norden fortgesetzt, so daß bald darauf auf dem 
rechten Weichselufer bei Warschau und Nowo-Georgiewsk 
sowie in Warschau selbst eine überaus starke russische 
Truppenmacht bereitstand. Die Russen versuchten also, 
den linken Flügel der Verbündeten zu bedrohen, während 
sie gleichzeitig alles daran setzten, das weitere Vor¬ 
dringen der österreichisch-ungarischen Truppen in Ga¬ 
lizien aufzuhalten. 
Die Russen hatten die schon früher erwähnte Stel¬ 
lung hinter dem San und ferner auf den Höhen östlich 
und südöstlich von Przemysl in der LinieMedyka—Stary- 
Sambor außerordentlich verstärkt und hielten sie mit 
Zähigkeit. Seit dem 17. Oktober fanden hier heftige 
Kämpfe statt, die den Charakter eines erbitterten Ringens 
hatten, eines Hin- und Herwogens, bei dem von Zeit zu 
Zeit der eine Gegner den andern an diesem oder jenem 
Teil der Schlachtlinie aus seiner Stellung drückte, um 
an einer anderen Stelle oder zu anderer Zeit schon Ge¬ 
wonnenes wieder einzubüßen. Der Ansturm gegen 
diese feste Stellung der Russen und die tapfere Abwehr 
aller Gegenangriffe bildet auch in diesen schweren Tagen 
ein Ruhmesblatt in der Geschichte der österreichisch¬ 
ungarischen Armee. Die Truppen schlugen sich mit un¬ 
vergleichlicher Hingabe und Todesverachtung. Es gelang 
ihnen auch, vorwärts zu kommen und die Russen, nament¬ 
lich auf deren linkem Flügel, zurückzudrücken. Eben in 
diesen Tagen wurden auch die Russen aus den Karpathen¬ 
pässen gedrängt. Fast zu gleicher Zeit als am 19. Oktober 
durch die Erstürmung der Höhe Magiern östlich von 
Przemysl den öster¬ 
reichisch - ungarischen 
Truppen ein wichti¬ 
ger Stützpunkt in die 
Hände fiel, fühlten 
sich die Russen, die 
am Jablonica - Paß 
bei Körösmezö völlig 
zersprengt worden 
waren, auch in der 
Bukowinanicht mehr 
sicher und räumten 
freiwillig Czernowitz. 
Auch Stryi wurde 
wieder besetzt, so daß 
es schien, als ob auch 
der Weg nach Lem¬ 
berg Österreichern 
und Ungarn offen¬ 
stehe. Gerüchte von 
der Räumung Lem¬ 
bergs durch dieRussen 
fanden bereits ihren 
Weg nach Westen 
und halfen eine hoffnungsvolle Stimmung bei den 
Truppen und in der Heimat verbreiten. 
Leider aber wurde trotz aller dieser vielversprechen¬ 
den Teilerfolge und der für die Armee höchst ehren¬ 
vollen Leistungen nicht die unbehinderte Fortsetzung der 
Offensive auf dem rechten Weichselufer erreicht. Das 
war bei der Lage der Dinge nicht zu verwundern; es 
wird im Kriege immer und überall Augenblicke geben, 
wo die Macht der Umstände sich stärker erweist als alle 
Kunst der Führung und die pflichttreueste Opferbereit¬ 
schaft der Truppen. Die Russen hatten mit unleugbarer 
Geschicklichkeit die stärkste ihrer militärischen Eigenschaften, 
die Fähigkeit zu zäher Verteidigung und großer Be¬ 
herrschung aller Mittel des Stellungskrieges, ausgenutzt, 
um sich an einer besonders günstigen Stelle den Öster¬ 
reichern und Ungarn entgegenzustellen. Dadurch konnten 
sie die Niederlagen ausgleichen, die sie bei ihrer Unter¬ 
nehmung gegen die Karpathen und neuerdings in der 
Bukowina erlitten hatten. 
Die russische Heeresleitung hatte durch das Stocken 
der österreichisch-ungarischen Offensive in Galizien die 
Möglichkeit gewonnen, ihren neuen Plan auszuführen. 
Er bestand, wie es in einer von unserer Heeresleitung 
ausgehenden Darstellung dieser Ereignisse heißt, in der 
Absicht, „mit etwa fünf Armeekorps die Deutschen an der 
Warschau, von -er Vorstadt Praga ans gesehen.
	        
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