Volltext: 19. Heft 1914/15 (19. Heft 1914/15)

Phot. Kilophot, Wren. 
sterrcichlsch - ungarische Telegraphen-Jernsignalstation 
Welche Umstände waren es nun, die diese Offensive 
ermöglichten? Es waren die Veränderungen, die in 
der Kriegslage durch die Erfolge der Deutschen in 'Ost¬ 
preußen herbeigeführt worden waren. Hier zeigte sich 
zum erstenmal das großartige Zusammenwirken der 
verbündeten Heere. Zwar hatte ein gemeinsamer Plan 
und eine eingehende Verständigung über alle Ma߬ 
nahmen von Anfang an bestanden, aber die Verhält¬ 
nisse geboten zunächst ein getrenntes Schlagen. Deutsch¬ 
land mußte anfangs seine Hauptkraft gegen Frankreich 
einsetzen, sich den Durchmarsch durch Belgien erzwingen 
und im Westen den Krieg auf feindliches Gebiet tragen. 
Da konnte es vorläufig auf dem östlichen Kriegsschau¬ 
platz nicht mehr Truppen verwenden, als zum Grenz¬ 
schutz und außerdem zur Abwehr der gegen das eigene 
Gebiet gerichteten Stöße der Russen nötig waren. Die 
Verteidigung gegen die für Galizien bestimmten russischen 
Streitkräfte mußte zunächst Österreich-Ungarn allein 
überlassen bleiben. Im übrigen mußte man sich damit 
begnügen, im westlichen Polen durch schwächere Kräfte 
die Verbindung zwischen den verbündeten Armeen her¬ 
zustellen. Nun war für die deutschen Armeen im Osten 
die erste Periode des Feldzngs mit einem so glänzenden 
Ergebnis abgeschlossen worden, daß etwa vom 20. Sep¬ 
tember an eine völlig veränderte Lage eingetreten war. 
Die vollständige Vernichtung der beiden russischen 
Armeen, die dazu bestimmt waren, Ostpreußen in 
sicheren Besitz zu nehmen und auf dieses Unterpfand 
gestützt ebenso den Siegeslauf nach Berlin zu beginnen, 
wie man von Ostgalizien aus die Zertrümmerung 
Österreich-Ungarns und die Perbindung mit Serbien 
ins Werk setzen wollte — diese programmwidrige Ver¬ 
nichtung eines großen Teils der russischen Kerntruppen 
verlegte mit einem Male den Schwerpunkt der russischen 
Kriegführung gegen ihren Willen auf ein ganz anderes 
Der Krieg 1914/15. I. 
Gebiet. Zwar hatten die Russen den größten Teil ihrer 
Streitkräfte von Anfang an nach Galizien geworfen, 
weil sie dort die für sie wichtigsten Entscheidungen mit 
möglichster Sicherheit erzwingen wollten. Aber sie 
hatten doch immer damit gerechnet, daß ihre beiden 
nördlichen Armeen die deutschen Streitkräfte vollauf 
beschäftigen und durch ihre Übermacht überwinden 
würden; auch hatten sie offenbar geglaubt, mit ihrem 
Millionenheer den österreichisch-ungarischen Streitkräften 
gegenüber ein etwas leichteres Spiel zu haben. Nun 
waren ihre gegen die Deutschen eingesetzten Armeen 
zertrümmert, und gegen Österreich-Ungarn konnten sie 
sich nur eines halben Erfolges rühmen, der nur durch 
den Druck der Masse erreicht worden war, ohne die 
Kraft des Gegners zu schwächen, geschweige denn zu 
brechen. 
Die Führung der deutschen Truppen auf dem öst¬ 
lichen Kriegsschauplatz, die jetzt ganz und gar in die be¬ 
währte Hand des Generalobersten von Hindenburg, der 
bald darauf zum Generalfeldmarschall befördert wurde, 
gelegt war, handelte unter diesen Umständen mit ge¬ 
wohnter Schnelligkeit und Sicherheit. Sobald es nach 
der Schlacht an den masurischen Seen feststand, daß 
die Russen an der ostpreußischen Grenze keine verwen¬ 
dungsfähigen Truppen mehr hatten — die Trümmer 
der Njemen-Armee waren für die Aufgaben, die der 
russischen Kriegführung in Ostpreußen gestellt waren, 
nicht mehr verwendbar —, wurde sogleich ein großer 
Teil der deutschen Streitkräfte von der Verfolgung der 
Russen zurückgezogen und unter Benutzung der Eisen¬ 
bahnen unserer Grenzprovinzen in wenigen Tagen 
nach der schlesisch-polnischen Grenze übergeführt. Es 
war eine glänzende Leistung, dieses meisterhafte Zu¬ 
sammenwirken der militärischen Führung und der Organi¬ 
sation der Eisenbahnen. Am 15. September hatten noch
	        
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