Volltext: 190. Heft 1914/18 (190. Heft 1914/18)

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Minenwerfer am Kemmel- 
berg. 
• Voit Leutnant d. Nes. Seyd. 
Der Kemmelberg, der dem Geg- 
ner die Beobachtung in den Douve- 
Grund bis über die Höhenzüge bei 
Nieuwekerke weit hinein ins flan- 
drische Land gestattete, war festnngs- 
artig ausgebaut und mit Maschinen- 
gewehren gespickt. Der Feind hieltihn 
für uneinnehmbar. Der Aussichts- 
türm, dçr einst auf dem Kemme! 
erbaut wurde, um friedlichen Ein- 
wohnern dieSchönheiten ihres Landes 
zu offenbaren, hat den Feinden des 
Friedens einen Platz für neue Ver- 
Wüstungen uud Greuel geìviesen. 
In: Nacht uud Nebel bringen 
zahllose Wagen Munition heran, 
Munition mit stärkster Sprengladung 
— Minen. Durch Nieuwekerke geht 
die Fahrt rasselnd und holpernd. 
Ziegel und Steine des Trümmer- 
dorfes knirschen unter den Rüdern, 
in deu Kellern und in deri Hecken 
der Vorgärten liegen die schweren 
Gasschwaden der letzten Vergasung. 
Tot und mir durchschrien von den 
Schwergranaten der Briten liegt der 
Ort, der noch vor kurzem so harte 
Kämpfe gesehen hat. AudenStraßen 
das Bild der Flucht : englische Artil- 
leriemnnition, Bekleidungsstücke,Tote. 
Eine halbausgebaute englische 
Artilleriestellung nimmt die Minen¬ 
werfer auf. Schuell wird ein Gra¬ 
ben gezogen, urn die Bedienuugs- 
maunschaft einigermaßen gegen das 
unaufhörlich peitschende Gewehr- 
feuer uud die krachend einschlagenden 
Granaten.der Schnellfeuerkanonen zu 
schützen. Rasenwände werden anfge- 
setzt, um ungehindert vom Jnfan- 
teriefeuer zu arbeiten. Und während 
Werfer uud Munition auf dein 
dämpfenden Rasenteppich herangezo* 
gen werden, geht eine Erknndnngs- 
ahteiluug vor, um die Verbindung 
mit der Infanterie aufzunehmen. Aus 
den Hecken und dem Wiesengrund ruft man den Vorgehen- 
den das „Halt, wer da !" entgegen, und die Erkundung geht 
tastend bis an die Straße Dranveter—Lindenhoek heran, 
wo die Gegner dicht voreinander liegen und die eng- 
lischen Leuchtkugeln helleuchtend über den Linien treiben. 
Dann geht es still zurück. Nun ist der Erkundungs- 
offizier mit der Lage vertraut und gibt den Werfern 
die letzten Anordnungen, prüft Wind und Wetter und 
stellt die Schußentfernungen ein. 
Tiefgrün breitet sich der Wiesengrund des Douve- 
Baches mit seinen zahllosen Hecken und Buschreihen, 
blau, von Nadelwald bestanden, liegt im Hintergrund 
der Sattel des Kemmels. Da pfeifen die ersten Salven 
der Feldartillerie hinüber, die schweren Kaliber folgen 
nach, und bald ist der Berg in Feuer uud Rauch gehüllt. 
Dann steht an seinem Fuß die Wetterwand, mächtige 
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m. Frost gez. 
Die deutsche Offensive im Westen: Die in der Schlacht bei Llerg zusammengeschossenen englischen Batterien. 
Fontänen spritzen hoch. Die Minenwerfer sind an der 
Arbeit! Gerade noch kann der Beobachter erkennen, 
daß die Schüsse gut im Ziel liegen, da wankt das Ge- 
mäuer seines Beobachtuugsstandes, und prasselnd stürzen 
Steine und Kalk. Eine schwere Granate ging ins Ge- 
Höst, neue folgen, der Luftdruck benimmt den Atem, 
und der Lärm macht taub. In den Werferstellungen 
knattern Maschinengewehrkugeln an die Schutzwände, 
ringsherum schlagen die Brisanzgranaten ein. Aber der 
Pionier weiß, um was es geht.» Eine Mine nach der andern 
stößt er aus dem Rohr und läßt sie zum Gegner torkeln. 
Noch liegt die Rauchwand auf der feindlichen Stel- 
lnng. Man gibt weiteste Entfernung/ Da bricht die 
Infanterie vor und überrennt die Gräben. 
Die ersten Gefangenen kommen herüber. Sie sind 
kaum noch Menschen. Am ganzen Leibe zitternd, ent- 
üöööc5aöaöQaöOaooodöd$bOGoaQoaoaaaaaGaaQöaöaQöc3aaaoc>öqüooöooooaoooaoooooaooooaooo | 
und Bettdecke gleichen in der Farbe 
dem schon mehrereTage lang getra- 
genen Hemd eines Kohlenrutschen- 
mannes, meine Wäsche, auch die 
gesternfrüh frisch geputzt angekommene, 
ist schwarz, Seife, Bürste, Kammund 
die funkelnagelneue, nach dem ach 
so bescheidenen Preistarif der Kriegs- 
gewinnertabellen bezahlte Zahn- 
bürste ist unheilbar verschmutzt, das 
liebe Bildl meiner lieben Fran ist 
mit einer ekelhaften Schicht über- 
zogen, die paar guten Bücher auf 
dem Tischchen, die Nährmutter 
meines geistigen Wohles, gleichen 
alten Scharteken — kurz und gut, 
ich fluche nach Herzenslust, brülle 
nach meiner Ordonnanz, beschimpfe 
ihre Unfähigkeit und ihre Nach- 
lässigkeit und schenke den gestammel- 
ten Worten, daß nur dem nassen 
Holze und dem schlechten Ofenrohr 
die Schuld an dem leidigen Übel 
zuzuschreiben sei, keinen Glauben. 
Vielfach sind die Versuche 
meines braven Burschen, mich zu 
versöhnen. Aber meiu Groll bereitet 
vorerst allen Bemühungen hart- 
näckigsten Widerstand. Endlich nach 
verdrossenen Minuten atnd Viertel¬ 
stunden fällt das erlösende und den 
Frieden vorbereitende Wort: da 
werden wir eben das miserable 
Ofenrohr hinausschmeißen. Mit 
dieser Äußerung hat mein Pfeifen- 
deckel den Nagel auf den Kopf ge¬ 
troffen. 
„Hinauswerfen — und zwar 
sofort!" Mit beinahe wollüstigem 
Behagen beteilige ich mich höchst 
eigenhändig an dem schmutzigen 
Handwerk und, ehe sich uoch die 
freigewordene Rußwolke über alles 
Inventar behaglich ausgebreitet hat, 
liegt das vermaledeite Ofenrohr als 
schwarzer Schandfleck im tiefen, 
weißen Schnee. 
Heute bin ich mir der sträflichen 
Handlungsweise, die ich mir damals 
zuschulden kommen ließ, vollkommen 
bewußt. Ich habe ärarisches Gut in leichtfertiger Weise 
verschleudert und habe — so würde wenigstens der 
Wiener sagen — mit unersetzlichen Werten geuraßt, aber 
es gibt eine ewige Gerechtigkeit, und dieser unterliegen 
nicht nur wir armen Erdenwürmer, sondern auch die - 
leblosen Gegenstände. Und nun — der kleine reflek¬ 
torische Abstecher wird mir wohl vergeben werden — 
zur eigentlichen Geschichte des Ofenrohres. 
Ich gehe meiner Pflicht nach, und inspiziere die 
Wachen auf Kote 3250 und auf dem Monte C. Die 
Seilbahn führt mich bis zur Höhe von 2300 Metern, die 
Differenz ist zu Fuß zurückzulegen, und zwar nicht etwa 
auf schönen, gebahnten Alpenvereinswegen, sondern auf 
holperigen und jede, auch die steilste Waud in gerader, 
windungsloser Route anpackenden Saumpfaden, die 
überdies — trotz der großen Not — reichlich überzuckert 
fliehen sie dieser Hölle. Weich geworden uud mitteilsam 
durch die Schrecken, denen er glücklich entronnen ist, 
erzählt ein nennnndvierzigjähriger Franzose, daß er 
schon vier Jahre lang den furchtbaren Krieg mitgemacht 
hat, und bitter fügt er hinzu: „La guerre aux Anglais!" 
(Laßt den Krieg den Engländern!) 
Und was Engländer und Franzosen in ihren großen 
Materialschlachten nicht erreichten, deutsches Material und 
deutsche Präzision in der Hand deutscher Männer er- 
schüttert die Stellungen und bahnt- den Weg zum Siege. 
* -i- 
* 
Das Ofenrohr. 
Von Dr. Nob ert Kon ta. 
Mit einem kraftigen Fluche auf den Lippen erwache 
ich. Die Bescherung ist aber auch zu arg: meine kleine 
Bude ist über und über mit Holzrnß bedeckt. Linnen
	        
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