Volltext: 183. Heft 1914/18 (183. Heft 1914/18)

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Jeder einzelne hat hundertmal mehr getan, als zur 
Verteidigung seines Eigentums, seiner Lieben zu tun 
wäre.... Und hinter den Wachtposten die Kompagnie 
in dürftigsten Deckungen. Sind wirklich noch Unterstände 
da, so werden sie zerquetscht, liegt man in flachen Löchern, 
ist man den splitternden Granaten ausgesetzt. Unauf- 
hörlich heißt es, sich selbst oder einen Kameraden ausgra- 
ben und vom Tode des Erstickens retten, ein Tagewerk 
an sich, einen starken Mann zu ermüden, und dann 
den anstürmenden Gegner empfangen, in erbittertem 
Nahkampfe die Kräfte mit ihm messen, den stets an Zahl 
Überlegenen, die Maschinengewehre hervorholen und 
im Hagel der Geschosse aufbauen, Verwundete ringsum 
und Tote, die liebsten Kameraden, die Luft von sausenden 
Granatstücken erfüllt, von Minen und zerfetztem Stachel- 
draht. Und nun das'Gas! Die jede freie Handlung, 
jede Übersicht fast unmöglich machende Gasmaske mit 
dem unerhört pressenden Druck vor dem Gesicht, die 
Drahtgläser beschmutzt von Lehm und Blut, das Gewehr 
voll Wasser, der Erdboden, auf dem man fußen will, 
ein glitschriger Brei. An Nahrung nicht zu denken! 
Und Tag für Tag das nämliche! .... Und hinter dem 
Trommelfeuer das Sperrfeuer. Da hindurch müssen 
die Reserven, die Meldegänger, einzelne Offiziere, 
Telephonisten, Munitionsbringer und Essenholer! Und 
alles, was sie dürfen, ist — Halten! bloß halten, bis 
überall die Fronten so stehen, daß es auch hier heißen 
kann: Vorwärts ! Und nun schon drei lange, lange Jahre !" 
Man kann sich hiernach 
eine Vorstellung machen, 
was es unter solchen Um- 
ständen auch auf den Feind 
für einen Eindruck machen 
mußte, einen solchen Gegner 
zu haben, an dessen eiser- 
nem Widerstande auch die 
stärksten Angriffsmittel zer- 
schellten. Man mußte sich 
doch endlich entschließen, 
die nutzlosen Angriffe einzu- 
stellen und zu dem gewöhn- 
lichen Stellungskriege mit 
g eleg entlich en Einzelan- 
griffen zurückzukehren, bis 
der Winter vorüber war und 
man mit frischen Kräften zur 
Fortsetzung der Osfensive 
schreiten konnte. Die Fran- 
zosen sahen sich genötigt, 
sich diesem Entschluß an- 
zubequemen. Auch sie 
warteten ja sehnlichst auf 
die aàrikanische Hilfe, 
und die war in ausreichen- 
dem Maße noch nicht zu 
erwarten. 
• Die Franzosen hatten 
noch während der Höhe- 
punkte der Flandernschlacht 
ihr Möglichstes getan, um 
die englische Offensive zu 
unterstützen. Wir müssen 
hier noch einmal auf den 
Oktober zurückgreifen, um 
die SchilderungderEreignisse 
an der französischen Front 
... / 
nachzuholen. Zunächst versuchten die Franzosen noch 
einmal an der Aisne, die Lage zu ihren Gunsten zu 
wenden. Am 2. Oktober jedoch wartete ihrer, noch ehe 
sie die Feuervorbereitung für ihren geplanten Vorstoß 
ins Werk fetzen konnten, an andrer Stelle eine Über- 
raschung. Bei Verdun war es ein Angriff unsrer 
Württemberger, der einen Teil der französischen Gräben 
in deutschem Besitz brachte. Unsre Truppen stürmten an: 
Nordabhang der Höhe 344 die vordersten Stellungen 
des Feindes in 1200Meter Breite. Nun setzten die Fran- 
zosen ihre ganze Kraft und ihren ganzen Ehrgeiz daran, 
das Ergebnis dieses kühnen Einbruchs rückgängig zu 
machen. Noch an demselben Tage führten sie nicht weniger 
als acht Gegenangriffe, um die Unsrigen von dem erober- 
ten Boden zu verdrängen. Es gelang ihnen nicht, auch 
als sie die Nacht zu weiteren Anläufen benutzten. In 
erbitterten Kämpfen wurden sie stets zurückgeschlagen. 
Sie ließen sich dadurch nicht abschrecken, sondern hielten 
an der Absicht, die Angriffe zu wiederholen, fest, doch 
warteten sie am 3. Oktober erst den Einbruch der Dunkel- 
heit ab, ehe sie vorgingen. Da eröffneten sie schlag- 
artig das stärkste Feuer an der Höhe 344. Der kurzen 
Feuervorbereitung folgte ein heftiger Ansturm der 
französischen Infanterie in tiefer Gliederung, aber auch 
dieser Angriff brach vor unfrer Front zusammen. Ähnlich 
verlief der 4. Oktober. Nur war die Feuervorbereitung 
ausgiebiger und länger. Es nutzte nichts. Als wieder 
bei Einbruch der Dunkelheit der Jnfanterieangriff ein- 
setzte, zerschellte er ebenso 
wie die vorhergehenden. Im 
ganzen waren es zwölf starke 
Angriffe gewesen, mitdenen 
die Franzosen versucht 
hatten, die Württemberger 
aus dem gewonnenen Ge- 
ländestreifen wieder heraus- 
zuwerfen, und alle diese An- 
strengungen waren vergeb- 
lich gewesen. Wie eine Quit- 
tung für die Fruchtlosigkeit 
der fortgesetzten Angriffe 
wirkte es, als am 5. Oktober 
an verschiedenen Stellen 
unsrer Verdunfront auf 
beidenMaasufernvou unsren 
Sturmtrupps kräftige Vor- 
stöße gegen die französischen 
Linien geführt wurden. Bei 
Malancourt, Bàhincourt, 
Forges, Samogneux und Be- 
zonvaux brachen die Unfri- 
gen in die feindlichen Stel- 
lungen ein und kehrten über- 
all mit Gefangenen zurück. 
So Warenunversehens, 
während die Franzosen eine 
neue Aisneschlacht rüsteten, 
die Kämpfe bei Verdun Wied er 
aufgelebt und zogen sich noch 
längere Zeit hin. Für die 
Franzosen galt es als be- 
sondere Ehrensache, bei 
Verdun jeden Fortschritt 
des Gegners zu verhindern 
und jedes Stück eroberten 
Bodens zurückzugewinnen, 
Aufn. K. Person, München. 
Essenholer auf dem Wege zur Stellung.
	        
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