Volltext: 17. Heft 1914/15 (17. Heft 1914/15)

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Südpolen erfolgten, mit Festigkeit zurück; ebenso kam 
ihr Vormarsch in Westgalizien zum Stehen, und die Kar¬ 
pathen riefen ihnen das gleiche „Halt" entgegen. Be¬ 
sonders nahmen die Kämpfe bei Krakau und in West¬ 
galizien vom 7. Dezember ab an Heftigkeit zu; die Russen 
wurden aus ihrer Stellung Dobczyce—Wieliezka ge¬ 
worfen. Dabei gelang es der österreichisch-ungarischen 
Artillerie, eine russische Abteilung in Wieliezka zu über¬ 
raschen. Kaum hatten die Krakauer Truppen das dortige 
Einrücken des Feindes erfahren, als sie, herbeigeeilt, auf 
das Dorf ein mörderisches Feuer eröffneten. Von der 
ganzen großen Abteilung gelang es kaum einigen Kafaken, 
zu entfliehen, während alle anderen tot am Platze blieben. 
Die österreichisch-ungarischen Truppen haben im Verlauf 
der heftigen Kämpfe, die sich auf der ganzen Linie ent¬ 
spannen, mehr als 10 000 Gefangene gemocht. So 
waren die Russen genötigt, das heiß begehrte Krakau 
fahren zu lassen und sich auf eine östliche Stellung 
längs des Dunajec und der Nida zurückzuziehen. 
* * * O. A. 
Englische Fernrohrbüchsen. 
(Aus einem Feldpostbrief.) 
Wir haben uns in den letzten Wochen nachgerade an 
das Leben in den Gräben und Unterkünften so gewöhnt, 
daß es uns sicher später ganz merkwürdig vorkommen 
wird, wenn wir wieder in normale, freundliche Ver¬ 
hältnisse kommen. Das einzige, worüber wir berech¬ 
tigten Grund zur Klage haben, ist das miserable Wetter; 
denn anstatt daß der Winter mit Frost und Schnee ein¬ 
setzt, worauf wir nach den Schneefällen im November 
hoffen durften, ist ein unendlicher Regen über uns herein¬ 
gebrochen, der meistens von einem undurchdringlichen 
Nebel abgelöst wird, wenn er mal eine Pause macht. 
Trotzdem haben wir bei einem guten, heißen Punsch 
sehr gemütlich Silvester gefeiert, und manche Wünsche 
und Gedanken find zu Beginn des neuen Jahres zu Euch 
in die Heimat geflogen. Die Engländer, die uns gegen¬ 
überliegen, verhielten sich in den ersten Stunden des 
neuen Jahres auch ruhig, so daß unsere Feier nicht gestört 
wurde. Am Nachmittag des 1. Januar ging aber der 
Tanz wieder los, und zwar gleich recht heftig. Unsere 
Artillerie funkte in einem fort in die feindlichen Stellun¬ 
gen; wir griffen vorerst nicht ein, bis um 7 Uhr abends 
der Befehl kam: „Fertig machen zum Sturm!" Eine 
halbe Stunde später krochen wir aus unserem Graben 
heraus, zum Vorkriechen immer die Zeit benutzend, in 
der große, dunkle Wolken vor dem dann und wann auf¬ 
tauchenden Vollmond vorüberzogen. So waren wir 
wohl bis auf 50 Meter ungesehen an den feindlichen 
Graben herangekommen, als plötzlich ein Schuß fiel. 
Sofort rief unser Führer: „Auf, marsch, marsch! 
Hurra!", und im nächsten Augenblick sprangen wir den 
überraschten, ziemlich verdutzten Engländern auf die 
Köpfe. Ein kurzes Gefecht entspann sich, einige, die sich 
wehrten, wurden niedergemacht, die anderen, etwa 
60 Mann mit 2 Offizieren, gefangen genommen. Unser 
Handstreich war uns also geglückt, und zwar mit wenig 
Verlusten, da wir nur zwei Tote und etwa ein Dutzend 
Leichtverwundete hatten. 
In dem eroberten Graben sah es ganz wohnlich 
aus, und wir fanden außer guten Mänteln und Decken 
ziemliche Vorräte von Konserven, Tee und Rum, die 
wir gut gebrauchen konnten. Aber am meisten über¬ 
raschte uns der Fund einiger Gewehre, die mit Ziel¬ 
fernrohren versehen waren. Es waren englische Jagd- 
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büchfen von derselben Bauart und demselben Kaliber 
wie die englischen Militärgewehre; es konnten daher 
auch umgearbeitete Militärgewehre fein, wie sie bei uns 
in der Heimat ja auch zu Jagdzwecken hergestellt werden. 
Die gut gearbeiteten Fernrohre zeigten eine sechsmalige 
Vergrößerung und waren in ähnlicher Weife wie bei 
unseren Jagdbüchfen auf den Lauf aufmontiert. Du 
kannst Dir denken, wie uns diese eigenartigen Trophäen 
in Erstaunen fetzten; aber jetzt konnten wir uns die fabel¬ 
hafte Sicherheit erklären, mit der die Engländer in den 
Tagen vorher auf uns geschossen hatten. Wo sich nur 
eine Helmfpitze, ein Spatenstiel oder ein Arm aus der 
Deckung hervorgewagt hatte, war hingefunkt und meistens 
getroffen worden, so daß wir uns schon sehr über die 
Scharfschützen gewundert hatten. Nun brachten uns 
die Fernrohrbüchfen des Rätsels Lösung. Ihre Besitzer 
waren sicherlich englische Sportsleute oder Jäger, wahr¬ 
scheinlich Offiziere, die im Besitz dieser Präzifionswaffen 
waren und sie mit ins Feld genommen hatten. 
Man sieht daran, welch praktische Leute die Herren 
Engländer find, denn die Fernrohrbüchfen haben sicher¬ 
lich ganz wesentliche Vorteile aufzuweifen. Zunächst 
kommt die Genauigkeit des Schießens in Betracht, die 
mit dem Fernrohr in unvergleichlicher Weife zunimmt. 
Man kann sogar die kleinste Zielfläche ganz klar er¬ 
kennen, denn die Fernrohre vergrößern fünf- bis achtfach, 
und man ist daher imstande, den Schnittpunkt des Faden¬ 
kreuzes ganz genau auf den Punkt zu dirigieren, auf den 
man die Kugel hinsetzen will. Ein Hauptvorteil ist aber 
das genaue Erkennen und infolgedessen treffsichere Be¬ 
schießen der Ziele bei schlechtem und unsicherem Licht, 
wie bei Nebel, in der Dämmerung und im nächtlichen 
Mondlicht. Wenn ich mich daran erinnere, wie oft ich 
bei solchem Licht, in dem ich mit bloßem Auge kaum Um¬ 
riffe wahrnehmen, geschweige denn richtig erkennen 
konnte, mit unfehlbarer Sicherheit dem Bock oder Hirsch 
die Kugel aufs Blatt gefetzt habe, dann will mir der 
Vorteil des Zielfernrohres ebenso groß, wenn nicht 
noch größer erscheinen, als das genaue und sichere Zielen 
beim vollen Tageslichte. Unsere Freude über unfern 
gelungenen Sturmangriff wurde durch das Aufdecken 
dieses Geheimnisses noch erhöht. 
* * 
* 
Gefangennahme eines Spions. 
(Aus einem Feldpostbrief.) 
Wir hatten einen Marsch von 300 Kilometern hinter 
uns, als wir am 11. Oktober in Lille ankamen und auf 
dem Bürgersteig übernachteten. Am nächsten Tage, früh 
7 Uhr, begann die Erstürmung der Stadt, und nachmittags 
um 5 Uhr konnten wir unter Gesang in sie einziehen. 
Trotzdem wollte das Feuern nicht aufhören. Immer 
wieder fielen Schüsse aus den Häusern, die dann mit dem 
Bajonett genommen und durchsucht werden mußten. 
Als ein Kamerad und ich in eine Straße einbogen, kam 
uns ein Automobil entgegen, das wir zunächst für ein 
deutsches hielten. Als es aber nahe war, sahen wir einen 
Zivilisten darin, zu dem wir sofort in der Fahrt auf¬ 
sprangen. Mein Kamerad ergriff ihn am Kragen, wäh¬ 
rend ich mich ans Steuerrad fetzte und den Wagen zum 
Stehen brachte. Als uns der Kerl ausreißen wollte, 
durchsuchten wir ihn und fanden Pistole, Messer und 
Dolch. Im 50-Kilometertempo ging es zu der nächsten 
Wache, wo wir unseren Zivilisten ablieferten, der sich 
als ein französischer Leutnant entpuppte. Das Auto 
lieferte ich an die Division ab.
	        
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