Volltext: 120. Heft 1914/17 (120. Heft 1914/17)

Nächtlicher Patrouillengang. 
Von Oskar Ludwig Hardy. 
Den ganzen Tag waren wir dem heftigsten Ar¬ 
tilleriefeuer ausgesetzt. Wir hockten in den Unterständen 
und froren erbärmlich. Die Kälte quetschte sich durch 
die Türritzen und kroch au uns empor. Das Dicht flackerte 
unruhig. 28totonnt! Dicht neben unserm Unterstand 
schlug eine Granate ein. Erdklumpen votierten.-gegen 
die Tür^Äe Balken ächzten und stöhnten. WwwNm! 
Volltreffer — mitten hinein in den Graben. 
Als die Nacht herangekrochen kam, ließ das Artillerie» 
und Minenfeuer des Feindes nach. Leuchtraketen 
schwammen im Nebelmeer, um die Baumwipfel des 
Waldes von Bregny wob der Mond silberne Schleier. 
Um elf Uhr trat ich mit zwei Gefreiten vor dem Unter¬ 
stand des Kompagnieführers zum Patrouillengang an. 
„Wir haben Meldung erhalten, daß der Feind Sappen 
vortreibt. Sehen Sie zu, ob Sie diesbezügliches wahr¬ 
nehmen können. Sollten Sie französischen Patrouillen 
begegnen, lassen Sie sich unter keinen Umständen auf 
Plänkeleien ein. Guten Abend!" Wir waren entlassen. 
Schwer tappten wir durch den Graben bis zu dem von 
unserm Unternehmen schon unterrichteten Horchposten. 
Wir winden uns durch den Drahtverhau. Stock- 
dunkel ist's. Wolken haben den Mond erwürgt. Ein 
leichter Sprühregen rieselt herab. Eisiger Wind braust 
über das Feld, hüpft in die Granatlöcher und meckert 
höhnisch. Gebückt schleichen wir vorwärts. Wenn eine 
Leuchtrakete aufflammt, bleiben wir stehen. Beim 
Franzmann alles ruhig. Weiter! Wir werfen uns zu 
Boden. Lauschen. Nichts zu hören. Nur der Regen 
dröhnt auf der Erde. Doch halt — der Wind trägt 
Phot. Rlch. Spelling, Berlin. 
Posten in einem vorgeschobenen Graben bei einem Gasangriff 
an -er Westfront. 
daß er es seinen Söhnen überlassen mußte, sich Kreuz 
und Wunde in vorderster Linie zu holen. Er darf das 
nicht — Kaiserpflicht geht über Soldatenrecht. 
Und diese Pflicht ist von einer Schwere, vor der 
fich schon die bloße Vorstellung entsetzen muß. Von der 
Verantwortung für die ungeheuer folgenschweren Ent¬ 
schlüsse, die er täglich faffen ober gutheißen mnß, kann 
kein noch so wohlbegrünbetes Gutachten feiner treuesten, 
gewissenhaftesten unb bebeutenbften Berater ben Kaiser 
entlasten. Er trägt sie als Mensch auf ben zwei Schultern 
bes Erbenfohnes; fein Name wirb sie burch alle kommen¬ 
den Jahrkanfenbe tragen müssen. 
Dieser Last ist er sich bemütig stolz bewußt. Unb 
wir wissen es alle, wer sie ihm tragen hilft: fein ehebem 
von so manchem „starken Geiste".überlegen belächelter 
Glaube. Von diesem Glauben inmitten feiner Krieger 
Zeugnis abzulegen, versäumt er nie bie Gelegenheit. 
Unb wenn er zum Gebete ben felbgrau bezogenen Helm 
abnimmt, dann sehen die Seinen, daß der volle Scheitel 
des fast Sechzigjährigen tief ergraut ist irrt Kriege — 
wie ber Scheitel manches um Jahrzehnte jüngeren 
Kriegsgefährten. Schwer finb bie Zeiten; sie lästert auf 
dein Kaiser wie auf bem Mann im Schützengraben. 
Und darum gehören die zwei zusammen: ber Kaiser 
uttb sein Soldat. 
Und sind wir Deutschen heute nicht alle, Mann und 
Weib, des Kaisers Soldaten? Wo er auch immer schläft 
ober wacht, er steht in unser aller Hut. Des Glücks Ises 
alten Schwabenfürsten kann auch ber Deutsche Kaiser 
sich rühmen: febem Untertan bars er kühnlich fein Haupt 
in ben Schoß legen. Um ben Kaiser im Felde stellt sich 
die Feldwacht seiner Getreuen. Und seine Getreuen 
sind wir Deutschen allesamt. 
Phot. Nich. Spelling, Berlin. 
Maschinengewehr in vorderster Stellung während eines 
Gasangriffes.
	        
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