Volltext: 1. Heft 1914 (1. Heft 1914)

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Artillerie schon einen Hagel von Geschossen auf die Stelle, 
vderr einer jener schnellen Torpedobootszerstörer rennt, 
wenn er nahe genug ist, mit voller Schnelligkeit auf das 
Periskop los, vernichtet es und beschädigt das Untersee¬ 
boot darunter durch Rammftoß, ehe es Zeit gehabt hat, 
sich zu versenken. 
Als das Unterseeboot „U 9" am Morgen des 22. Sep¬ 
tember zwanzig Seemeilen nordwestlich von Hoek van 
Holland stand, hatte es Wohl eine Nachtfahrt hinter sich. 
Wo es herkam, wissen wir nicht, wie lange das kleine 
Fahrzeug schon jenen Teil der Nordsee nach feindlichen 
Schiffen abgesucht hatte, ist ebensowenig bekannt. Erst 
eine spätere Rückschau auf die Ergebnisse des Krieges wird 
dieses und viele andere Geheimnisse entschleiern, an denen 
auch nur herumzuraten heute unberechenbaren Schaden 
verursachen könnte. 
Gegen 6 Uhr morgens, als die Dunkelheit zu weichen 
begann, war die See ruhig, das Wetter beinahe windstill. 
Die Sicht war, wie so häufig zu Herbstzeiten über der 
Nordsee, teilweise klar, teilweise neblig. Der, Komman¬ 
dant von „U 9" beobachtete in angespannter Aufmerk¬ 
samkeit den sich immer mehr aufhellenden Horizont und 
erblickte drei große Kriegsschiffe, soweit er unterscheiden 
konnte, englische Panzerkreuzer. Sie kamen dem Unter¬ 
seeboote zufällig genau entgegen und fuhren in weit auf¬ 
gelöster Ordnung nebeneinander, also in breiter Front. 
Der Seemann nennt das eine Dwarslinie (dwars — quer). 
Zum Angriffe brauchte „U 9" sich nicht erst vorzubereiten. 
Alles an Bord war bereit, denn ebenso wie das Torpedo¬ 
boot, mutz auch das Unterseeboot mit Überraschungen, die 
in jedem Augenblicke bei Tage oder bei Nacht eintreten 
können, rechnen. 
Die breite Linie der drei britischen Kreuzer näherte sich 
derart, daß es dem Kapitänleutnant Weddigen am zweck¬ 
mäßigsten schien, das mittelste Schiff zunächst anzugreifen. 
Die drei großen Kreuzer mit noch anderen Fahrzeugen, 
die sich damals in einiger Entfernung aufhielten, waren 
offenbar bestimmt, vor der holländischen Küste zu 
patrouillieren und wohl ebenso auf holländische Handels¬ 
schiffe wie auf deutsche Kriegsschiffe achtzugeben. 
„U 9" war über den Kurs des Feindes genau unter¬ 
richtet, ließ ihn herankommen, ist ihm wohl auch ent¬ 
gegengefahren, hat sich vielleicht im letzten Augenblicke 
auch noch unter vorsichtigem Ausschieben des Periskopes 
orientiert. Dann, als der Augenblick gekommen war, 
machte der Kommandant seinen Torpedoangriff auf den 
mittelsten der drei Kreuzer, die „Aboukir". Der Torpedo 
verfehlte sein Ziel nicht. Eine starke Explosion folgte, 
und nach wenigen Minuten war die „Aboukir", das 
Schiff, welches den Namen eines der größten britischen 
Seesiege trug, in den Fluten verschwunden. 
Die beiden anderen Kreuzer, „Hogue" und „Cressh", 
glaubten zunächst, die „Aboukir" sei auf eine Mine ge¬ 
laufen. Sie kamen Von beiden Seiten heran, um die 
Schwimmenden aufzunehmen. Diesen Augenblick be¬ 
nutzte „U 9", um die „Hogue" anzugreifen. Auch dieses 
stolze Schiff sank nach wenigen Minuten. Der Kreuzer 
„Cressh" kam heran und versuchte nunmehr den unsicht¬ 
baren Feind zu finden und zu vernichten. Englische Offiziere 
und Mannschaften haben nachher viel über den Vorfall 
erzählt: die einen behaupten, die „Cressh" und auch die 
„Hogue" hätten noch verschiedene Periskope deutscher 
Unterseeboote gesehen, sie unter Artilleriefeuer genommen 
und tatsächlich eine Anzahl von Unterseebooten ver¬ 
nichtet. Andere Berichte sprechen von einem einzigen 
Kanonenschuß, der abgegeben sei. Tatsache ist dagegen, 
wie der Bericht des Kommandanten von „U 9", Kapitän- 
leutnant Weddigen, verbürgt, daß von keinem einzigen 
der englischen Kreuzer ein Schuß fiel. In der allge¬ 
meinen Verwirrung, die nach dem Sinken der „Hogue" 
eintrat, ist „U 9" vollkommen unbemerkt geblieben. 
Der Kommandant war entschlossen, die Gelegenheit 
bis zur Neige auszunützen, und machte zwanzig Minuten 
später noch einen Torpedoangriff auf die „Cressy", den 
er vorher durch ein entsprechendes Manöver hatte vor¬ 
bereiten müssen. Auch die „Cressy" wurde getroffen, 
kenterte, schwamm noch eine Zeitlang kieloben und ver¬ 
sank dann ebenfalls. Nun kamen englische Torpedoboote, 
Schleppdampfer und holländische Fahrzeuge herbei, um 
an Mannschaften zu retten, was noch zu retten war. 
„U 9" hatte feine Aufgabe glänzend erfüllt, sah aber 
jetzt die ebenso schwierige vor sich, seinen schlimmen Ver¬ 
folgern, den feindlichen Torpedofahrzeugen, zu entgehen. 
Die Frage liegt nahe, wie Torpedobootzerstörer einem 
Unterseeboote denn gefährlich werden könnten. Dieses 
brauche doch nur unter Wasser zu fahren, um fuh ihnen 
zu entziehen. In dieser Überlegung ist ein Fehler ent¬ 
halten: Das Unterseeboot kann zwar unter Wasser fahren, 
aber nur eine bestimmte Zeitlang, denn einmal reid)t 
sein Vorrat an Elektrizität nicht unbegrenzt aus, und 
ferner ist es bisweilen genötigt, an die Oberfläche zu 
kommen, um sich zu orientieren. Der Kommandant muß 
ab und zu feststellen, wo er ist, ob er nicht sich der Küste 
in gefährlicher Weise nähert usw. Die seindlichen Tor¬ 
pedobootszerstörer wissen das. Ihre als Beobachter ge¬ 
schulten Mannschaften richten beständig die Aufmerksam¬ 
keit darauf, ob nicht irgendwo ein Periskop sich zeigt. 
Gelingt es dann auch nicht, sofort das Unterseeboot zu 
vernichten, so haben die Torpedoboote doch gleid) wieder 
einen Anhalt. Man verfolgt und beobachtet weiter, und 
so kann es kommen, daß schließlich das Unterseeboot seinen 
schnellen und aufmerksamen Feinden zum Opfer fällt. 
Eine Methode gibt es freilich für das Unterseeboot: tief 
unter Wasser hinunterzugehen und dort still liegen zu 
bleiben, bis die Nacht gekommen ist. Man verliert aber 
entsprechend Zeit dabei, und es kann Situationen geben, 
wo das Risiko dem Zeitverluste vorzugehen ist. Der Retter 
des Unterseebootes ist die Dunkelheit, denn nicht nur 
kann man kein Periskop in der Dunkelheit sehen — das 
übrigens dann auch unbrauchbar ist — sondern ein vor¬ 
sichtig halb ausgetauchtes Boot ist ebenfalls nur in ver¬ 
hältnismäßig geringem Grade der Gefahr ausgesetzt, ge¬ 
funden zu werden. „U 9" wurde bis zum Abend des 
22. September auf feiner Rückfahrt nach der deutschen 
Bucht der Nordsee von feindlichen Torpedobootszerstörern 
verfolgt. Am anderen Tage lief es wohlbehalten in den 
heimischen Hafen ein. Die Vernichtung der drei Kreuzer 
durch das eine kleine Unterseeboot erregte ungeheures 
Aufsehen in der ganzen Welt. Allgemeine Bewunderung 
fand die sdjneidige und dabei so kaltblütig von Anfang 
bis zu Ende durchgeführte Leistung des Komman¬ 
danten und seiner tapferen Besatzung. Die ganze 
Besatzung wurde mit dem Eisernen Kreuze zweiter 
Klasse ausgezeichnet, während der Kommandant, 
Kapitänleutnant Weddigen, außerdem das Eiserne Kreuz 
erster Klasse erhielt. Die drei englischen Panzerkreuzer 
waren wertvolle Schiffe, wenn schon nicht ganz modern. 
Nach den vorliegenden Nachrichten ertranken ungefähr 
1400 Mann, während die übrigen, etwa 700, gerettet 
wurden. Graf Ernst zu Reventlow.
	        
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