Volltext: 116. Heft 1914/17 (116. Heft 1914/17)

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Die Ereignisse auf der Balkanhalbinsel 
bis Ende August 1916. 
Von Wilhelm von Massow. 
Mitte Januar 1916 war der Feldzug, den die Mächte 
des Vierbundes auf der Balkanhalbinsel geführt hatten, 
durch die vollständige Eroberung Serbiens ■— einschlie߬ 
lich des serbischen Mazedonien — und durch die Nieder- 
werfung Montenegros beendet worden. Es war ein 
vollständiger Sieg über die beiden feindlichen Balkan¬ 
staaten und jede Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß sie 
aus der Reihe unsrer Gegner überhaupt ausschieden. 
Das aber wollten die Leiter des Bierverbandes um 
jeden Preis vereiteln. Zwar hatten sie ihre Schützlinge 
und Bundesgenossen nicht rechtzeitig retten können; 
ihr Schicksal kümmerte sie auch in Wahrheit nicht im 
geringsten. Was ihnen aber nicht 
gleichgültig wen*, das waren die 
möglichen Folgen, die sich daraus 
für die allgemeine Lage ergeben 
konnten. Sie fürchteten den mora¬ 
lischen Eindruck der Tatsache, daß 
zwei ihrer Mitkämpfer völlig zu 
Boden geworfen waren, und so 
mußte alles geschehen, um die Lage 
so erscheinen zu lassen, als ob weder 
für Serbien noch.für Montenegro 
alles verloren war. Sollte das ge¬ 
lingen,.so war zweierlei notwendig. 
Es mußte auf Griechenland ein 
neuer Druck ausgeübt und die Stel¬ 
lung um Saloniki verstärkt werden. 
Weiter aber mußten die Reste des 
Serbenheeres gesammelt und neu¬ 
organisiert werden, und zu diesem 
Zwecke war es notwendig, Alba¬ 
nien in die Hand zu bekommen. 
Das war natürlich die gegebene 
Aufgabe für Jtalieu. Aber dieser 
etwas widerspenstige Bundesge¬ 
nosse war für die Pläne der eng¬ 
lisch - französischen» Politik nicht 
ganz leicht zu gewinnen, da er dem Grundsatz der alten 
Volksweisheit huldigte, daß das Hemd ihm näher sei 
wie der Rock. Die italienischen Waffen waren trotz der 
gegen Österreich-Ungarn aufgestellten Übermacht nicht 
ganz eins ihre Rechnung gekommen. Noch immer war 
das Trentiuo nicht erobert, und Triest wollte noch immer 
nicht eine italienische Hafenstadt werden. Der italienische 
Generalstab wehrte sich mit aller Kreist gegen den Ge¬ 
danken einer Absplitterung einzelner seiner Truppen¬ 
verbünde 51t irgendwelchen Sonderunternehmungen im 
Gesamtinteresse des Vierverbandes. Es war daher wenig 
Lust vorhanden, sich dem in Montenegro siegreichen 
Österreich-Ungarn noch nachträglich in den Weg zu 
stellen. Aber ganz und gar auf den Einfluß in Albanien 
zu verzichten, ging auch nicht an, zumal da jetzt nach 
der Abreise des Fürsten Wilhelm der ränkevolle und ehr¬ 
geizige Essad Pascha wieder das Regiment im Lande 
führte, der doch seinerzeit im Solde Italiens gestanden 
hatte. So hielten die Italiener, um die Hand nicht ganz 
ans den albanischen Angelegenheiten herauszuziehen, die 
Hafenstädte Valona und Durazzo besetzt, ohne sich jedoch 
weiter in die Entwicklung der Dinge hineinziehen-zn lassen. 
Gerade aus bet Möglichkeit aber, daß Jtalieu von 
Dnrazzo ans einen Einfluß in Albanien ausüben könne, 
der unter dem Druck der englischen und französischen 
Politik die Ergebnisse des serbischen und montenegrini¬ 
schen Feldzugs in Frage zu stellen geeignet war, ergab 
sich für Österreich-Ungarn die Aufgabe, sich auch Alba¬ 
niens zu versichern. Die Stellung dieses neugeschaffenen 
Staates zum Kriege war völkerrechtlich zweifelhaft. 
Eine gültige Neutralitätserklärung einer anerkannten Re¬ 
gierung lag nicht vor. Der Fürst, der sozusagen unter 
Garantie Europas eingesetzt worden war, hatte das Land 
verlassen, weil ein großer Teil seines Volkes sich gegen 
ihn erhoben hatte. Dieser Teil der Albanier stand unter 
italienischem Einfluß. Unter solchen Verhältnissen 
standen völkerrechtliche Gründe einer Besetzung Alba¬ 
niens durch Österreich-Ungarn nicht entgegen. Wohl 
aber hatte Österreich-Ungarn die triftigsten Gründe, den 
italienischen Einfluß zu beseitigen und die Sympathien, 
die es selbst in reichlichem Maße 
in diesem Lande genoß, sich zu¬ 
nutze zu machen. Gerade in Nord¬ 
albanien machte die alte Erbfeind¬ 
schaft gegen Montenegro die Ein¬ 
wohner des Landes zu natürlichen 
Freunden Österreich-Ungarns. In 
Mittelalbanien hatte zwar Essad 
Pascha stärkeren persönlichen Ein¬ 
fluß, aber seit er selbst im Besitz 
der Macht war und seinen Ein¬ 
fluß nicht mehr ausschließlich zum 
Aufwiegeln gegen den recht¬ 
mäßigen Inhaber der Herrschaft 
benutzen konnte, hatte er sich viele 
seiner Anhänger verscherzt. Die 
Albanier verfuhren mit ihm, der 
ja nur einer ihrer Stammes¬ 
häuptlinge war, nicht anders 
wie mit dem Fürsten, der ihnen 
durch Übereinkommen der Gro߬ 
mächte beschert worden war. 
Alle, die Essad Pascha fürchteten 
oder ihm feind waren, wandten 
sich jetzt Österreich - Ungarn zu. 
Bezeichnend für die eigenartigen 
Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel ist es auch, daß die 
Montenegriner selbst die österreichisch-ungarische Regierung 
um möglichst Beschleunigten Einmarsch in Albanien baten, 
da sie sich, durch die letzten Kriegsereignisse erschöpft, nicht 
mehr imstande fühlten, den zu erwartenden feindseligen 
Einfällen der Albanier die Spitze zu bieten. Schon war 
es an der Grenze bei Podgorica zu Unruhen gekommen. 
Die österreichisch-ungarische Heeresleitung hatte um 
so weniger Veranlassung, mit der Besetzung von Al¬ 
banien zu zögern, als von seiten des Vierverbandes schon 
Maßregeln getroffen worden waren, die Reste des ser¬ 
bischen Heeres neu zu organisieren. Um einen geeigneten 
Ort zum Sammeln der versprengten und kampfmüden 
Serben zu finden, scheuten sich die Vierverbandmächte 
nicht, abermals eine unerhörte Verletzung der Neutrali¬ 
tät Griechenlands zu begehen. Schon am 11. Januar 
nahm ein französisches Kriegsschiff eine Truppen¬ 
landung auf der Insel Korfu vor. Die Insel wurde ge¬ 
wählt, weil ihre Lage die Aufnahme und vorläufige 
Unterbringung der Trümmer des serbischen Heeres be¬ 
sonders erleichterte. Hier konnte der Verkehr mit Frank¬ 
reich dmch Kriegsschiffe am besten aufrechterhalten 
werden. Außerdem gewährte die Besetzung vom Korfu 
den Franzosen eine besondere Genugtuung, die für ihre 
(5'ssad Pascha, der Machthaber in Albanien.
	        
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