Volltext: 115. Heft 1914/17 (115. Heft 1914/17)

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Der Marketender. 
Verschwunden sind jene schöne Zeiten, wo Marie 
„die Tochter des Regiments" in kleidsamer halbmilitäri¬ 
scher Tracht dem erschöpften Soldaten ein schäumendes 
Glas Bier kredenzte. Heute reist ein kräftiger Feldgrauer- 
auf dem Wagen durchs Land. Was er in langen!,Tagen 
eingekauft und in anstrengenden Märschen nach vorn 
gebracht hat, das schmilzt unter dem Ansturm der kaufen¬ 
den Mannschaft wie Schnee an der Sonne. Bald heißt 
es: „Ausverkauft", und der leere Wagen poltert den 
langen Marsch wieder zurück, neue Waren nach vorn 
zu schaffen. In erster Linie sind es „Fettigkeiten'', nach 
denen das Herz des Soldaten verlangt. Aber die sind 
selten. Die Olsardine ist an ihre Stelle getreten. Sie ist 
zu einem geradezu ungeahnten Massenartikel geworden. 
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wärts große Magazine angelegt, wo die beliebtesten 
Waren' zu Großhandelspreisen den Truppenmarketen- 
dcheien zum Kauf angeboten werden. Früher zogen die 
Marketender bis weit nach Dentfchland hinein. Wertheim 
waä'für Unsre weit in Rußland vorgeschobene Truppe 
eine • beliebte Quelle. Manche Städte, die nicht weit 
von der Front lagen, wurden damals von den Marke- 
tendeseien vollkommen ausgekauft, so daß die Einwohner 
— mit. Ausnahme natürlich der Kaufleute nicht 
gerade entzückt waren. So bildete Allenstein im Winter 
1914/15, als die Front nicht weit jenseits der ost¬ 
preußischen Grenze lag, einen beliebten Einkaufsort. 
Sämtliche Kolonialwarenläden wurden ausgekauft, auf 
den Märkten dort zahlte der Marketender für Eier und 
Butter so hohe Preise, daß die Bürger nicht mithalten 
konnten und das Nachsehen hatten. 
Der deutsche Kaiser bei den Truppen in Mühlhausen im Elsaß am 13. Dezember 1916. 
Aber auch die liebe Marinelade muß hier einspringen. 
In zweiter Linie schätzt der Soldat etwas Alkohol. 
Natürlich wird er schon mit Rücksicht ans den Dienst nicht 
in Unmengen verabreicht, aber ein Schnäpschen ist dem 
auf Posten halb erfrorenen Soldaten bei der Heimkehr 
in den Unterstand wohl zu gönnen. Auch Weiu ist sehr 
beliebt, und alle Sektmarken finden guten Absatz auch 
unter den Mannschaften; meist tun fich ein paar zusammen 
und erstehen sich eine ober auch zwei Flaschen „Champns". 
Man hat's ja dazu. Denn Gelegenheit, Geld auszugeben, 
hat der Soldat an der Front so gut wie gar nicht. Ein¬ 
gemachte Früchte und Gemüse, Spargel, Kirschen und 
Kompotts finden ebenfalls willige Abnehmer. 
Dann braucht der Soldat Briefpapier und Schreib¬ 
gerät, Hosenträger,' Seife, Zahnbürste, Brustbeutel, 
Strümpfe, Messer, Rauchzeug jeglicher Art, zumal 
Zigarren und Zigaretten, Latschen, Knöpfe, Nähzeug. 
Mit einer langen Liste bewaffnet zieht der Marke¬ 
tenderunteroffizier zum Einkauf los. Meist wird ein ge¬ 
schäftskundiger Kaufmann ausgesucht, der diesen wich¬ 
tigen und Vertrauen heischenden Betrieb leitet. Di- 
Armeeoberkommandos haben in letzter Zeit weiter rück- 
Ein ganz besonderes Fest ist es, wenn der Marke¬ 
tender Bier mitgebracht hat. Das geht wie ein Lauf¬ 
feuer durch die Truppe. Um nun Streit und Ungerech¬ 
tigkeiten zu vermeiden, wird das Bier meist aus den 
Ersparnissen umsonst gegeben und gleichmäßig verteilt. 
Die jedesmal in Ruhe -liegenden Kompagnien können 
es dann in aller Gemütlichkeit austrinken. Allzuviel ist 
es meist nicht, ■ da die Beförderung zu schwierig ist. 
Aber im Felde lernt der Soldat sich bescheiden und wenn 
jeder .Mann zwei Trinkbecher voll bekommt, so dünkt 
er sich ein König und trinkt jedeü Schluck mit einer 
Andacht, wie er sie früher dem schönsten Siechenbier 
nicht geschenkt hätte. Meist spielt dann die Regiments¬ 
musik, bald drehen sich einige Paare im Walzer, und 
wenn die Musik schweigt, so erklingen traute Heimat¬ 
lieder aus sangesfreudigen, wetterharten Kehlen. 
Auch im Felde gibt es Festtage, und ein folcher ist 
es, wenn es im Schützengraben von Mann zu Mann 
weiter gesagt wird: „Der Marketender ist da!". Alle 
Augeu leuchten dann auf. Und das ist es, was dem 
Marketender die Lust und Liebe zu seiner schweren 
Ausgabe erhält. Incus.
	        
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