Volltext: 11. Heft 1914 (11. Heft 1914)

Phot. Boedecker, Berlin-Friedenau. 
86 00000 30000 000000000000000000 000000 0000000 00000 000000 00000000000000 000000000 00000 
aussehenden, aber für den Krieg in Europa und gegen 
ein wirkliches, wohlgeordnetes Heer recht wenig geeigne¬ 
ten Kerle erbärmlich froren und sich, zerlumpt und hung¬ 
rig, wie sie waren, recht gern gefangennehmen ließen, 
da kam noch das Gefühl des Mitleids hinzu, das uns 
Deutsche — fast möchte man heute sagen leider! — vor 
allen Völkern auszeichnet. Leute genau derselben Art 
haben wir auch jetzt wieder in Frankreichs Heeren vor 
uns, nur daß sie nicht mehr Turkos heißen — dieser 
Name war übrigens auch 1870 schon längst nicht mehr 
amtlich — und daß, wie wir sehen werden, sich unter 
den Zuaven viele recht eigentümliche, in Europa selbst 
heimische Vögel befinden. 
Wir haben mit Frankreichs exotischen Kulturträgern 
begonnen und können auch bei ihnen verbleiben; nur 
müssen wir, um auch den richtigen Anfang der Farben- 
Gefangene Turkos. 
skala zu gewinnen, die neueste, in diesem Kriege zum 
erstenmal in Europa, als Kampftruppe wenigstens, 
auftretende „Sensation" an die Spitze stellen. Das sind 
die kohlpechrabenschwarzen Senegalschützen, reine 
Mohren ans Nordwestafrika, Kerle bis zu 6 Fuß und 
mehr lang, mit fletschendem Tigergebiß, die noch vor 
ihrem „Diensteintritt" in Frankreichs Armee vielfach der 
lieblichen Gewohnheit huldigten, Mitmenschen als Mittag- 
oder Abendessen zu genießen. Gott sei Dank, daß diese 
schwarzen Bestien die Kälte des nordischen Winters nicht 
ertragen können und, wenigstens nach Zeitungsberichten, 
größtenteils aus der Front haben abgeschoben werden 
müssen. 
Eine bis mehrere Schattierungen heller, wenigstens 
im allgemeinen — es gibt auch Ausnahmen —, sind die 
früheren Tnrkos, heute als „Algerische Schützen", 
„Spahis" und „Chasseurs d'Africjue", je nach 
ihrer Waffengattung, bezeichneten Angehörigen des fran¬ 
zösischen 19. Armeekorps aus Algier. Sie setzen sich aus 
allen möglichen Stämmen Nordafrikas zusammen und 
bilden daher mehrere S'tufen in der Farbenskala, nämlich 
vom dunkeln Braun bis fast zum nur „brünetten Teint" 
— etwa vom Kaffeebraun bis zum Berliner „Kaffee 
verkehrt". Marokkaner, Berber, Algerier, Tunesier — 
alle Einwohner des alten Mauretaniens und Numidiens 
finden wir hier vertreten. 
Das gleiche gilt, soweit sie in Algerien ihren Frie¬ 
densstandort haben, auch für die Zuaven. Von dieser 
Truppe, die sich nur durch andere Uniform von den 
„Turkos" unterscheidet, sind jedoch mehrere Bataillone 
dauernd ins französische Mutterland abkommandiert und 
haben französischen Ersatz — aber was für welchen! Ein 
deutscher, eben aus Frankreich gekommener höherer 
Offizier erzählte kürzlich, so viele Galgenvogelgesichter 
wie unter einem Trupp gefangener Zuaven dieser 
Art habe er in seinem ganzen Leben noch nicht bei¬ 
sammen gesehen: alles Pariser Zuhälter und dgl. — 
außen weiß, aber innen pechschwarz! 
Die Reihe der braunen 
Hautfarbentöne setzt sich fort 
bei dem Gemengsel fremd¬ 
ländischer Völkerschaften, das 
unser lieber Vetter John Bull 
gegen uns auf die Beine 
gebracht hat. Da sind zu¬ 
nächst die „dunkelhäutigen 
Gurkhas", deren Lanzen¬ 
spitzen ein englischer General 
so gern Unter den Linden 
funkeln sehen möchte. Ein 
frommer Wunsch; denn die 
Gurkhas halten das euro¬ 
päische Klima fast ebenso 
schlecht aus wie die Neger 
vom Senegal, obwohl sie an 
den Abhängen des Himalaya, 
in den britischen Vasallen¬ 
staaten Nepal und Bhotan, zu 
Hause sind. „Gurkha" heißt 
übrigens Bergvolk, und hier 
läßt sich, nebenbei gesagt, 
die Verwandtschaft der indo¬ 
europäischen Sprachen her¬ 
ausfinden: der Russe nennt 
seine Kaukasusvölker „Gor- 
zen",nnd dieser Name kommt 
vom slawischen Worte gora = Berg, das auch den Stamm 
der ehemals slawischen, jetzt gut deutschen Ortsnamen 
Görlitz, Göritz, Gurkau (bei Glogau) bildet! Braun sind 
auch mehr oder weniger die sonstigen Hilf strnppen Albions, 
die Sikhs aus dem Jndusgebiet und die übrigen Hindus, 
die der Brite gegen uns marschieren läßt, um die gefähr¬ 
lichen, weil begabten, fanatischen und ihm im Grunde 
genommen recht wenig wohlgesinnten Inder nach Mög¬ 
lichkeit aus ihrer Heimat zu entfernen und durch die 
deutschen Kugeln, sowie durch die Unbilden des Wetters 
für immer unschädlich machen zu lassen. 
Wenden wir den Blick nach unserem östlichen Kriegs¬ 
schauplatz, so treffen wir unter „Väterchens" Hilfstruppen 
den gelben Farbenton an. Die tatarischen Völker, 
Baschkiren, Kirgisen usw., die Nachkommen von Attilas 
Hunnen und von der Goldenen Horde von Kiptschak, die 
auch dem Moskowiterblut selbst den tatarischen Einschlag 
gegeben hat, sie alle haben einen gelblichen Ton, ebenso 
wie die Turkmenen, die, noch vor nicht langer Zeit er¬ 
bitterte Feinde des russischen Eroberers, jetzt seine Sieges- 
„Dampfwalze" gegen Deutschland mitgeschoben haben. — 
In den sibirischen Armeekorps finden wir sogar eine große
	        
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