Volltext: 11. Heft 1914 (11. Heft 1914)

dann legten sich Soldaten auf die Flöße und wurden 
vom Lande abgestoßen. Stunde aus Stunde mußten 
sie warten, bis endlich die Strömung sie ihrem Ziele, 
den schottischen Regimentern, die das seindliche Ufer 
besetzt hielten, allmählich zutrieb. Im geeigneten Augen¬ 
blick eröffneten die Soldaten auf die lagernden Schotten 
aus der Nähe ein rasendes Schnellfeuer, das sie mit 
dröhnendem Hurrageschrei begleiteten. Während der 
so entstandenen Verwirrung näherten sich vom deutschen 
Ufer drei gepanzerte Motorboote, die aus ihren Schnell¬ 
feuergeschützen und Maschinengewehren den Feind zur 
Flucht zwangen und ihm starke Verluste beibrachten. 
Klugheit und Zähigkeit hatten auch hier zum gewünschten 
Ziele geführt. Es ist durchaus unrichtig, wenn man hin 
und wieder gefagt hat, daß der moderne Krieg den 
einzelnen zum Gliede einer Maschine mache, und daß 
den Munitions- und Verpflegungskolonnen, noch be¬ 
wegungsfähig, daß die Pferde trotz der von ihnen gefor¬ 
derten ungewöhnlichen Anstrengungen und trotz des Man¬ 
gels an Nachtställen noch leistungsfähig sind, daß die 
Truppe auch in den schwierigsten Lagen immer „zu essen 
und zu schießen" hat, das verdanken wir der hervorragen¬ 
den Energie der Kolonnenführer und der zähen, echt deut¬ 
schen Pflichttreue aller Wagenführer bis zum letzten 
Trainsoldaten. Ohne ihre Leistungen hätten wir kein 
Tannenberg und Jwangorod, kein Wloclawek und Lodz 
gehabt, ständen wir jetzt nicht siegreich im Herzen Polens! 
Deutsche Kriegslist. 
Wie Offenheit ein Grundzug des deutschen Cha¬ 
rakters ist, so liebt der deutsche Soldat im Kriege das 
offene, ehrliche Losgehen gegen den Feind. Kavallerist 
und Infanterist fühlen sich bei der Attacke und beim 
Sturm am wohlsten. Aber selten wird es ihnen so gut; 
was den modernen Krieg entscheidet, ist mehr noch 
Ausdauer und Zähigkeit, über die der Deutsche wiederum, 
kraft seiner Rasse und Eigenart, in hohem Maße verfügt. 
Eher könnte man annehmen, daß ihm die Kriegslist 
weniger liegt; hier kommt dem Deutschen jedoch wieder 
seine Phantasie und vielleicht auch seine Belesenheit 
und sein Humor zugute. Von feindlicher Seite wird 
berichtet, daß die Deutschen in der Erfindung von Kriegs¬ 
listen geradezu unerschöpflich sind. An „Lederstrumpf" 
und „Die große Schlange" erinnert eine Begebenheit, 
die von der Londoner „Daily Ehronicle" berichtet wird. 
Die Deutschen sahen nämlich aus dem Überschwem¬ 
mungsgebiet der Dser zahllose entwurzelte Bäume und 
Sträucher treiben und beschlossen, unter dieser Maske 
sich dem Feinde zu nähern. Sie stellten eine Anzahl 
kleiner, schmaler Flöße her, die sie mit Laubwerk um¬ 
gaben, wodurch sie den entwurzelten Bäumen und 
Sträuchern glichen. Die Strömung wurde beobachtet, 
Die Farbenskala unserer Gegner. 
Als 1870 die „Grrrande nation" zum erstenmal 
ihre Turkos und Zuaven auf uns losließ, da betrach¬ 
teten unsere Streiter diese merkwürdigen Stützen der 
Zivilisation Frankreichs mit einem Gemisch von Er¬ 
staunen, Unwillen, Ekel und Hohn. Später, als unsere 
Tapferen sahen, wie die armen Teufel, diese so furchtbar
	        
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