Volltext: 11. Heft 1914 (11. Heft 1914)

brachte Gerüst fing Feuer, und brennende Holzstücke italienische Presse drangen nun richtigere Vorstellungen 
stürzten aus das Dach. Dadurch entstand allerdings von dem Geschehenen ein, und die Aufregung begann 
eine größere Gefahr für die Kathedrale, aber fie wurde fich zu legen, freilich nicht, ohne daß böser Wille und 
glücklich abgewendet. Vorurteil die genügend widerlegten Verleumdungen 
Kaum wurde das Geschehene bekannt, als die immer wieder von Zeit zu Zeit ausleben ließen. Wenige 
sranzöfische Regierung bereits verbreiten ließ, fie habe Wochen fpäter mußte überdies die Befchießuug von 
befchloffen, fofort auf diplomatischem Wege zu prote- Reims wieder aufgenommen werden, 
stieren und ihre Entrüstung zu äußern wegen „des Den östlichen Flügel der von Norden vordringenden 
Bombardements und der Zerstörung der Kathedrale deutschen Armeen bildete die Armee des Kronprinzen des 
von Reims". Die französische Gesandschast im Haag Deutschen Reichs; ihr war jetzt eine außerordentlich schwie- 
übermittelte der niederländischen Regierung einen Protest rige Ausgabe zugefallen. Solange die deutsche Oberste 
des französischen Ministers des Auswärtigen, Delcaffs, Heeresleitung hoffen durfte, mit dem größten Teil ihrer 
gegen die „absichtliche Zerstörung der Kathedrale durch Kräfte fo weit nach Süden vorstoßen zu können, daß die 
die Deutschen". Es hieß darin, „die Menschheit habe Ostfront der französifchen Gesamtstellung wirksam im 
einen unersetzlichen Verlust erlitten". Damit wurde der Rücken bedroht wurde, war die Aufgabe der deutschen 
Verleumdungsseldzug eröffnet, der nun wochenlang Streitkräfte eine wesentlich andere gewesen. In der 
durch die ganze Welt getragen wurde. Gelehrte und zweiten Hälfte des September aber war eine neue Lage 
Künstler in neutralen Ländern, in denen starke Sym- entstanden, wie hier bereits mehrfach betont wurde. Der 
pathien für Frankreich und England herrschten, wurden Ausdehnung des rechten Flügels der deutschen Heere bis 
in der gewissenlosesten und dreistesten Weise gegen die an die belgische Grenze und bis an die Nordsee entsprach 
„Barbarei" und das „Hunnentum" der Deutschen auf- der Verzicht auf das Durchbrechen des französischen Zen¬ 
gehetzt. Sie ließen sich auch die stärksten Lügen auf- trums zwischen Paris und Verdun. Wir sahen, wie die 
binden, und einige Künstlervereinigungen ließen sich Franzosen in diesem Teil ihrer Front fich in Reims einen 
auch trotz des Widerspruchs der besonnenen und über neuen Stützpunkt schusen und ihn gegen die deutschen 
Deutschland besser unterrichteten Mitglieder 'zu leiden- Angriffe behaupteten. Daraus folgte eine andere Ver- 
fchaftlichen und törichten Protesten hinreißen. teilung der deutschen Armee in der Nordfront. Ihr öst- 
Das deutsche Große Hauptquartier hatte auf die licher Flügel stand jetzt nördlich von Verdun und hielt 
erste Nachricht von dem Protest der franzöfifchen Re- von hier aus die Linie bis zur mittleren Aisne inne. 
gierung nicht gezögert, auch feinerseits amtlich festzn- Unter diefen Umständen benutzten die Franzosen die 
stellen, was geschehen war. Es gab folgende Darstellung: Gelegenheit, dem rechten Flügel ihrer Nordfront eine 
„Nachdem die Franzosen die Stadt Reims durch starke festere Anlehnung an ihre Ostfront zn geben, die jetzt den 
Verschanzungen zum Hauptstützpunkt ihrer Verteidigung Schutz der rechten Flanke ihrer Gefamtstellung bedeutete, 
gemacht hatten, zwangen sie selbst uns zum Angriff Um diefen Flankenfchutz zu verstärken, fchufeu fie fich 
auf die Stadt mit allen zur Durchführung nötigen westlich und nordwestlich von Verdun, zwischen der Maas 
Mitteln. Die Kathedrale sollte auf Anordnung des und der oberen Aisne, eine Stellung von großer Stärke, 
deutschen Armeeoberkommandos gefchont werden, fo- Das wurde ermöglicht durch die befonderen Vorteile, 
lange der Feind fie nicht zu feinen Gunsten ausnutzte, die hier das Gelände gewährte. Denn hier, zwischen Maas 
Seit dem 20. September wurde auf der Kathedrale und Aisne, liegt die bewaldete, eigentümlich gestaltete 
die weiße Fahne gezeigt und von uns geachtet. Trotzdem Hochfläche, die man den Argonner Wald nennt. Die Höhe 
konnten wir aus dem Turm einen Beobachtungsposten dieses kleinen Waldgebirges, das die Grenze zwischen der 
feststellen, der die gute Wirkung der feindlichen Artillerie Champagne und Franzöfifch-Lothringen bildet, ist nicht 
gegen unsere angreifende Infanterie erklärte. Es war gerade bedeutend, aber die Gestaltung des Geländes 
nötig, ihn zu beseitigen. Dies geschah durch Schrapnell- macht die Argonnen zu einem schwer zugänglichen Gebiet, 
seuer der Feldartillerie; das Feuer schwerer Artillerie Die Hochfläche ist durch tief eingeriffene Schluchten, 
wurde auch jetzt noch nicht gestattet und das Feuer deren Steilränder fich bis 100 Meter über die Talsohle 
eingestellt, nachdem der Posten beseitigt war. Wie erheben, in viele Teile zerspalten. Das Ganze ist mit 
wir beobachten können, stehen Türme und Äußeres dichtem Wald bestanden, deffen Eigenheit durch stark 
der Kathedrale unzerstört, der Dachstuhl ist in Flammen ineinander verwachsenes Unterholz und Dorngestrüpp 
ausgegangen. Die angreifenden Truppen sind also bezeichnet wird. Unterbrochen sind diese Waldstrecken 
nur so weit gegangen, wie sie unbedingt gehen mußten, durch Moore und Heiden. Das ganze Gebiet, das von 
Die Verantwortung trägt der Feind, der ein ehrwürdiges Norden nach Süden eine Ausdehnung von 60 Kilometer 
Bauwerk unter dem Schutz der weißen Flagge zu miß- hat und von Osten nach Westen etwa 15 Kilometer breit 
brauchen versuchte." Nachträglich wurde diesem Bericht ist, hat keinen Überfluß an Straßen und besseren Wegen; 
noch hinzugefügt, daß ein einziger Mors erschuf auf die es ist daher sür größere Truppenmassen jederzeit schwer zu 
Kathedrale abgegeben wurde. Es geschah auf einen passieren und bildet bei ungünstiger Witterung ein be¬ 
besonderen Beseht, weil es nicht möglich war, mit Feuer trächtliches Hindernis. Dieses Gelände durch gut ge- 
der Feldartillerie die deutlich erkannte feindliche Beob- wählte Stellungen, starke Befestigungen, Wegfperren und 
achtungsstelle von der Kathedrale zu vertreiben. alle möglichen Hindernisse vollends unzugänglich zu 
Allmählich bestätigten bie weiter einlaufenden Be- machen, war eine Aufgabe, die den Franzosen bei ihrer 
richte, wie verhältnismäßig geringfügig die Schäden Geschicklichkeit für derartige Anlagen besonders lockend 
an ber Kathedrale in ber Tat waren. Sogar ein eng- erscheinen mußte. Hier, mit ber günstigen Flonkenanleh- 
lischer Korrespondent war ehrlich — ober soll man sagen: nung an bie Festung Verbun, bie ihrerseits wieder ben 
naiv? — genug, auszusprechen, bie französische Re- starken linken Flügelpunkt ber stark befestigten Maaslinie 
gierung muffe gröblich schlecht unterrichtet gewesen sein, bilbete, konnte bem Vorbringen ber deutschen Armee 
als sie ber Welt bekannt machte,, baß von ber Kathedrale nach ©üben ein Halt geboten, zugleich Verdun erheblich 
nur noch ein Trümmerhausen übrig sei. Auch in die entlastet werden.
	        
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