Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Die Landwirtschaft und der Krieg 
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ist er auch keineswegs antisozial. Aber seine Vorherrschaft wirkt entvölkernd, 
und zwar in doppeltem'Sinne; erstens hält sie das Land menschenleer, zweitens 
drängt sie im Zeitalter der freiheitlichen Ideen den Nachwuchs vom Lande; denn 
sie verhindert aller Regel nach die tüchtigen Leute aus der Landarbeiterschaft, 
in ihrem Berufe durch Fleiß und Sparsamkeit voranzukommen und sozial unab 
hängig zu werden. Dies ist notwendig das Ideal der kleinen Leute auf dem Lande, 
weil sie die Lebensfähigkeit des landwirtschaftlichen Kleinbetriebes überall vor 
Augen sehen. Ebenso bewirkt die Vorherrschaft des Großbesitzes, daß nur eine 
sehr beschränkte Zahl von Abkömmlingen aus der Bauernschaft auf dem Lande 
durch Ankauf und Einheiraten unterzukommen vermag.“ Es wäre wünschbar, 
daß vertiefte soziale Einsicht und vaterländisches Denken den Großbesitz überall 
dazu führte, sich selbst seine kleinbäuerlichen Nachbarn zu schaffen, um dann in 
eine ersprießliche Arbeitsgemeinschaft mit ihnen zu treten ; daß ferner der große 
Hofbauer sein Gut zwar durch das Höferecht geschlossen erhält, dagegen auch 
seine jüngeren Kinder auf seinem Besitz anzusiedeln versucht. Überhaupt muß, 
um noch mehr selbständiges Unternehmertum in der Landwirtschaft zu begründen, 
die innere Kolonisation tatkräftiger durchgeführt werden. Hier ist zwar schon 
manches geschehen, und die Kultur von Mooren und Ödländereien, die mit Hilfe 
von Kriegsgefangenen verstärkt wurde, wird mit in dieser Richtung arbeiten. 
So läßt sich hoffen, daß unser deutsches Volk wieder mehr durchdrungen werde 
von dem einsichtigen Geiste, der schon die alten Römer in der Zeit ihrer Größe 
erfüllte und dem Marcus Terentius Varro Ausdruck gegeben hat: „Es ist die 
Landwirtschaft nicht allein viel älter als das Stadtleben, sondern auch viel wichtiger. 
Deswegen führten unsere Väter öfters wieder einen Teil der Bürgerschaft als Kolo 
nisten aufs Land, weil der Landmann die Stadt in Eriedenszeiten ernähren und in 
Kriegszeiten verteidigen muß.“ 
Ohne die Betrachtung mit zu vielen Zahlen belasten zu wollen, scheint es 
uns doch nötig zu sein, grade landwirtschaftliche ErzeugungsVerhältnisse durch 
statistische Ergebnisse zu beleuchten. Wir erkennen daraus am besten die gewaltigen 
Werte, mit denen wir vor Kriegsausbruch zu rechnen gelernt hatten. Dabei dürfte 
es empfehlenswert sein, die Zahlen verschiedener Jahre vor Augen zu führen, um 
die Zunahme der Leistungsfähigkeit deutlich zu machen. Schon der Vergleich der 
Anbauflächen mit den Erträgen und den gestiegenen Werten an Pflanzen und Tieren 
dürfte manchen beruhigen, der allzusehr an den Satz glaubte, daß die einmal 
gegebene landwirtschaftliche Fläche die Ernährung des rasch wachsenden deut 
schen Volkes bald nicht mehr gewährleisten könne. 
Die Anbaufläche von Weizen ist demnach ungefähr dieselbe geblieben, da 
diese Frucht einen tiefgründigen besseren Boden verlangt und zudem auch anspruchs 
voller und weniger winterfest ist. Spelz und Gerste sind zurückgegangen, während 
Hafer, Kartoffeln und Luzerne Zunahmen. Die. Gesamtfläche für Brotgetreide hat 
sich gegenüber den 80er Jahren gemehrt, was wir besonders dem stärkeren Roggen 
anbau verdanken. Genauer ausgedrückt haben in ganz Deutschland Hafer und 
Kartoffeln an Anbaufläche gewonnen, im Nordosten der Roggen, in den mittel 
deutschen Gebieten der Weizen; hier und in Westdeutschland ist der Gerstenanbau 
dagegen zurückgegangen.
	        
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