Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Die Landwirtschaft uud der Krieg 
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einer regeren Anwendung biologischen Denkens, einer Verschärfung der Zucht 
wahl und einer vertieften Belehrung in technichen Einzelheiten der Tierzüchtung 
Bahn bricht. Im selben Sinne wirkt für den Pflanzenbau die ,,Deutsche Gesell 
schaft zur Förderung der Pflanzenzüchtung“. Und endlich sei hier auch 
noch des ,,Bundes der Landwirte“ gedacht, der heute 320 000 Mitglieder zählt 
und die Interessen der Bodenkultur nach jeder Richtung vertritt. 
Ist dergestalt manch harte Linie im Wesen der deutschen Landwirte durch 
Zusammenschluß und erhöhtes gegenseitiges Vertrauen gemildert, und ist die all 
gemeine Bildungsstufe viel höher geworden, so scheint es auch selbstverständlich 
zu sein, daß die landwirtschaftliche Fachpresse in den letzten Jahrzehnten 
eine große Ausdehnung erlangt hat. An bedeutenden Zeitungen besitzen wir u. a. 
die ,,Deutsche Landwirtschaftliche Presse“, die „Illustrierte landwirtschaftliche 
Zeitung“, die beide in Berlin herausgegeben werden, und endlich die „Wiener 
landwirtschaftliche Zeitung“. Daneben erscheinen meist wöchentlich einmal die 
Zeitschriften der Landwirtschaftskammern oder der Zentralstellen. Das „Württem- 
bergische Wochenblatt für Landwirtschaft“ hat beispielsweise 88 000 Bezieher, 
sodaß hieraus wohl ermessen werden kann, welch eine Fülle von Aufklärung sich 
auf diesen Wegen unter der bäuerlichen Bevölkerung ermöglicht. Zahlreich sind 
natürlich auch die Blätter lokaler Verbreitung und alle die, die sich mit Teilgebieten 
der Landwirtschaft befassen. 
Bei der höheren Bildungsstufe der heutigen Landwirte kann es nicht über 
raschen, daß die Technik der Züchtung viel vollkommener wurde. Bei Kultur 
pflanzen und Haustieren zeigt sich eine individuelle Verschiedenheit, die beobachtet, 
geprüft und in der Zuchtauslese gewürdigt sein muß. Durch sie gelangen wir zu 
neuen Zuchten und Stämmen, die sich durch höhere Leistungen oder größere 
Widerstandskraft gegenüber den Schädigungen durch die Umwelt auszeichnen. 
Die Formen, in denen sich die zahllosen Maßnahmen und Überlegungen der Züchtung 
bewegen, bilden heute ein besonderes Wissensgebiet, das eine früher ungeahnte 
Höhe erreicht hat. Hier haben wir wieder einmal zu erkennen gelernt, daß die reine 
Erfahrung, so kritisch sie sein will, doch ohne die Wissenschaft nicht so viele Früchte 
zu tragen vermag. Diese Wissenschaft vertieft sich unter anderem in die biologischen 
Fragen der Variabilität, der Anpassung, der Vererbung. Die ältere biometrische 
Schule sowie die spekulative Abstammungslehre sind dabei durch den Mendelismus 
ergänzt worden. In ihm sehen viele die Zukunft. Wie dem aber sei, so können 
Einsichtige nicht verkennen, daß mit der Aufstellung von Erbformeln sich nur 
eine statistische Arbeit vollzieht, die uns noch keinen Einblick in die inneren Ur 
sachen schafft. Vielleicht, daß uns die Zukunft in der Entwicklungsmechanik der 
Organismen auch für die Tierzucht noch tiefere Aufschlüsse schafft. Darüber 
hinaus brauchen wir noch eine Morphogenese, d. h. die Lehre der Entstehung der 
Formen in der Haustierzucht, wie ich sie längst angeregt habe 1 ). (Bild 4.) 
Mit Auslese und Vererbung ist es aber schließlich allein nicht getan, wenn 
nicht die Scholle gepflegt wird, auf der Pflanze und Tier sich entwickeln. Liebig 
) Aus Biologie, Tierzucht und Rassengeschichte, von Dr. H. Kraemer, I. Band. Verlag Eugen 
Ulmer, Stuttgart.
	        
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