802 Robert Sommer
Die Einwirkung des Krieges auf das Nervensystem geschieht in viererlei Arten.
1. Durch direkte mechanische Schädigungen, nämlich durch Schuß
verletzungen der verschiedensten Art, sowie durch Schlag und Quetschung.
2. Infektionskrankheiten, die giftige Stoffe im Körper erzeugen und da»
Nervensystem schädigen.
3. Erschöpfende Wirkungen (Überanstrengung, Störungen des Schlafes und
der Ernährung)"
4. Psychische Einwirkungen, und zwar einerseits durch die Eindrücke de»
•Krieges im allgemeinen, andererseits durch besondere schreckhafte Ereignisse.
I. Die mechanischen Schädigungen des Nervensystems.
Im Zusammenhang des vorliegenden Buches steht die erste Gruppe, die
mechanischen Einwirkungen auf das Nervensystem, im Vordergrund des Interesses,
weil dabei eine Reihe von technisch-therapeutischen Methoden, besonders Nerven
naht, Beseitigung von Muskelspannungen und elektrische Behandlung in Betracht
kommt.
1. Peripherische Nerven.
Am einfachsten liegen meistens die Verhältnisse bei der Verletzung
von bestimmten peripherischen Nerven, wie sie z. B. sehr oft bei Kugel- und
Granatsplitterverletzung der Extremitäten Vorkommen! Für den Nicht-Medi
ziner ist es erstaunlich, daß öfter große Wunden an den Extremitäten, die nur
Haut und Muskulatur betroffen haben, ja sogar starke Knochenverletzungen
sehr gute Heilresultate geben, während andererseits scheinbar geringfügige Ver
letzungen, bei denen ein Nerv getroffen ist, sehr schwere Störungen an weit abliegen
den Stellen zur Folge haben. Es hängt dies eben mit der speziellen Bedeutung der
Nerven als Leiter der nach dem Gehirn gehenden Empfindungsreize und der vom
Gehirn kommenden Bewegungsimpulse zusammen. Ein genaues Studium der
Nervenbahnen und ihrer Verzweigungen, besonders auch an den Extremitäten,
ist die unbedingt notwendige Voraussetzung für eine einwandfreie Diagnostik und
erfolgreiche Therapie in diesem Gebiet. Man muß zunächst die Frage klar beant
worten, ob sich die eventuell vorhandenen Störungen der Empfindung und Bewegung
aus der Verletzung einer bestimmten Stelle eines oder mehrerer peripherischer
Nerven einwandfrei ableiten lassen, und ob diese zu der Lage der Schußverletzung
stimmt.
Ist eine solche Übereinstimmung zwischen Symptomen und Stelle der Ver
letzung gegeben, so wird in vielen Fällen die Freilegung der betroffenen Stelle und
die chirurgische Behandlung des verletzten Nerven zweckmäßig -sein. Die Störung
kann nun entweder dadurch bedingt sein, daß der Nerv von einem Geschoß direkt
getroffen und durchschlagen ist, oder daß in anderen Fällen der Nerv nur indirekt-
durch Blutung aus der Nachbarschaft, Eiterbildung oder Narbengewebe, das sich
an ihn anheftet oder ihn umgibt, geschädigt ist. Es genügt daher in einer Reihe von
Fällen, den Nerven aus dieser Umhüllung zu befreien oder das Narbengewebe
abzulösen (Neurolyse). Die Technik dieser 'Operationen ist zwar eine speziell