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Ernst Lehmann
Die Lebenserscheinungen der Bakterien.
Das Leben der Bakterien spielt sich im Prinzip nach durchaus denselben
Gesetzen ab, wie das der höheren Pflanzen. Sie atmen, wachsen, ihre Zellen teilen
sich, sie pflanzen sich fort. Das Leben der Bakterien ist an bestimmte, äußere,
im einzelnen wechselnde Bedingungen gebunden, unter denen eine geeignete Tempe
ratur eine besonders bedeutsame Rolle spielt. DieBakterienbedürfen, ganz allgemein
gesprochen, derselben Nährstoffe, wie die höheren Pflanzen, in eister Linie kommen
stickstoffhaltige Nährstoffe in Frage, sodann Kohlehydrate und Mineralsalze.
Andererseits sind verschiedene Bakterien oft sehr wählerisch bestimmten, einzelnen
Nährstoffen gegenüber, was der Diagnose vorzügliche Anhaltspunkte bietet. Wie
für die höheren Pflanzen und Tiere sind wiederum andere Stoffe auch für das Leben
der Bakterien schädlich, sie wirken als Gifte; das ist vor allem bei der Unschädlich
machung der Bakterien, der Sterilisation und' Desinfektion wichtig. Unter all
diesen Gesichtspunkten wird es zuerst notwendig werden, die äußeren Lebens
bedingungen, dann die Stoff Wechsel Vorgänge näher zu studieren.
Bei den pathogenen Bakterien aber kommt wie bei allen Parasiten auch noch
das Verhältnis zum Wirte in Frage, welches zur Kenntnis der Lebenserscheinungen
der Bakterien von hoher Bedeutung ist. Wir haben also weiterhin noch die Ein
wirkung der Bakterien auf Versuchstiere (Tierversuch) und das wechselweise Ver
halten von Bakterium und infiziertem Organismus (Serologie) kurz zu betrachten.
Die äußeren Lebensbedingungen.
Die Feuchtigkeit.
Alle Organismen bedürfen zum Leben eines gewissen Wassergehaltes der
Umgebung. Auch die Bakterien sind in wechselndem Maße an Feuchtigkeit ge
bunden. Choleravibrionen gehen bei Eintrocknung schnell zugrunde, andere
können Trockenheit auch im vegetativen Zustande länger ertragen; sehr wider
standsfähig gegen Austrocknung sind die meisten Bakteriensporen. Das Verhältnis
der Bakterien zu der Feuchtigkeit spielt naturgemäß eine große Rolle bei der Be
kämpfung der Bakterien. Wir können indessen an dieser Stelle darauf nicht näher
eingehen.
Die Temperatur.
Die meisten der uns hier beschäftigenden Bakterien finden ihre optimalen
Lebensbedingungen ungefähr bei Körpertemperatur. Man erzieht sie deshalb im
Laboratorium in Brutschränken, die ca. 37 Grad halten. Solche Brutschränke
gehören zum notwendigsten Inventar jedes bakteriologischen Laboratoriums. Sie
bestehen aus einem mehr oder weniger großen, doppelwandigen Schrank, der durch
einen Wassermantel umgeben ist. Das Wasser wird zumeist durch Gas erwärmt,
dessen Zufuhr durch Regulatoren verschiedener. Konstruktion geregelt wird.
Im Felde fehlten solche Brutschränke nun häufig. Gut versehen ist das
Feldlaboratorium noch mit einem durch Petroleum heizbaren Brutschrank, voraus
gesetzt, daß das zur Heizung nötige Petroleum immer zu beschaffen ist. Hat man
keinen solchen Brutschrank, so gelang es, in vielen Fällen einen solchen zu impro